Meinung
Lauterbachs Erkenntnisblitz für den Herbst: “Vulnerable Gruppen sind erneut vulnerabel”
Die Frage, “ob der angepasste Impfstoff sicher ist”, war und ist also für den Pharma-Produzenten eher sekundär, von nicht so herausragender Notwendigkeit? Dagegen beziehen sich die angesprochenen mono- oder bivalenten Eigenschaften nur auf die Frage, ob ein modifizierter Impfstoff die Fähigkeit besitzt, nur gegen eine oder gegen mehrere Erregervarianten schützen zu können. Eine tiefergehende Frage zum Thema, wie Erfahrungen mit “individualisierten Krebsimpfstoffen” mit den aktuellen Problemen von Herstellung und Wirkung von neuartigen mRNA-COVID-Wirkstoffen zusammenhängen, wäre sicherlich für viele Leser von größerem Interesse gewesen.
Auf die Frage, wie eine “optimale Strategie” aussähe, mit der sich “die Staaten und die EU, … ihre Kunden” auf den kommenden Herbst vorbereiten sollten, antwortete der BioNTech-Chef, er sei unzufrieden hinsichtlich einer fehlenden “international abgestimmten Strategie als Grundlage”, die das Unternehmen aber für die “Massenproduktion von Impfstoffen” unbedingt benötige:
“Das heißt, wir müssen früh genug wissen, auf welche Variante – also zum Beispiel BA.2 oder BA.4/5 – wir die Corona-Impfstoffe anpassen und für die bevorstehende Infektionssaison produzieren sollen.”
Diese geforderte Strategie solle sich, so Şahin, an “wissenschaftlichen und möglichst aktuellen epidemiologischen Daten orientieren”, um noch zu ergänzen:
“Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Es gibt ein etabliertes System, das wir von der Anpassung von Influenza-Impfstoffen kennen.”
Influenza und Corona im Vergleich? Warum ist solch ein Vergleich zulässig bei Impfstofftypen, jedoch nicht hinsichtlich der virologischen Erreger? Und woran hapert es dann seit Monaten – bezogen auf die “erhofften” Bestellungen und die Produktion von Omikron-Wirkstoffen – gegenüber dem mittlerweile nur noch bedingt wirkenden Delta-Vakzin? Fragen über Fragen, die leider vonseiten des Trios beim Handelsblatt nicht gestellt wurden. Weitere Erkenntnisse von Herrn Şahin im Interview lauten:
“Eine Impfung wie auch eine durchgemachte Infektion schützen bei dieser Virusart nur temporär. Das Virus verändert sich ständig, die Infektiosität nimmt zu, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Prozess langsamer wird. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch künftig Impfstoffe brauchen.”
Die Bürger mögen sich schon einmal darauf einstellen, dass “wir, ähnlich wie bei der Influenza, immer wieder Auffrischungsimpfungen mit veränderten Vakzinen” brauchen werden. Zur Erinnerung: eine Influenza-Impfung soll im Allgemeinen für 6 bis 12 Monate schützen. Innerhalb einer Grippesaison ist daher also keine Auffrischimpfung notwendig. Deutschland erreichte 2019 eine Influenza-Impfquote von 39 Prozent. Daher bezieht sich wohl der Informationswert auf die Aussage “mit veränderten Vakzinen”. Zu den Zeitabläufen zwischen den angekündigten regelmäßigen Impfungen blitzt immerhin ein Funke Ehrlichkeit bei Şahin auf:
“Die Intervalle hängen von mehreren Faktoren ab, daher möchte ich jetzt nicht spekulieren.”
Es folgte dann ein längerer Part über den zukünftigen, schon anvisierten Milliardenmarkt der mRNA Krebs-Medikamente, wobei auch hier immer wieder erkenntnisbereichernde Statements vom BioNTech-Chef eingestreut werden. Eindeutige Zahlen hinsichtlich schwindender Effizienz des aktuell einzigen COVID-Impfstoffs von BioNTech resultieren vielleicht auch aus folgendem Realitätssinn:
“Heute wissen wir viel mehr über die Mechanismen des Immunsystems, über die Erkrankung selbst und sind mit den Technologien viel weiter. Es ist unheimlich dichtes Wissen vorhanden. Wir können früher und besser einschätzen, was nicht funktionieren wird. So können wir die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg neuer Arzneien und Therapien erhöhen.”
Der Mann ruht mit seinen Erkenntnissen offenbar in sich selbst, da die zurückliegenden Monate ihm gezeigt haben, dass seine Auftragsbücher immer voll bleiben, das Vertrauen vonseiten der Politiker und gutgläubiger Menschen weltweit noch vorhanden sind. So kann “die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg neuer Arzneien und Therapien” in der Entwicklung mit Ruhe von außen begleitet werden, oder – wie es der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu stellvertretend für sein Land und weltweiter Impfkampagnen im Januar 2021 etwas salopp formulierte:
“Israel ist ‘das Weltlabor für Immunität’.”
EU-Behörde und von der Leyen verweigern Auskunft über Pfizer-SMS-Deal
Biotechnologie bleibe “ein sehr schwieriges Geschäft”, sagt Şahin. Aber nicht etwa bezogen auf “die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg neuer Arzneien und Therapien”, sondern die Konkurrenz hätte deutlich zugenommen, “nicht nur in den USA”. Die Angst eines urplötzlichen Milliardärs vor bald wieder schwindenden Absatzmärkten? Für dieses Problem gibt es ja den Kollegen Bourla vom US-Partner Pfizer, der weiterhin sehr guten, persönlichen Kontakt auch nach Brüssel und speziell zu Ursula von der Leyen pflegt. Das Interview-Trio fragt dann, die Pandemie hätte doch “Milliarden in die Kasse von BioNTech gebracht, wofür werden Sie die ausgeben?”
Neben Investitionen zum Beispiel in “BioNTainer”, also Spezial-Container aus dem Hause BioNTech, die benötigt werden, um künftige Impfstoffproduktionen bloß nicht aus den eigenen Händen und Laboren geben zu müssen. Und um damit laut Pressemitteilung “Pläne für Produktion und Entwicklung von mRNA-Impfstoffen in Afrika” voranzubringen, erläutert Uğur Şahin im weiteren Interview seine persönliche Transhumanismus-Zukunfts-Gedankenwelt:
“Ich finde die Frage sehr spannend, ob es gelingen kann, Zellen im Körper zu verjüngen und neu zu programmieren. Das ist eine riesige Herausforderung, die aber im Reagenzglas schon möglich ist.”
Diese Überlegungen dienen zum Glück natürlich nur der Vision, “Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen oder bei folgenschweren Verletzungen, zum Beispiel einem Herzinfarkt oder einem Hirnschlag, eine Regeneration zu beschleunigen”. Abschließend folgt die besonders für die Stadtkämmerer von Mainz wichtige Information, dass BioNTech auch künftig “ein eigenständiges Unternehmen bleiben” werde. Im November 2021 meldete der SWR , dass die Stadt Mainz nach Schätzungen Gewerbesteuerzahlungen von BioNTech in einer Höhe von rund einer Milliarde Euro erhalten wird.
Das Unternehmen sei angetreten, um Produkte auf den Markt zu bringen, “um das Leben von Menschen weiter zu verbessern”. Auch da hätte man sich von einem investigativen Interview-Trio erwünscht, dass sie bei Herrn Şahin ein paar Sätze herauskitzeln über das nachweisliche Leiden derjenigen Menschen, die durch ein BioNTech-Produkt ihr Leben nicht noch weiter “verbessert” bekamen. Aber leider Fehlanzeige.
Şahin hegt übrigens keinerlei Absichten, Aktien-Anteile zu verkaufen. Ganz zum Schluss des Interviews kommt wieder die Unzufriedenheit von Uğur Şahin zum Vorschein. Im Vergleich “zur Corona-Impfstoff-Entwicklung geht es in der Krebstherapie quälend langsam voran”, übergibt das Handelsblatt-Trio den Beschwerde-Ball wieder an Şahin. Das sei leider so, übernimmt der CEO das freundliche Zuspiel. Die Entwicklung neuer Medikamente “muss schneller werden, keine Frage”. Ohne Rücksicht auf die “Wahrscheinlichkeit für den Erfolg neuer Arzneien und Therapien, Herr Şahin?” So möchte man eigentlich spontan fragen, nicht so das Handelsblatt. Wie das verbessert werden könnte, lautet daher dort die Frage. Die Idee von Herrn Şahin, sein Vorschlag lautet:
“Im Grunde könnte man die Erkenntnisse aus der Corona-Impfstoffentwicklung auf den Onkologie-Bereich übertragen und damit die Entwicklung von Krebsmitteln erheblich beschleunigen.”
Gott bewahre, werden da viele Post-Vac-Syndrom-Leidende denken, ganz im Gegensatz zu den innerlich jubilierenden BioNTech-Aktionären.
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