Analyse Montenegro am Scheideweg: Ein Schritt nach vorn oder zwei Schritte zurück?
Diese Organisation, die bei der Polizeistation registriert ist, lebt heute vom montenegrinischen Nationalismus und hat eine vernachlässigbare Anzahl an Unterstützern. Alles erinnert unweigerlich an die aktuelle Lage in der Ukraine und Selenskis Vorgehen gegen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche unter der Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats. Bürger in Montenegro ziehen oft eine Parallele zwischen den beiden Fällen und erklären, dass Milo Đukanović und sein “Kirchenprojekt” ein Vorbild für die Handlungen ukrainischer Behörden waren, die wir in den letzten Tagen gesehen haben.
Was ist also am Sonntag, den 2. April, passiert?
“Es ist etwas passiert, was wir angekündigt haben, die politische Demontage des 33-jährigen Regimes von Milo Đukanović ist passiert”, antwortet der Politikwissenschaftler und ehemalige Politiker aus Podgorica, Vladimir Pavićević, kurz.
Ähnlich sehen es andere Kenner der Lage in Montenegro, dem kleinen Balkanstaat mit seinen knapp 600.000 Einwohnern.
Was ist vom neuen Pr äsidenten Jakov Milatović zu erwarten?
“Wir erwarten, dass er Montenegro aus der tiefen Krise führen wird, in der es sich vor allem wegen der autokratischen Herrschaft des ehemaligen Präsidenten und seiner blinden Unterwürfigkeit gegenüber denen, die in den letzten Jahrzehnten auf dem Balkan ihre Geschäfte treiben, befindet”, fügt Pavićević hinzu.
Milo Đukanović hat die Niederlage offensichtlich schwer getroffen, er gratulierte dem Sieger, wohl wissend, dass seine weitere politische Karriere in Frage gestellt ist. Ziemlich sicher ist aber, dass er bei den anstehenden außerordentlichen Parlamentswahlen, die er kurz vor den Präsidentschaftswahlen anberaumt hat, als Parteivorsitzender antreten und voraussichtlich als Abgeordneter ins Parlament einziehen wird. Viele erkannten darin seine Schwäche und sahen voraus, dass es ihm schwer fallen würde, den jungen Gegner Jakov Milatović zu besiegen. Auf diese Weise wird Đukanović zumindest für eine Weile mögliche Strafverfolgungen und die ihm auferlegte Verantwortung aufgrund zahlreicher Affären im Zusammenhang mit seinem Namen “überleben”.
Auf der anderen Seite ist sich der neue Präsident des Landes, obwohl er mit seinen 36 Jahren nun den heißen Präsidentenstuhl besetzt, seiner Herausforderungen bewusst ‒ er hat es nämlich nicht versäumt, seine Anhänger und Bürger davon zu überzeugen, dass er in seiner fünfjährigen Amtszeit als Präsident “Montenegro in die Europäische Union führen” wird.
Europa jetzt (sofort) oder Europa, wenn Brüssel darüber entscheidet
Analyse Montenegro nach der Präsidentenwahl: Führt die zweite Runde zu Veränderungen?
Schließlich heißt seine Fraktion “Europa Jetzt”, also steht fest, dass seiner Arbeit eine echte europäische Geschichte zugrunde liegen wird, von der Montenegro noch weit entfernt ist. Sofern es einen Schritt in Richtung europäische Zukunft geben wird, werden die Brüsseler Bürokraten sicherlich die gesamte Westbalkanregion ganzheitlich behandeln, und keineswegs das kleine Montenegro im Besonderen. Übrigens wurde Milatović der breiten Öffentlichkeit bekannt, als er im Kabinett des ehemaligen Ministerpräsidenten Zdravko Krivokapić bis zum Sturz dieser Regierung im Februar letzten Jahres als Minister für Wirtschaftsentwicklung tätig war.
Er hat eine beneidenswerte Ausbildung an ausländischen Universitäten absolviert. Als Stipendiat der britischen Regierung erwarb er einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oxford und leitete in seinem Heimatland als Minister ein Projekt, das den Mindestlohn in Montenegro von 250 Euro auf 450 Euro anhob und ihn dadurch auf jeden Fall für die Rolle des Präsidentenmandates “empfahl”.
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