Schicksalsschlacht um Stalingrad: Vom Feldmarschall der Wehrmacht zum Kronzeugen in Nürnberg
Interessanterweise bewirkte das Geschrei etwas: Die Sowjets machten ein paar Anrufe, stimmten etwas mit ihren Vorgesetzten ab und gaben den Gefangenen die Messer und Rasierklingen zurück.
Es wurde Abend, und die Deutschen legten sich bald schlafen. Man gab ihnen gute Betten mit sauberer Bettwäsche, doch Schmidt zeigte wieder einmal seine Andersartigkeit, indem er sein gesamtes Bettzeug ausbreitete und es mit einer Taschenlampe genauestens inspizierte. Anschließend legte er sich zwar ins Bett, schlief aber schlecht und mit Unterbrechungen – der gefangene Stabschef hatte eindeutig Albträume. Mehrmals wachte er auf und verlangte lautstark, man solle aufhören, das Bett zu schütteln. Natürlich blieb es völlig unberührt.
Am nächsten Tag wurde den Gefangenen ein Mittagessen serviert, darunter auch Wodka, den Paulus als “herrlich” bezeichnete. Nicht nur der Wodka fand bei dem Mittagessen lobende Erwähnung – Paulus würdigte die militärischen Künste der Russen und verkündete, dass ihre Aktionen in Stalingrad in die Lehrbücher eingehen würden.
Schmidt hingegen war ungeduldig und nervös. Entweder holte er die Wachen und erklärte ihnen mit Gesten irgendwelche Eigenheiten über die Lage der 6. Armee in der Schlacht von Stalingrad, oder er sorgte sich um eine mögliche Krise der militärischen Führung in Deutschland, um dann düster zu verkünden, dass die Russen nun mindestens bis Mitte März vorrücken würden. Eine ganz große Unruhe löste die Frage aus, ob die Rote Armee “an den ehemaligen Grenzen Halt” mache oder ob sie am Ende nach Berlin marschiere.
Gleichzeitig waren sich alle Gefangenen einig, dass die Behandlung der deutschen Generalität in der Gefangenschaft besser war als die der Deutschen gegenüber den Sowjets. Es war eine positive Neuigkeit für sie. Oberst Adam beschloss, keine Zeit zu verlieren, und begann sofort, Russisch zu lernen.
Eine weise Entscheidung
In der Gefangenschaft folgte Paulus einem spezifischen Ehrenkodex des klassischen deutschen Offiziers. Der NKWD versuchte, ihn zur Zusammenarbeit zu überreden, aber er blieb hartnäckig. Während des Krieges wurde unter den gefangenen Offizieren ein antifaschistisches Bündnis gebildet, dem sich Paulus jedoch kategorisch verweigerte, weil er es für einen Verrat hielt.
Die Situation änderte sich jedoch plötzlich im August 1944, als die Nachrichten über einen versuchten Militärputsch in Deutschland den gefangenen Feldmarschall erreichten, der sich bereits im Lager Susdal befand. Hitler ließ die Verschwörer und einige ihrer Freunde gnadenlos hinrichten. Die Loyalität gegenüber der militärischen Gesellschaft erwies sich für Paulus als sehr wichtig. Er konnte Hitler die gesellschaftlich nahestehenden Offiziere nicht verzeihen. Und aus Rache ließ er sich auf eine Zusammenarbeit mit dem NKWD ein und trat dem antifaschistischen Bündnis bei, wo er sich aktiv an der Agitation beteiligte.
Diese Tätigkeit trug Früchte. Am Nürnberger Prozess nahm der Feldmarschall als Zeuge teil. In der UdSSR hielt man ihn in einem “goldenen Käfig”, versorgte ihn mit allem, was man zur Erholung und Freizeitgestaltung benötigte, ließ ihn aber nicht nach Deutschland. Dafür gelang es Paulus, als Berater in dem Film “Die Schlacht von Stalingrad” mitzuwirken, der 1949 in die Kinos kam.
Wie sah das komplett zerstörte Stalingrad vor dem Zweiten Weltkrieg aus? (FOTOS)
Nicht einmal seine Frau, die 1949 starb, hat er gesehen. Nach dem Tod Stalins durfte Paulus dennoch in die DDR ausreisen. Er lebte dort wohlbehütet, lehrte und forschte für den Rest seines Lebens im Bereich der Militärgeschichte. Am 1. Februar 1957, einen Tag nach dem Jahrestag seiner Festnahme, starb er im Alter von 66 Jahren.
Arthur Schmidt ging einen anderen Weg. Als überzeugter Nazi kollaborierte er bis zuletzt nicht mit der Sowjetunion und blieb seinen faschistischen Überzeugungen bis zum Schluss treu. Die Geschichte der Hinrichtung deutscher Generäle durch Hitler hat ihn nicht in Verlegenheit gebracht. “So musste es halt sein.” Dank Adenauer wurde er 1955 freigelassen. Den Stabschef von Paulus quälten offensichtlich keine trüben Gedanken. Er erreichte ein Alter von 92 Jahren und starb lange nach dem Krieg im Jahr 1987 in der BRD.
Adam, der zu Beginn seiner Gefangenschaft daran zweifelte, ob er das Richtige getan hatte, sich zu ergeben, statt sich zu erschießen, ging schließlich zum Militärdienst in der DDR, wo er mit dem Orden “Banner der Arbeit” ausgezeichnet wurde. In Ostdeutschland pflegte der ehemalige Adjutant eine herzliche Freundschaft mit Paulus, als dieser noch lebte. Wilhelm Adam starb 1978 im Alter von 85 Jahren.
Übersetzt aus dem Russischen . Zuerst erschienen bei Wsgljad.
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