Gründer des Naziregiments “Asow” droht mit Massaker an Zivilisten in Mariupol
Zurück zur D-30. Diese Haubitze wurde außer in der UdSSR auch im Irak, in Ägypten, in Jugoslawien und in China hergestellt. 1978 wurde die ursprüngliche Version in der Sowjetunion durch die modifizierte Variante D-30A ersetzt. Nach Angaben der russischen Wikipedia wurden diese in der russischen Armee ab Februar 2013 außer Dienst gestellt und durch modernere Geschütze ersetzt; weiter in Gebrauch blieben sie demnach nur bei einzelnen Einheiten: den Luftlandetruppen, der 30. motorisierten Schützenbrigade und dem 22. Marineinfanteriekorps auf der Krim.
Der Bestand an D-30 auf Seiten der Ukraine lag 2020, wieder laut russischer Wikipedia, bei etwa 125, und bei der selbstfahrenden Version bei etwa 250 bis 300. Noch etwa 340 “Nelken” sind bei der russischen Armee im Einsatz. Ein Teil des ursprünglichen ukrainischen Bestandes dürfte sich seit 2014/15 im Besitz der beiden Donbass-Republiken befinden, aber die Ukraine dürfte aus Polen und anderen Ländern in jüngerer Zeit noch weitere Exemplare geliefert bekommen haben. Rein rechnerisch unterscheiden sich die Arsenale nicht. Allerdings ist nur ein Teil der russischen Armee in der Ukraine im Einsatz, was dann, ganz abstrakt, ein ukrainisches Geschütz wahrscheinlicher macht (wenn man die vorhandenen Exemplare gleichmäßig verteilt).
Nun hat Der Spiegel die Einheit benannt, der er ein Verbrechen in Butscha vorwirft: die 64. motorisierte Infanteriebrigade. Sollte die Angabe der russischen Wikipedia zutreffen, ist das allerdings eine Einheit, die keine D-30 mehr in Gebrauch hat. Nun, das ist noch keine vollständig verlässliche Information; aber es lässt sich bei Wikipedia feststellen, dass die Aussagen zu den Einheiten, die noch D-30 besitzen, nicht in jüngster Zeit geändert wurden.
Die nächste zu klärende Frage wäre also: Hat die Ukraine im Verlauf der letzten acht Jahre diese spezifische Munition eingesetzt? Ja, hat sie; es gibt aus dem Donbass Belege über ihren Einsatz sowohl in Slawjansk als auch auf dem Gebiet der Lugansker Volksrepublik. Wobei es sich dabei um Einsätze gegen die Zivilbevölkerung handelte. Man kann also davon ausgehen, dass nicht nur das entsprechende Geschütz, sondern auch die Munition auf ukrainischer Seite vorhanden ist.
So lieferten russische Blogger noch im Jahr 2014 Bilder von einer verlassenen ukrainischen Artilleriestellung bei Slawjansk mit in den Gräben verstreuten D-30 Geschossen und deren Füllmaterial:
Auch später sammelten die Augenzeugen in den beiden Donbass-Republiken immer wieder pfeilartige Splitter an den der ukrainischen Streitkräften beschossenen Orten und stellen sie ins Netz:
Und nun gibt es in dem Artikel der Washington Post eine seltsame Aussage, mit der eine Anwohnerin zitiert wird. Besagte Frau hat einen Haufen solcher Metallpfeile in ihrem Garten liegen. “Sie durchkämmte ihren ummauerten Garten nach ihnen, sagte sie, nachdem eine russische Artilleriegranate, die sie brachte, irgendwo über ihr explodierte, Tage, ehe sich die Russen Ende letzten Monats zurückzogen.”
Die Washington Post sprach also mit einer Zeugin, die von einem Beschuss spricht, als die Stadt noch unter Kontrolle der russischen Armee war. Das klingt nun doch etwas eigenartig, und es verwundert, dass der Autor nicht darüber stolpert. Wenn das russische Militär in der Stadt ist, warum sollte dieses russische Militär sie dann mit Granaten beschießen? Selbst wenn man davon ausgeht, die Angaben in der russischen Wikipedia wären falsch, macht solch ein Beschuss schlicht keinen Sinn. Üblicherweise schießen diejenigen in einen Ort hinein, die hinein wollen, und die, die drin sind, schießen heraus. Warum sollte es also zu diesem Zeitpunkt eine russische Granate sein?
Was übrig bleibt, sind also nicht weniger, sondern mehr Fragezeichen hinter der Version, die ursprünglich verbreitet wurde. Die Frage der weißen Armbinden wurde nach wie vor nicht geklärt; die vorgetragenen Obduktionsergebnisse sprechen für eine Artilleriegranate, aber verstärken die Zweifel daran, dass sie von der russischen Armee stammte, und ob es zum Zeitpunkt dieses Beschusses dort ein legitimes militärisches Ziel gab, ist ebenfalls nicht klar, weil “Tage, ehe sich die Russen zurückzogen”, dafür eine viel zu ungenaue Zeitangabe ist, selbst wenn alle Satellitenbilder öffentlich wären. Aus Geschütz und Munition lassen sich nur Wahrscheinlichkeiten ableiten, und die sprechen eher gegen eine russische Verantwortung.
Nun aber zu hoffen, die hiesigen Medien mögen daraus eine Lehre ziehen und künftig etwas weniger voreilig von “russischen Massakern” schreiben, ist wohl vergeblich. Wie die Darstellung dieser neuen Details belegt, sorgen nicht einmal die dadurch entstandenen Widersprüche für eine Korrektur; zur Not redet man eben von einer Munition, die “besonders grausam tötet”, wie Der Spiegel , und übergeht die aufgeworfenen Fragen völlig. Schließlich soll nichts die Emotionen trüben, wenn schon Ursula von der Leyen sich vor den Leichensäcken fotografieren ließ.
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