Meinung Bürgerlicher Stalinismus: Die Universität Bonn und die Causa Guérot
In der normalen Welt, in der halbwegs demokratischen Bundesrepublik, die es einmal gab, wäre es nie zu einem Fall Julia P. gekommen. Auch für die Medien wäre es eine Nichtmeldung gewesen. Und jetzt? Eskaliert die ganze Geschichte nicht nur bis zum Einsatz der Staatsanwaltschaft, sondern außerdem bis hin zur Veröffentlichung aller möglichen Daten, die immer auch ein Element der Bedrohung enthält, schon gar, wenn es diese berüchtigte ukrainische Liste ist, und der letzte Akt des ganzen Dramas ist dieses obskure Video aus ebenso obskurer Quelle, von dem man nicht sagen kann, ob es nun Ablenkung sein soll oder eine weitere Art von Drohung.
Gibt es irgendeinen Weg zurück zur Vernunft? Vor acht Jahren gab es die ersten Berichte aus der Ukraine nach dem Putsch, in denen es hieß, Menschen würden wegen Beiträgen auf Facebook verhaftet und vor Gericht gestellt, und niemand außerhalb der begrenzten Kreise, die sich tatsächlich tiefer mit dem ukrainischen Elend befassten, wollte das auch nur glauben. Acht Jahre später geschieht dasselbe in der Bundesrepublik. Strafbefehle wegen eines vor Monaten in einem Post veröffentlichten “Z”, Hausdurchsuchungen wegen Facebook-Beiträgen, Kontensperrungen.
Und mittendrin als Opfer Personen wie Julia P., Menschen, die gar nicht originär politisch sind, wie die Opfer 1977, sondern schlicht, unter der Annahme, es gebe Meinungsfreiheit, eine Meinung äußerten, die, das muss man in Deutschland inzwischen leider hinzufügen, nicht wahr sein muss und auch nicht mehrheitsfähig.
Und nur, um die Dimension des Verfalls der demokratischen Rechte fassbar zu machen, eine Anekdote über den Münchner Komiker Karl Valentin. Noch 1934 spielte er in München ein Programm, in dem er erzählte, man habe ihm ein Hitlerbild geschenkt. Seitdem, sagte er auf der Bühne, frage er sich: “Soll ich ihn aufhängen oder an die Wand stellen?”
Sämtliche Presseberichte, die über Julia P. erschienen, verwiesen mit Empörung auf den “Aufruf zur Energieverschwendung”. Das Video ihrer angeblichen Abschiebung, das von einer obskuren Adresse veröffentlicht wurde, hat einen unangenehmen Beigeschmack von “verschwinden lassen”. Man muss sich Sorgen machen um Julia P. Wie um das Land, in dem all dies geschieht.
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