Meinung Corona-Aufarbeitung: “Aber wir hatten keine rechte Wahl”? – Replik auf einen Tagesthemen-Kommentar
Freilich, solche Zamperoni-Schlenker sind nur kleine, aber bezeichnende Offenbarungen im TV-Nachrichten-Unwesen der Westlichen Werte-Gemeinschaft. Die kann sich einfach nicht damit abfinden, dass die Volksrepublik China – unter Führung der Kommunistischen Partei – mittlerweile Spitzenpositionen einnimmt: in der Erforschung des Weltraums, in der Grundlagenforschung, in den Schlüsseltechnologien, bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz.
Das wären Stichworte für angemessene Anmoderation zum Thema “Chinesische Mondsonde”. Dünkelhafte Wortspiele rund um den Schmähbegriff “Machthaber” sind es nicht.
Wie es anfing und wo es endet
Wozu braucht eine Nachrichtensendung überhaupt Moderatoren? Warum genügt für die Präsentation der “Tagesthemen” kein herkömmlicher Sprecher? Ursprünglich sollten die Moderatoren – anders als beim reinen Nachrichtenangebot der Tagesschau- Hauptausgabe 20 Uhr – “den Zuschauern ergänzende Informationen, übergeordnete Zusammenhänge und Hintergrundinformationen” bieten. So war ihre Aufgabe einst gedacht. Den Tagesthemen von heute ist das nicht mehr anzumerken.
Nachrichten-Moderatoren gibt es im Ersten Deutschen Fernsehen seit 1978. Die bis dahin übliche “Tagesschau-Spätausgabe” kurz nach 22 Uhr entfiel, statt ihrer wurden die “Tagesthemen” eingeführt, im wöchentlichen Wechsel präsentiert von Barbara Dickmann und Hanns-Joachim Friedrichs: sachlich, knapp, atmosphärisch dicht, journalistisch sauber und sprachlich präzise; ein seriöser, anschaulicher Faktenrahmen, hilfreich zur Einordnung des Weltgeschehens. Die Naheinstellung von beiden Moderatoren beherrschte den Bildschirm, Dickmann und Friederichs hampelten nicht in einer virtuellen Studiowelt herum, sie hatten nämlich dem Zuschauer tatsächlich “etwas zu sagen”.
Auch noch nach elf Jahren, im deutschen Schicksalsnovember 1989, machten Dickmann und Friedrichs die Tagesthemen zu einem informativen Ereignis, wie das Beispiel vom 9. November belegt. Vor der Kamera damals Hanns-Joachim Friedrichs:
“Bundeskanzler Helmut Kohl ist heute Nachmittag um 15 Uhr in Warschau eingetroffen, zu einem sechstägigen offiziellen Besuch in Polen. Eine Reise, die eine stürmische, für viele auch ärgerliche Vorbereitungszeit hatte, belastet durch Ungeschicklichkeiten bei der Zusammenstellung des Reiseprogramms, aber auch durch eine scharfe Kontroverse über den Beitrag des Kanzlers zur gemeinsamen deutsch-polnischen Erklärung zum Thema der polnischen Westgrenzen. Es ist zwar durch die Entschließung des Bundestages Klarheit geschaffen worden, gleichwohl hat man die Verkündung der “Gemeinsamen Erklärung” erst einmal verschoben – auf den kommenden Dienstag. Aus Warschau berichtet Dierk-Ludwig Schaaf.”
Das Zitat zeigt, wie knapp, distanziert aber adäquat ein qualifizierter Moderator selbst komplizierte Tagesthemen vermitteln konnte.
Wenn eine Nachricht so dürftig und schlecht formuliert ist, dass sich ihre Relevanz nicht von selbst ergibt und erst von Moderatoren “hergestellt” oder erfunden werden muss, dann nähern wir uns zügig dem aktuellen Tagesthemen- Standard. Wer dort einige Jahre lang serviert und Publizität gewonnen hat, weil regelmäßig auf dem Bildschirm, der kann auch Dummtalk moderieren – meinten die begnadeten NDR -Rundfunkräte. Und machen mit ihrem jüngsten Votum nach Anne Will die nächste Aufsagerin zur Millionärin.
Wie alle ARD -Talkshows wird nämlich auch die am Sonntagabend nicht vom öffentlich-rechtlichen Sender kostengünstig selbst produziert, sondern für sündhaft teures Geld an eine private Produktionsgesellschaft vergeben. Derzeit ist das die Will Media GmbH, Berlin, mit Anne Will als Geschäftsführerin. Das Unternehmen erzielte im Schnitt der letzten Jahre einen Bilanzüberschuss von 1,7 Millionen Euro.
Die Herstellungskosten der Will Media für die Talkshow werden nicht veröffentlicht, sollen aber bereits 2011 satte 7,85 Millionen Euro betragen haben. Eine Grobschätzung sei gewagt: Wenn der NDR für Günter Jauch seinerzeit pro Jahr 10,5 Millionen Euro hinblätterte, dann sind es jetzt für Anne Will 9 Millionen – und für Miosga werden es nicht weniger sein.
Wie auch immer: Als Eigenproduktion des NDR würde die Talkshow höchstens ein Viertel davon kosten. Talkshows sind nun mal eines der preisgünstigsten Sendeformate – wenn sie keinen privaten Profit abwerfen müssen.
Verstehen Sie jetzt, warum ARD und ZDF ihre 8,32 Milliarden Euro Beitragseinnahmen pro Jahr haben und trotzdem den Hals nicht vollkriegen?
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die “mediale Massenverblödung” (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein “Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.” dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog
Source