Ungewöhnlich, eine Ansprache eines Bundeskanzlers an einem 8. Mai – diese Art von Reden war bislang Bundespräsidenten vorbehalten. Unvergessen und ein Glanzpunkt, die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985, als 40 Jahre nach der Beendigung des deutschen Hitlerfaschismus ein deutscher Staatschef die Leistung der Alliierten der Anti-Hitler-Koalition erstmals als Befreiung auch des deutschen Volkes würdigte.
Das Anliegen von Olaf Scholz, eine Rede am 77. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus zu halten, war hingegen ein anderes, pragmatisches und dies wird dem Zuhörer schnell klar. Es geht darum, das Agieren der Bundesregierung in dem aktuellen russisch-ukrainischen Konflikt aufseiten einer der Kriegsparteien gegen Kritiker zu verteidigen. Zum einen gegen diejenigen, die die Tatsache, dass deutsche Waffen erstmals nach jenem 9. Mai 1945 wieder russische Soldaten töten, als einen unerträglichen Bruch mit deutschen Nachkriegstugenden betrachten, aber auch gegen diejenigen, denen die Hilfe für die Ukraine nicht weit genug geht. Letzteren verspricht der Bundeskanzler die Fortsetzung des deutschen Engagements:
“Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind Waffen in ein Kriegsgebiet geschickt worden. Und immer sorgfältig abwägend auch schweres Gerät. Das setzen wir fort.“