Meinung Wohngipfel-Geschenke für Spitzenverdiener und Immobilienhaie
Die Privatisierungs- und Steuersenkungsexzesse bis hin zum vollständigen Aussetzen der Vermögenssteuer 1997 leerten die Kassen des Bundes und machten die Reichen weiter reicher. Das große Jammern begann: Wer soll das bezahlen? Ein Sündenbock war schnell gefunden: die lohnabhängige Mittelschicht. Die regierenden Politiker in Berlin senkten Stück für Stück die Renten, kürzten die Sozialhilfe, stutzten die Krankenkassenleistungen und ebneten mit Hartz IV den Weg in Deutschland für das Etablieren des größten Niedriglohnsektors in Europa.
Die Kommunen bekamen zugleich mehr Lasten aufgebürdet und weniger Geld. Privatisierungen von Wohnungsgesellschaften, Stadtwerken und Kliniken spülten nur kurzzeitig Geld in die Kassen, das rasch wieder abfloss, nun an die Privatiers. Heute müssen Mieter und Verbraucher daher oft Mondpreise für die Grundversorgung, also Wohnen, Strom und Gas, bezahlen – ein perfekter Sozialstaat für Milliardäre.
Legale Schlupflöcher für die Oberschicht
Alles dreht sich ums Geld, heißt es treffend. Kinder und Greise, Kranke und sozial Bedürftige lassen aber keine Kassen klingeln. Sie kosten, und keiner will es bezahlen, schon gar nicht jene Milliardäre, die ihren Profit stets fest im Blick haben und sich private Kindermädchen leisten.
Statt Jugendliche auszubilden, in eine funktionierende Gesellschaft zu investieren oder zumindest genug Steuern zu bezahlen, dass der Staat das auf die Reihe bekommen könnte, klagen die Superreichen mit ihren Lobbyverbänden und politischen PR-Sprechern über angeblichen Fachkräftemangel und fordern immer neue soziale Schikanen gegen jene, die ihren Reichtum erwirtschaften sollen.
Denn Superreiche scheuen Steuern wie der Teufel das Weihwasser. Neben mehr als 100 Milliarden Euro, die Superreiche jährlich illegal hinterziehen, hält Vater Staat für sie auch jede Menge legale Schlupflöcher bereit: Sie legen sich geschachtelte Holdings zu, investieren ihre Vermögen in Immobilien, verschieben es in Stiftungen oder ziehen große Summen in Steueroasen ab. Eine EU-finanzierte Forschergruppe fand das nun in einer Studie über das Steueraufkommen heraus. Die Autoren führen darin aus, was viele Ottonormalbürger schon immer vermutet haben: Superreiche zahlen die geringsten Steuern, bluten muss dafür die Mittelschicht.
Neoliberale Fans der Schuldenbremse
Die neoliberale PR-Abteilung der Profiteure sitzt auch mitten unter den Politikern. Derzeit wettert beispielsweise der CDU-Chef und deutsche Ex-BlackRock-Aufsichtsrat Friedrich Merz in Dauerschleife abwechselnd gegen Bürgergeldbezieher und gegen vermeintliche Pläne der “Ampel”-Regierung, die Schuldenbremse auch nächstes Jahr aussetzen zu wollen oder müssen.
Diese Schuldenbremse ist eine weitere “heilige Kuh” der Neoliberalen, nämlich ihre Reaktion auf die durch sie verursachten staatlichen Mindereinnahmen. Ein jüngerer Parteifreund von Merz, der CDU-Aufsteiger und Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß, legte diesbezüglich in Springers Zeitung Die Welt noch einmal kräftig nach. Er rief wörtlich dazu auf: “Rettet die Schuldenbremse – kürzt den Sozialstaat!”
Stimmungsmache für noch mehr Sozialabbau
Seiner Meinung nach gebe der Staat die “Steuermilliarden” – vor deren Zahlung sich wie gesagt Superreiche erfolgreich drücken – falsch aus. Die “Rente mit 63” nach 45 Arbeitsjahren sei “unzeitgemäßer denn je”, das Bürgergeld sei zu hoch, Sanktionen gegen Arme seien zu gering und die Lebensarbeitszeit sei in Deutschland eh viel geringer als anderswo. Das stimmt zwar nicht, reicht aber wohl, um Stimmung zu machen.
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“Stimmung machen” ist das Geschäft von Ploß, Merz und deren Kollegen im Deutschen Bundestag. Dafür werden sie jedenfalls viel besser aus dem Steuertopf bezahlt als Erzieherinnen in kommunalen Kitas. Die CDU und ihre kleine Schwester AfD mimen damit gern eine Opposition gegen die “Ampel”. Dabei agieren SPD und Grüne kaum weniger neoliberal. Ob in der Regierung oder in der Opposition: Sie dachten seit der Ära Kohl zu keinem Zeitpunkt daran, von den wirklich Reichen mehr zu fordern. Vermutlich fürchten sie deren Zorn.
Lösungsvorschlag: Reiche wieder integrieren
Man fragt sich, wie das alles ausgehen soll: Die Armut wächst, die Zahl der Obdachlosen, Drogensüchtigen und Bettler explodiert, Sozialdarwinismus feiert gemeinsam mit dem Niedriglohnsektor Hochkonjunktur, längst sprießen Slums in deutschen Großstädten wie Pilze aus dem Boden. Das ist, wie man an den Vorreitern USA und Großbritannien trefflich sehen kann, eindeutig eine Folge neoliberaler Politik.
Die Idee, die Folgen mit noch mehr Neoliberalismus in den Griff zu bekommen, kann historisch als gescheitert angesehen werden. Kitas müssen gebaut werden. Fachkräfte muss man ausbilden. Das personelle Potenzial dafür gedeiht auf sozialem Ausgleich, auf einer Politik, die Armut ernsthaft beseitigt, Menschen integriert statt ausgrenzt und alle Kinder fördert.
Ein Armenhaus in Selbstverwaltung kann das nicht leisten. Die regierenden Politiker müssen die Superreichen angemessen in die Verantwortung nehmen, sie also wieder voll integrieren, so wie sie es von allen anderen Menschen im Land auch verlangt. Womöglich reicht das Geld dann nicht nur für genügend Kitaplätze, sondern auch für bessere medizinische Versorgung, für Freibäder, Parks, Kultureinrichtungen und Jugendklubs. Das käme allen zugute, letzten Endes sogar auch den Milliardären. Auch sie dürften am sozialen Frieden sehr interessiert sein. Eine zivilisierte Gesellschaft sollte das leisten können.
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