“Waschlappen-Performance” – Kritik an Energiespartipps angesichts massiver Preissteigerungen
Der CDU-Politiker Heilmann nannte die Umlage “verfassungswidrig und europarechtswidrig”. Es werde dagegen zahlreiche Klagen geben. Auch ordnungs- und sozialpolitisch sei das Verfahren falsch. “Die Gasumlage subventioniert de facto auch solche Geschäfte, die hoch profitabel sind.” Das Herabsetzen der Mehrwertsteuer führe zu einer “ungerechten Verteilungswirkung”.
Zwar müsse es eine Entlastung der Bürger geben, sagte Heilmann. Besser wäre aber zum Beispiel ein direktes Energiegeld. Die Stützung der Unternehmen sollte nach dem Lufthansa-Modell erfolgen. Der Staat hatte der Fluggesellschaft in der Corona-Krise mit stillen Einlagen, einem staatlich abgesicherten Kredit und einer direkten Beteiligung geholfen.
Am Mittwoch kündigte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch an: “Die SPD-Fraktion wird darauf drängen, dass nur Anträge auf finanzielle Entlastung von den Unternehmen erfolgreich sein können, die durch die aktuelle Preisentwicklung in ihrer Existenz bedroht sind.” Nicht umsonst habe der Bundestag im Energiesicherungsgesetz ein zweimonatiges Interventionsrecht des Parlaments verankert. “Zugleich ergeben sich Fragen, inwieweit wir alternative Wege der Entlastung für diese Unternehmen gehen können – jenseits einer Umlage, wie durch den Einsatz von Steuergeldern.” Diesen Weg über Steuergelder wollte das Finanzministerium aber bisher auch unter Verweis auf knapper werdende Haushaltsmittel nicht gehen.
Selbst die Grüne Jugend kritisierte die Politik der Bundesregierung und damit des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck. Es gelte, das “Wohl der Menschen und nicht das Recht auf Gewinne in den Mittelpunkt” zu stellen, so Sprecherin Sarah-Lee Heinrich, die in der Vergangenheit nicht immer mit sehr menschenfreundlichen Aussagen aufgefallen war.
Auch die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang gestand am Donnerstag ein: “Natürlich stört es auch mein Gerechtigkeitsempfinden, wenn Unternehmen, die an anderen Stellen große Gewinne machen, jetzt ihre Kosten frühzeitig auf die Verbraucher umlagern wollen.”
Zugleich aber sei es rechtlich schwierig, die Datenlage nur auf einzelne Unternehmen, die systemrelevant oder insolvenzbedroht seien, zu beschränken. Daher brauche es nun politische Lösungen, sagte Lang – und bekräftigte ihre Forderung nach einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne. Dagegen wiederum sträubt sich der Koalitionspartner FDP.
Deren energiepolitischer Sprecher kündigte am Donnerstag an: “Als Freie Demokaten setzen wir uns dafür ein, dass mit der Gas-Umlage ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden”, ohne dies näher zu erklären, womöglich weil das andere regeln sollen. Wie FDP-Kollege und Justizminister Marco Buschmann dem Portal The Pioneer sagte, geht er davon aus, dass der Energieminister sich etwas überlegt, wie er mit dem potenziellen Problem der Mitnahmeeffekte umgeht.
RWE und Shell hatten bisher erklärt, Verluste selber tragen zu wollen. Wirtschaftsminister Habeck forderte weitere nicht bedürftige Unternehmen auf, dem Beispiel zu folgen. Ein Sprecher des österreichischen Energiekonzerns OMV sagte am Donnerstag, die deutsche Tochter habe Ausgleichsansprüche als Gasimporteur im Sinne des Gesetzes bekannt gegeben. “Ob und in welcher Höhe Ansprüche bestehen und ob diese in Anspruch genommen werden, hängt von weiteren Prüfungen und Entscheidungen ab.”
OMV hat im ersten Halbjahr Milliardengewinne gemacht. Einen Überschuss erzielten auch der Schweizer Energiehändler Axpo und der deutsche Energiekonzern EnBW, dessen Ableger den Kunden bereits ab Oktober die Umlage mitberechnet und einen finanziellen Ausgleich durch die Umlage will.
Eine Sprecherin des EnBW-Ablegers VNG erklärte, ausfallende russische Mengen müssten am Markt zu massiv gestiegenen Preisen nachgekauft werden, um die Kunden zu ihren ursprünglich vereinbarten Konditionen weiter zu beliefern. Dies habe erhebliche Verluste bei der VNG erzeugt. Das Umlagesystem ermögliche für die VNG keine Gewinne, sondern mindere Verluste, so die Erklärung.
FDP-Politiker Kruse jedenfalls kritisierte die Union für deren “energiepolitischen Blindflug”: “Dass die Union die Gas-Umlage im Bundestag stoppen möchte, zeigt, dass sie ihren energiepolitischen Blindflug der letzten Jahre fortsetzt und nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, die uns erst in die aktuelle Lage gebracht haben”, sagte Kruse. “Ohne die Umlage wäre die gesamte Gasversorgung in Deutschland gefährdet, viele regionale Gasversorger stünden ohne die Umlage vor kaum überwindbaren finanziellen Schwierigkeiten und Versorgungsengpässen.”
Es sei ein Mammutprojekt, Deutschland sehr kurzfristig aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien, so Kruse. “Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Union diesen Weg offenbar nicht konstruktiv mitgehen möchte und damit erhebliche Risiken für Bürger und Unternehmen billigend in Kauf nimmt.”
Auch die Linke betonte, sie wolle die Umlage im Bundestag stoppen. “Ich begrüße es, wenn die Union sich dem anschließen will”, sagte Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch. “Wenn auch die Grüne Jugend gegen die Gasumlage auf die Straße gehen will, könnte die Ampel-Mehrheit im Bundestag wackeln. Die Gasumlage ist eine krasse Fehlkonstruktion, die so zurückgenommen werden muss.” Der Weg über das Parlament erfordert eine Mehrheit.
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