Liest man in diesen Tagen deutsche Zeitungen, dann entsteht der Eindruck, Deutschland habe ein großes Problem: In Deutschland wird gestreikt. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat zu Wellenstreiks aufgerufen. Sie will die DB-Führung die Macht der Gewerkschaft spüren lassen, um ihre Forderungen durchzusetzen: 555 Euro Lohnplus für alle Beschäftigten, Erhöhung der Zulagen um 25 Prozent und eine Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Der Streik führt zu massiven Behinderungen im Zugverkehr, belastet so die Nerven der Fahrgäste und die deutsche Wirtschaft.
Die GDL ist eine kleine, aber machtvolle Gewerkschaft. Weil sie machtvoll ist, werden nun erneut Forderungen erhoben, das Streikrecht zu ändern, um die Gewerkschaftsmacht zu beschneiden. Streikrecht ja, man ist ja schließlich demokratisch verfasst, aber reicht nicht auch ein Streikrecht, mit dem die Gewerkschaften ihrem Anliegen eher symbolisch als ganz praktisch Ausdruck verleihen können? Streik ohne konkrete Belastungen für Wirtschaft und Gesellschaft ginge doch auch? Nein, das geht natürlich nicht!
Die Forderung ist volkswirtschaftlich dumm und kurzsichtig. In diesen Tagen mehr denn je, denn Deutschland hat noch ein viel größeres Problem als streikende Lokführer: eine geringe Binnennachfrage bei gleichzeitig wegbrechendem Export. Reallohnzuwächse sind in Deutschland inzwischen eher die Ausnahme als die Regel. Reallohnzuwächse, die das Attribut “kräftig” verdienen, gab es schon seit mehreren Dekaden nicht.