Guntram Wolff, neuer Leiter der DGAP (Photo by Dursun Aydemir/Anadolu Agency,
Quelle: Getty Images)
von Gert Ewen Ungar
Seit dem 1. August ist Guntram Wolff Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Der Politökonom war zuvor Leiter der in Brüssel ansässigen Denkfabrik Bruegel. Das Brüsseler Institut berät Politik im Hinblick auf die Implementierung von wirtschaftspolitischen Instrumenten. Mit Politikberatung im ganz großen Stil ist Guntram Wolf daher vertraut. Jetzt ist er zu einem der wichtigsten deutschen Thinktanks gewechselt. Die sich unter anderem aus Steuermitteln finanzierende DGAP berät im Hinblick auf außen- und sicherheitspolitische Fragen die deutsche Politik und Wirtschaft.
In einem bereits im Juli erschienenen Beitrag im DGAP-eigenen Magazin “Internationale Politik” umreißt er einige außenpolitische Themenfelder, die unter seiner Leitung im Fokus stehen werden. In dem Interview wird klar, die DGAP bleibt auch weiterhin streng transatlantisch ausgerichtet und wird keinerlei Versuch unternehmen, sich ideologisch zu emanzipieren. Wolff spricht zwar nicht explizit von den USA, aber insbesondere in seinen Ausführungen zu Russland und China wird klar, es bleibt bei der DGAP im Wesentlichen alles, wie es ist.
Meinung
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“Ein Russland mit Putin hätte auf keinen Fall mehr einen Platz in Europa”, führt er aus. Wohin Russland auswandern soll, wenn es von deutscher Außenpolitik zum Verlassen Europas gezwungen werden wird, lässt Wolff offen. Schon an dieser verschrobenen Formulierung des neuen Leiters lässt sich ablesen, dass die Überschätzung der Bedeutung von EU und Deutschlands im Hinblick auf ihre geopolitischen Gestaltungsmöglichkeiten auch weiterhin zentraler Markenkern der Expertisen der DGAP bleiben wird. Fakt ist nämlich schlicht: Russland wird auch weiterhin das größte Land Europas bleiben. Moskau ist vor London und Sankt Petersburg die größte europäische Metropole. Unter den nach Größe gelisteten Städten findet sich unter den ersten drei keine einzige der EU. Man wird in Deutschland und der EU nicht umhinkommen, wieder zu einer sachlichen Arbeitsebene mit Russland zurückzufinden.
Erweitert man die Perspektive noch und blickt statt auf Europa auf den eurasischen Kontinent, dann wirkt die EU mit ihrem sich aus moralischer Hybris speisenden Führungs- und Dominanzanspruch geradezu größenwahnsinnig. Östlich der EU entstehen und vertiefen sich riesige transnationale Bündnisse, die schon zahlenmäßig ein Vielfaches der in der EU lebenden Menschen repräsentieren.
Wolff weist auf die Gefahr hin, dass ein enges Bündnis zwischen China und Russland letzteres zum Juniorpartner Chinas machen würde, wodurch für Russland eine bedrohliche Abhängigkeit entstehen könnte. Das ist auf den ersten Blick richtig, aber die Kooperationsinitiative Russlands umfasst eben nicht nur China. Der Handel mit der Türkei nimmt massiv an Fahrt auf. Die Beziehungen zu den GUS-Staaten werden intensiviert, die Zusammenarbeit sowohl im Bereich Handel als auch bezüglich der Sicherheit ausgebaut. Es gibt eine immer intensiver werdende Kooperation mit dem Iran. Beide Länder werden vom Westen hart sanktioniert. Einer Ausweitung der russisch-iranischen Zusammenarbeit steht daher nichts im Wege, denn weitere, tatsächlich einschneidende Sanktionen sind kaum denkbar. Nach russischen Vorstellungen soll der Iran zu einem Handelszentrum auf dem eurasischen Kontinent werden. Der Weg durch den Iran verkürzt für Russland den Handelsweg nach Indien enorm. Indien repräsentiert wie China 1,4 Milliarden Menschen. Das Handelsvolumen Russlands mit dem Subkontinent hat sich auch durch die Sanktionen deutlich erhöht. All das wird begleitet von dem Wunsch, sich von der Dominanz des Westens und damit auch der Dominanz westlicher Währungen, namentlich Euro und Dollar, zu lösen. Beide Währungen wurden politisch instrumentalisiert, sie sind nicht weiter vertrauenswürdig. Das Einfrieren der russischen Devisen erwies sich für die Stabilität westlicher Währungen als herber Fehler.
Meinung
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Im Interview weist Wolff darauf hin, dass das Verständnis von China in Deutschland nur rudimentär ist. Das ist sicherlich richtig. Das gilt aber auch für Russland. Es fehlt an unabhängigen Experten, wobei die Betonung auf dem Wort unabhängig liegt. Es gibt eine große Anzahl von Russlandexperten, die ihre Expertise vor allem aus der ideologischen Einbettung in das westliche Bündnis ziehen. Wolff ist dafür ein gutes Beispiel. Studiert hat er in Bonn und in Passau. Der obligatorische Aufenthalt an einer Universität in den USA fehlt in seiner Biografie nicht. Natürlich ist mit diesem Hintergrundwissen erklärbar, warum er in seinem Interview deutlich macht, dass er Russland für ein nicht demokratisierbares, imperialistisches Land hält, das von einem KGB-Offizier regiert wird, der früher dafür gesorgt hat, dass die DDR sich als Unrechtsstaat aufrechterhalten konnte. Mit nach Objektivierung strebendem Wissen und klarer Analyse hat so eine wilde Aussage absolut nichts zu tun. Es ist schlicht das, was man in Wolffs transatlantischer Bubble täglich hört, sodass man schließlich ganz fest daran glaubt.
Das zeigt aber auch, dass sich durch den Wechsel an der Spitze des mit Steuergeldern finanzierten deutschen Thinktanks nichts wirklich ändern wird. Die DGAP bleibt transatlantisch, aus tief sitzendem Vorurteil heraus antirussisch und bereitet zudem die Konfrontation mit China vor. Die DGAP wird die deutsche Politik weiter in einer Weise beraten, die den Abstieg der Republik beschleunigt. Sinnvoller wäre es nämlich, die Potenziale zu analysieren und zu nutzen, die sich aus dem Zusammenwachsen des eurasischen Kontinents ergeben. Dazu allerdings müssten ideologische Blockaden aufgelöst werden, wozu offenkundig auch der neue Leiter der DGAP keinerlei Impuls liefern wird.
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