Meinung Journalistenverband: Alternative Medien? Nicht verbieten, nur die Finanzen entziehen
Selbst die chinesischen Staatsmedien hätten, so der Bericht, “ausgewählte Pro-Kreml-Verschwörungserzählungen verstärkt, beispielsweise über vermeintliche militärische US-Biolabore in der Ukraine”.
Das ist ein hübsches Beispiel, wie man die Wahrheit als Kriterium entsorgt. Diese Labore finden sich nicht nur als Budgetpositionen des US-Verteidigungshaushalts wieder, ein Dokument, über das der Kreml sicher keine Kontrolle ausübt; einzelne Kooperationen, wie die Forschungsprojekte des Bernhard-Nocht-Instituts oder des Friedrich-Löffler-Instituts mit diesen ukrainischen Laboren, finden sich auch auf deren Website, wie auch beim Finanzier dieser Projekte, dem deutschen Verteidigungsministerium. Man muss also festhalten, dass es diese Labore gab, dass sie aus dem Militärhaushalt finanziert wurden und dass die Forschung im Auftrag des Militärs stattfand, und zwar nicht nur im Auftrag des US-amerikanischen. Trotzdem erklärt die EU schon die Existenz der Labore selbst zur “Verschwörungserzählung”.
Auch die westliche Beteiligung am Anschlag auf die Brücke von Kertsch im Oktober vergangenen Jahres ist nur FIMI des Kreml, so wie die Verwicklung der USA und Großbritanniens in die Sprengung von Nord Stream. Was natürlich wesentlich einfacher ist, wenn man diesen neuen Begriff nutzt, weil das Kriterium “wahr oder falsch” gar nicht mehr benötigt wird. Es ist eher andersherum. Nachdem das einzige Kriterium für FIMI darin besteht, dass eine bestimmte Information nach Meinung der EU “dem Kreml nützt”, kann noch die lauterste Wahrheit, wenn sie der EU nicht genehm ist, zum Gegenstand der Verfolgung werden.
Ein weiteres hübsches Beispiel zum Umgang mit der Wahrheit liefert der Fall der in Polen niedergegangenen Rakete. So schreibt der Bericht darüber:
“Der 15. November war ein Schlüsseltag, der in den folgenden Tagen opportunistische Vorfälle auslöste. An diesem Tag explodierte eine Rakete bei Prjewodow in Polen. Das russische FIMI-Ökosystem verstärkte Screenshots von einem Facebook-Post, der von einem gelöschten Konto veröffentlicht wurde, das dem ehemaligen Stadtratsvorsitzenden von Lublin gehören sollte, und erklärte, die Explosion der Rakete sei eine ukrainische Provokation.”
Das war damals ein ziemlich dramatischer Moment, da Kiew lautstark behauptete, es handele sich um eine russische Rakete, und nur durch Glück in Polen jemand die Überreste fotografiert hatte, wodurch klar wurde, dass es eine ukrainische Rakete aus einem S-300-Luftabwehrsystem war. Die Rakete war verändert worden, weil Luftabwehrraketen so gebaut sind, dass sie mit Abstand vom Boden explodieren. Außerdem hätte dieses Raketenmodell eine Fernzündung ermöglicht, die nicht stattfand. Es waren also einige Dinge daran eigenartig, auch ohne besagtes Posting und unabhängig von der Frage, ob es vom ehemaligen Stadtratsvorsitzenden von Lublin stammte oder nicht. Den USA jedenfalls war die Nummer zu heiß, sie erklärten sehr schnell, es habe sich um eine ukrainische Rakete gehandelt.
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Weitaus weiter verbreitet als das von der EU-Studie zitierte Facebook-Posting war das Foto, durch das man die Rakete identifizieren konnte. Aber dieses Bild kann man nicht erwähnen, wenn man in dem Rahmen einer “Desinformationsgeschichte” bleiben will.
In Zusammenhang mit Protesten unter dem Titel #StopKillingDonbass schreibt das Papier, es sei “fälschlich behauptet worden, dass die Streitkräfte der Ukraine und “paramilitärische Einheiten von Neonazis” Gräuel gegen Zivilisten begängen, darunter auch Kinder”. Fälschlicherweise? Selbst die Soros-NGO Human Rights Watch hat inzwischen eingestanden, dass die Ukraine Schmetterlingsminen in Donezk verteilt hat, eine geächtete Munition in Wohngebieten …
Nein, selbst wenn es unzählige Belege gibt, von Fotografien bis hin zu den medizinischen Berichten der Opfer – wahr ist, was die EU für wahr erklärt. Weil es ja, so der Grundgedanke des Übergangs von der “Desinformations”-Beschuldigung zu FIMI, gar nicht darauf ankommt, ob die Aussage wahr ist, sondern nur darauf, dass sie im Gegensatz zur NATO-Erzählung steht.
Dementsprechend wurden fünf Hauptnarrative ausgemacht, mit deren Wahrheitsgehalt man sich nicht näher befasste: 1. Der Westen ist der Aggressor gegen Russland; 2. Die Ukraine ist der Aggressor gegen Russland; 3. Die Sanktionen gegen Russland gingen nach hinten los. 4. Der Westen ist heuchlerisch und 5. Die Ukraine ist ein Staat von Nazis und Terroristen.
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Für jedes einzelne dieser Narrative lassen sich Belege auch in westlichen Medien finden. Aber das ist eben der entscheidende Haken, den die EU-Bürokratie mit dieser Studie schlägt:
“Die Information, die von diesen Netzwerken verbreitet wird, muss nicht belegbar falsch oder irreführend sein, um einen FIMI-Vorfall darzustellen, was FIMI breiter anlegt als die klassische Definition von Desinformation.”
Offenkundig sind die Institutionen der EU bei ihren Verfolgungsversuchen gelegentlich auf das Hindernis gestoßen, dass die verfolgten Aussagen schlicht der Wahrheit entsprachen. Es ist die ukrainische Armee, die den Donbass und auch das Atomkraftwerk Energodar beschießt. Dieses Problems wünscht man sich zu entledigen. Die Erfindung des neuen Begriffs soll die Verfolgung der Wahrheit absichern:
“Die Betonung des Verhaltensaspekts des Problems stimmt nicht nur konzeptuell mit den Forschungspraktiken der FIMI-Analysegemeinschaft überein, sondern ermöglicht es uns auch, unseren Werkzeugkasten der Gegenmaßnahmen zusätzlich zum Fokus auf strategische Kommunikation wie der Widerlegung und Vorabwiderlegung irreführender oder falscher Narrative zu erweitern.”
Womit, wird nicht genauer ausgeführt. Aber die vergangenen Monate haben bereits belegt, was alles auf dem Programm steht; begonnen mit der Sanktionierung von Medien über Kontensperrungen und Internetblockaden bis hin zur Strafverfolgung einzelner Autoren. Irgendwie werden sie es schon hinbekommen, aus der neuen Erfindung FIMI einen Straftatbestand zu basteln, der dann EU-weit eingeführt werden soll.
Ob und wie weit das dann gelingt, ist allerdings völlig unerheblich. Denn das ist längst nicht mehr nur eine Einschränkung der Meinungsfreiheit; dieser letzte Schachzug erklärt im Grunde jede Aussage, die der EU/NATO-Erzählung widerspricht, zur Majestätsbeleidigung. Allein die Absicht zu widersprechen, stellt bereits das Vergehen dar. Wenn es noch eines Belegs für die maßlose Überheblichkeit der Brüsseler Eurokraten bedürfte, hier ist er.
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