Der fraktionslose EU-Abgeordnete Martin Sonneborn hat in einem Post auf dem Netzwerk X die Gerichtsanhörung von Julian Assange kommentiert. Dem australischen Whistleblower, der seit rund fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London in einer 6 × 2 Meter winzigen Zelle einsitzt, drohen weiterhin in den USA 175 Jahre Haft. Ein Beschluss über die Auslieferung wurde nun vorerst vertagt. Aus Deutschland waren zum Prozess nur die beiden BSW-Politiker Andrej Hunko und Sevim Dağdelen angereist.
Unfree AssangeWeil das Verfahren extrem unübersichtlich ist, zuerst noch mal eine kurze (Witz!) Zusammenfassung. Aus'm Pub. Sorry. Aber die Umstände… (Die lange finden Sie auf meiner Homepage, eine 32-Seiten-Broschüre zum Herunterladen.)Es ist nämlich so, im Januar '21… pic.twitter.com/M7n2CtDcWJ
— Martin Sonneborn (@MartinSonneborn) February 21, 2024
Sonneborn verweist in dem Text darauf, dass bei eine erweiterte “32-Seiten-Broschüre zum Herunterladen” auf seiner Webseite vorzufinden wäre. Der EU-Politiker erinnert daran, dass ein Londoner Bezirksgericht im Januar 2021 die Auslieferung Assanges an die USA – “aus gesundheitlichen Gründen” – abgelehnt hatte. Dem widersprach im Juni 2022 wiederum ein “US-High Court”, sodass es zur aktuellen Verhandlung in London kam. Sonneborn fasst – in ihm bekannter politisch inkorrekter sowie satirisch provokanter Art – die juristische Argumentationslinie und Strategie von Assanges Anwälten zusammen:
Dass ein australischer Publizist außerhalb des US-Staatsgebietes für die von der Pressefreiheit geschützte Veröffentlichung von in öffentlichem Interesse stehendem Material nach einem US-Spionagegesetz aus dem 1. WK in 17 Anklagepunkten straffällig geworden sein soll, ist vollkommen absurd.
Selbst wenn man der US-Argumentation folgend A. für einen Spion hielte, hätte die Zustimmung zur Auslieferung durch ein britisches Gericht nicht erfolgen dürfen. Spionage wird von der britischen Rechtsprechung seit 130 Jahren durchgehend als politische Straftat eingestuft, und im US-UK-Auslieferungsvertrag von 2003 sind politische Straftaten von gegenseitiger Auslieferung ausdrücklich ausgeschlossen.
Der 18. Anklagepunkt – Hacking-Verschwörung mit Chelsea Manning zum gemeinschaftlichen Datendiebstahl – beruht maßgeblich auf der mittlerweile von ihm selbst als “gelogen!” zugegebenen Lüge eines pädophilen Isländers, der dafür in Island Straffreiheit bekommen sollte (die unappetitlichen Details haben wir vergessen & verdrängt, sie stehen in unserer Broschüre). (Wir würden uns übrigens schämen, mit so etwas überhaupt vor Gericht aufzulaufen.)
Die US-Seite möchte den Australier A. nach dem US-Strafgesetzbuch zur Rechenschaft ziehen, besteht aber gleichzeitig darauf, ihm die Schutzrechte aus dem 1. Verfassungszusatz zu verwehren, da er ja kein US-Bürger sei. Regelbasierte Ordnung, my Ass!
Den Vorwurf, Taliban-Häuptling Osama bin Laden hätte sich auf dem stillen Örtchen an Wikileaks-Ausdrucken erfreut (wahrscheinlich neben MAD und Süddeutscher Zeitung – Klolektüre!), halten wir für genauso stichhaltig wie die seit Jahren grundlos wiederholte Behauptung, durch Wikileaks seien irgendwelche Informanten gefährdet worden. Auch 14 Jahre nach Erstveröffentlichung des Materials hat die US-Regierung noch niemanden auftreiben oder auch nur namentlich benennen können, dem tatsächlich irgendein Schaden entstanden ist.