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Im Februar 2020 veröffentlichte die geheimdienstliche Abteilung des US-Außenministeriums, das “Zentrum für globales Engagement”, einen Bericht mit dem Titel:
“Der Russische Desinformationsapparat nutzt die Coronavirus-Zweifel aus.”
In dem Bericht wurde behauptet, dass “ein riesiges Netzwerk von Bots und Trollen, das von Moskau aus kontrolliert und von China und dem Iran unterstützt wird, endlose Propaganda verbreitet, in der das Coronavirus als eine künstlich hergestellte Biowaffe propagiert wird.”
Das Kriterium des Berichts, um festzustellen, ob ein User-Account ein Bot oder ein Troll ist, war – man kann es kaum glauben –, ob der Nutzer “zwei oder mehreren” chinesischen Diplomaten folgt. Dieses rund 250.000-köpfige angebliche “Netzwerk” umfasste westliche Regierungsbeamte und Medienunternehmen, einschließlich CNN. Selbst eine solch schwache Beweisgrundlage hielt Mainstream-Journalisten nicht davon ab, unzählige sensationelle News-Stories zu veröffentlichen, mit denen sie den Ergebnissen des Berichts Glaubwürdigkeit verliehen.
Mitarbeiter von Twitter – zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auf Grund früher gemachter Erfahrungen – erkannten schnell, was das “Zentrum” des US-Außenministeriums vorhatte: Nämlich zu versuchen, sich in den “Content Moderation Club” einzubetten, einer regelmässig stattfindenden Telefonkonferenz der Tech-Giganten, um dadurch Google, Twitter und Facebook über das FBI, dem Ministerium für Innere Sicherheit und anderen US-Regierungsbehörden kontrollieren zu können. Die Führungskräfte dieser Technologiegiganten waren einstimmig gegen die Aufnahme von Beamten des “Zentrums”, nicht zuletzt wegen seines “Mandats für offensive Informationsoperationen zur Förderung amerikanischer Interessen”.
In der Hölle der Gefügigkeit
Nachdem Twitter sich jahrelang geradezu verrenken musste, um das Establishment der Demokratischen Partei zu besänftigen, versuchte das Unternehmen schließlich, dem entgegenzuwirken. In einer Reihe interner E-Mails äußerten verschiedene Führungskräfte höchste Bedenken, dem “Zentrum” jeglichen Einfluss auf die Plattform zu gewähren, und sie lehnten zunächst einen Antrag des FBI auf Teilnahme der Behörde an den regelmässigen Telefonkonferenzen der Tech-Giganten ab. Man war der Meinung, dass die Teilnahme des FBI “große Risiken bergen würde, insbesondere wenn Wahlkämpfe in die heisse Phase übergehen.”
Doch schließlich bot das FBI einen Kompromiss an: Die CIA, die NSA und das “Zentrum für globales Engagement” dürften zwar bei den Telefonkonferenzen mithören, aber sich nicht aktiv daran beteiligen. Twitter gab nach – eine Entscheidung, die man bald bereuen sollte. Umgehend wurde das soziale Netzwerk von jeder US-Behörde, die unter der Sonne existiert, mit Anfragen bombardiert, um Inhalte zu zensieren und User zu sperren.
Und diese Praxis weitete sich bald auch auf individuelle US-Regierungsbeamte aus: Sie forderten etwa die Sperrung von Usern, weil sie die betreffenden Personen persönlich nicht mochten. Der berüchtigte Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Adam Schiff, ein Demokrat, forderte Twitter einmal auf, den Journalisten Paul Sperry zu sperren, und zwar wegen dessen kritischer Berichterstattung über die Arbeit des Ausschusses. Nachdem man sich zunächst geweigert hatte, wurde Sperry letzten Endes doch von Twitter verbannt.
Wie sich Twitter mit dem Bann von Trump in die US-Wahl einmischte – Twitter-Files Part 3 und 4
Fast jedem zweiten Antrag wurde umgehend stattgegeben, auch jenen des “Zentrum für globales Engagement”. Dazu gehörten Forderungen, unabhängige Medien zu sperren, von denen fälschlicherweise behauptet wurde, “vom russischen Militärgeheimdienst kontrolliert” und “mit der russischen Regierung in Verbindung zu stehen”. In einer E-Mail bemerkte ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, der bei Twitter angeheuert hatte, dass Twitter bald keine einzige Anfrage mehr ablehnen könne. “Unser Fenster dafür schließt sich bald”, schrieb er.
In den Wochen vor der Präsidentschaftswahl 2020 wurde Twitter mit Forderungen von so vielen Beamten, Abteilungen und Behörden überschwemmt, dass man dort bald verwirrt und überarbeitet war. Wenn man bei Twitter nicht sofort handelte, kamen umgehend Follow-up-E-Mails, in denen gefragt wurde, ob man bereits gehandelt habe, und wenn nicht, warum und wann dies geschehen werde. In einer dieser Emails entschuldigte sich ein FBI-Beamter sogar “im Voraus für die zusätzliche Arbeitsbelastung”. Einmal beschwerte sich ein zweifellos erschöpfter Anwalt des sozialen Netzwerks intern: “Mein Posteingang sieht derzeit wirklich beschissen aus.”
Adam Schiff Shawn Thew – Pool / Getty Images / Gettyimages.ru
Frühere Enthüllungen unter dem Hashtag #TwitterFiles brachten an die Öffentlichkeit, dass das FBI dem sozialen Netzwerk drei Millionen Dollar für die effiziente Bearbeitung seiner Anfragen zahlte. Basierend auf den jüngsten Enthüllungen ist nun klar, dass das Unternehmen und seine Mitarbeiter für ihre Bemühungen deutlich unterbezahlt wurden.
Zukünftige Veröffentlichungen versprechen noch weitere Hammer-Enthüllungen. Aber die bisher veröffentlichten und lange verborgenen Wahrheiten sollten jeden Twitter-User dazu veranlassen, darüber nachzudenken, wie das Social-Media-Netzwerk viele Jahre lang im Geheimen als effektiver Arm des US-Geheimdienstes diente – und dies möglicherweise auch in Zukunft tun wird.
Aus dem Englischen.
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