Quelle: Gettyimages.ru Symbolbild.
Von Russian Market
Die Luftangriffe der USA und Großbritanniens in der vergangenen Woche gegen den Jemen geben Anlass zur Besorgnis über mögliche Auswirkungen auf die Ölpreise. Trotz der Darstellung in den Medien ist es ratsam, Vorsicht walten zu lassen, bevor man voreilig einen deutlichen Anstieg der Ölpreise prophezeit. Der Anstieg der Rohöl-Termingeschäfte um vier Prozent am vergangenen Freitag lag im Bereich typischer Marktschwankungen. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, die Situation pragmatisch zu betrachten und zu erkennen, dass sich die Handelsalgorithmen neu kalibrieren müssen, als Reaktion auf die sich abzeichnenden Ereignisse im Roten Meer, einer Region, die sich derzeit in unbekannten Gewässern bewegt.
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Es ist auch wichtig, die vorherrschende Selbstgefälligkeit des Marktes infrage zu stellen. Historische Ereignisse, wie der Angriff auf die saudische Ölinfrastruktur in Abqaiq im Jahr 2019, führten zu einem kurzzeitigen Anstieg der Rohölpreise. Der Markt erwartet nun spürbare, physische Unterbrechungen der Versorgung. Der anhaltende Lieferausfall auf der Route durch das Rote Meer wird vom Markt unterschiedlich wahrgenommen. Trotz der jüngsten Eskalation beobachten wir nur einen moderaten Anstieg beim Ölpreis, da der Markt noch keinen nennenswerten Angebotsverlust wahrnimmt. Bis Ausfälle spürbar werden, bleibt ein nachhaltiger, bedeutender preislicher Aufschlag beim Rohöl wegen eines geopolitischen Risikos unwahrscheinlich.
Mit Blick auf die Gegenwart scheint der Ölmarkt das Risiko eines Ausfalls der Ölversorgung wegen des Krieges zwischen der Hamas und Israel herunterzuspielen – vielleicht verständlich, aber irrtümlicherweise und angesichts möglicher Auswirkungen auf Iran besonders relevant. Ein weiterer genau zu beobachtenden Faktor ist der Libanon, wo die Möglichkeit eines israelisch-libanesischen Krieges droht, der eine mögliche Erschütterung im Ölgeschäft mit sich bringen könnte.
Die aktuelle Situation auf dem Ölmarkt weist Parallelen zu den frühen 1980er-Jahren auf und zeigt makroökonomisch inflationäre Untertöne. Angesichts der Unattraktivität von teurem Öl für westliche Volkswirtschaften, könnten die derzeitigen Erwartungen eines Anstiegs des Rohöls der Sorte Brent auf 82 bis 83 US-Dollar pro Barrel in den kommenden Wochen etwas verfrüht sein.
Für den globalen Ölmarkt markierten die frühen 1980er-Jahre eine entscheidende Ära, indem dieser die Störungen der Energiekrise der 1970er-Jahre hinter sich ließ und in eine Phase der Stabilisierung und sinkender Preise eintrat. Strategische Erdölreserven erwiesen sich als entscheidende Schutzmaßnahmen bei Versorgungsunsicherheiten. Die Parallelen zur heutigen Situation, in der Militärschläge und geopolitische Spannungen eskalieren, unterstreichen die Lehren aus den frühen 1980er-Jahren. Diese zeigten die anhaltende Bedeutung strategischer Reserven und die Notwendigkeit, anpassungsfähige globale Energiestrategien anzuwenden, um aktuellen Unsicherheiten zu begegnen und eine gesicherte Versorgung mit Öl aufrechtzuerhalten.
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Nach den Preisschocks der 1970er-Jahre erlebte der Ölmarkt zwischen 1979 und 1980 einen dramatischen Preisanstieg. In den frühen 1980er-Jahren kam es jedoch zu einer bemerkenswerten Trendwende, die durch einen erheblichen Abschwung gekennzeichnet war, der im berüchtigten Ölpreisverfall von 1986 seinen Höhepunkt erreichte. Diese Trendwende unterstreicht die komplizierte Dynamik des Ölmarktes in diesem Zeitraum, der sich durch Volatilität und schließlich durch einen Rückgang auszeichnete.
Der Höhepunkt des Preisanstiegs mündete in einer Verschiebung, da die Verbraucher auf Alternativen auswichen, was zu einem erheblichen Rückgang des Ölverbrauchs insgesamt führte. Gleichzeitig kam es zu einem Überangebot, das auf die erhöhte Produktion aus Ländern zurückzuführen war, die nicht Mitglieder der OPEC waren, insbesondere den USA. Als Reaktion darauf gab die von Saudi-Arabien angeführte OPEC dem Marktanteil vor der Preisunterstützung Vorrang und löste so einen raschen Einbruch der Ölpreise aus. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Turbulenzen hatten Auswirkungen auf die Öl exportierenden Volkswirtschaften und förderten gleichzeitig das Wachstum in den Öl importierenden Ländern. Trotz der Versuche der OPEC, die Preise durch Produktionsquoten zu stabilisieren, wurde die interne Dynamik dadurch verkompliziert, dass die Mitgliedsländer unterschiedliche Strategien verfolgten. Die daraus resultierenden Lehren der 1980er-Jahre beeinflussen weiterhin die globale Energiepolitik und fördern die Anpassungsfähigkeit und Diversifizierung in der sich ständig weiterentwickelnden Ölindustrie.
Die Situation im Roten Meer erfordert sorgfältige Abwägung, während im Herzen der EU bereits Unruhen zu spüren sind. Gemäß Berichten von Reuters – wonach Tesla die Arbeiten an der Fabrik für sein Model-Y in der Nähe von Berlin aufgrund von Anpassungen bei den Lieferketten und den Spannungen am Roten Meer eingestellt habe – unterstreichen die spürbaren Auswirkungen geopolitischer Ereignisse auf die Industrie.
Da rund 30 Prozent des Welthandels über den Korridor des Roten Meeres abgewickelt werden, bedeutet jede Störung auf dieser lebenswichtigen Route wirtschaftlichen Ärger. Jüngste Daten deuten auf eine nahezu Halbierung des Handelsvolumens hin, weil Schiffe zu längeren Fahrten gezwungen sind und den afrikanischen Kontinent umsegeln müssen. Dies ist nicht nur eine maritime Unannehmlichkeit – es ist ein potenzieller Vorbote von Inflationsdruck. Längere Seewege verringern die Fähigkeit einer Flotte, Waren zeitnah zu liefern, was ein besorgniserregendes Szenario für Länder ist, die stark auf Importe angewiesen sind, so wie die EU oder das Vereinigte Königreich.
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Trotz dieser Herausforderungen scheinen die Auswirkungen auf die Ölpreise vorerst begrenzt zu bleiben. Sie bleiben stabil und sind sogar niedriger als noch vor einigen Monaten, was im Gegensatz zu dem Chaos steht, das durch die sechstägige Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff “Ever Given” im März 2021 verursacht wurde. Jeder Tag dieser Blockade kostete den Welthandel damals neun Milliarden US-Dollar an nicht gelieferten Waren. Der Unterschied liegt in der aktuellen Widerstandsfähigkeit der Lieferketten im Gegensatz zu den delikaten Netzwerken der Vergangenheit.
Die EU ist zu Recht besorgt über die möglichen Auswirkungen unterbrochener Handelsrouten, nötige Anpassungen der Lieferketten und der geopolitischen Risiken im Roten Meer. Investoren, Unternehmen und Regierungen beobachten die Situation aufmerksam und sind sich ihrer weitreichenden Folgen für die globale Handelsdynamik bewusst.
Die Reaktion der Märkte erfolgte umgehend und die zunehmende Volatilität der Ölpreise führte zu spekulativem Verhalten. Händler positionierten sich strategisch, was sich am Kauf von Call Spread Optionen auf Brent-Rohöl zeigte. Dies führte zu einer zusätzlichen Unvorhersehbarkeit in einem bereits dynamischen Ölmarkt und beeinflusste sowohl Investoren als auch Verbraucher.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen gehen über Öl hinaus, wenn man bedenkt, dass durch das Rote Meer, als wichtiger Kanal für den Welthandel, 15 Prozent des weltweiten Schiffsverkehrs führt. Die zunehmende Instabilität kann den Warenfluss zwischen Europa und Asien stören und möglicherweise zu massiven Beeinträchtigungen bei den Lieferketten führen, mit Auswirkungen auf verschiedene Branchen und Volkswirtschaften.
Die Spannungen im Roten Meer stellen eine vielschichtige Herausforderung dar und erfordern eine fast stündliche Überwachung der Ereignisse vor Ort. Während man auf weitere Entwicklungen wartet, bleiben die Beobachter in höchster Alarmbereitschaft und man sollte bereit sein, sich an neue geopolitische Risiken anzupassen.
Aus dem Englischen.
Russian Market ist ein Projekt eines in Zürich ansässigen Finanzbloggers, Schweizer Journalisten und politischen Kommentators. Man kann ihm auf X unter @runews folgen.
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