Borrell: Europäer werden nicht für den Donbass sterben
Wie der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck träumt Macron von einer europäischen DARPA. Und er erklärt eine europäische Kooperation für unverzichtbar, um die gewünschte Führungsrolle in vier technologischen Bereichen zu erreichen, weil das vorhandene Kapital sonst nicht reicht. Dass die staatlichen Möglichkeiten, Wirtschaftszweige zu entwickeln, vor allem deshalb begrenzt sind, weil die Politik der vergangenen Jahrzehnte ebendiese Möglichkeiten deutlich geschrumpft hat; dass die Politik der EU, die staatliches Eingreifen in die Wirtschaft geradezu tabuisiert hat und nur noch im Gefolge der großen Konzerne zulässt, nicht nur Entwicklungsmöglichkeiten geradezu stranguliert hat, was man an den drittmittelhungrigen Universitäten sehen kann, sondern zugleich die Kenntnisse über diese Steuerungsmöglichkeiten zum Verschwinden brachte. Schlimmer noch, die heutige Generation von Politikern ist bereits in dem Glauben aufgewachsen, dass Privatunternehmen alles besser wissen und jeder Eingriff in Eigentum an Produktionsmitteln geradezu Ketzerei ist. Es ist nicht nur die materielle und kulturelle Grundlage, die erst wieder neu geschaffen werden müsste, es bräuchte auch eine Art Exorzismus des neoliberalen Denkens.
Doch Macron spielt lieber mit scheinbar philosophischen Ausführungen, Politik sei “Eros versus Thanatos”. “Wenn Thanatos hungriger ist, gewinnt der Tod. Wenn die Europäer auf der Seite des Eros sind, ist das der einzige Weg, das zu managen.”
Es ist hier wie mit seinem Verweis auf die Sterblichkeit der Zivilisation. Er streut diese Formulierung ein, als er davon überzeugen will, man dürfe in der Auseinandersetzung mit den “Nationalisten” die Hoffnung nicht aufgeben. Aber so, wie dem, was er zu Eros erklärt, das Verführerische abgeht, wie er missversteht, wofür der Begriff des Thanatos steht, so wenig kann er eigentlich anführen, was es denn sein soll, wofür dieses nicht-nationalistische Europa eigentlich steht.
“Dieser europäische Humanismus, (…) die Idee der Freiheit durch Herrschaft des Gesetzes; die Sehnsucht, Wissen zu bewahren; Kultur und die Beziehung mit der Gleichheit, von der ich gerade sprach”, sagte er in der Sorbonne. Diese “Beziehung mit der Gleichheit” meinte ein wenig Sozialstaat, aber wer die sozialen Statistiken kennt, weiß, dass Europa nie, nicht einmal in den Hochzeiten des Römischen Reiches unter Einbeziehung der Kaiser, so ungleich war wie heute. Deutschland noch ein wenig mehr als Frankreich. In Wirklichkeit ist vom ganzen alten Dreiklang von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit nur noch ein Fragment der Freiheit übrig, das der Freiheit, Profite einzustreichen.
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Auch das Bild des Thanatos führt wieder zurück zu jenen Feldern des Todes, die einst der Erste Weltkrieg über die europäischen Länder verteilte, und es führt zum wahren Gesicht der “Unterstützung der Ukraine”. Dort werden inzwischen die Fahnen aus den Friedhöfen entfernt, um die endlosen Reihen der Soldatengräber weniger kenntlich zu machen, aus einem Krieg, der ohne westliches Eingreifen weder begonnen hätte noch bis heute anhielte.
Es gibt genügend Aufnahmen von den Schlachtfeldern, bei denen man nur froh ist, dass Videos keine Gerüche übermitteln, die ganz aktuell genau das zeigen, was auch die Felder von Verdun zeigten, denselben Bruch der Zivilisation, dieselbe hemmungslose Bereitschaft, Hunderttausende für einen Anspruch auf Macht und Profit zu opfern. Thanatos, der nicht für den Tod steht, sondern für ein Verlangen danach, ist in der glatten Überheblichkeit Macrons, der auf den Verlust der afrikanischen Kolonien mit dem Streben, auch französische Soldaten in der Ukraine zu verheizen, antwortet, geradezu ideal verkörpert. Er verleugnet vor sich selbst, dass das Verderben, das er so großzügig in fremden Ländern verteilt, letztlich auf ihn zurückfallen muss, und zelebriert den letzten Ball auf dem bereits sinkenden Schiff.
Eros allerdings, der ewig kindliche Sohn der schaumgeborenen Aphrodite und des Kriegsgotts Ares, das Symbol des Begehrens und der spielerischen Lust, ist weder in Paris noch gar in Brüssel beheimatet. Er, der, weil er seine Pfeile ohne Ansehen von Reichtum und Macht verschießt, ebenso sehr für Gleichheit steht wie für Lebensfreude und den Moment des schöpferischen Beginns, ist längst weitergezogen und breitet seine Flügel über die neue Welt, gegen die Macron so erbittert ankämpft.
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