Im Zuge der Proteste gegen die umstrittene Rentenreform von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben Protestierende am späten Donnerstagabend das Rathaus von Bordeaux in Brand gesetzt. Im ganzen Land gingen laut Behördenangaben mehr als eine Million Menschen auf die Straße. In einigen Orten kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, während die Gewerkschaften für die kommende Woche zu neuen landesweiten Streiks und Protesten aufriefen.
Nach Angaben des Innenministeriums nahmen allein an der Demonstration in Paris, die wie zahlreiche andere Demonstrationen auch von Gewalt überschattet wurde, 119.000 Menschen teil, was für die Hauptstadt einen Rekord bei den Rentenprotesten darstellt. Angesichts der starken Beteiligung riefen die Gewerkschaften rasch zu neuen Protesten und Streiks am Dienstag auf, jenem Tag, an dem der britische König Charles III. zu einem Besuch in Bordeaux erwartet wird. Die schwere Holztür des eleganten Rathauses von Bordeaux war am Donnerstagabend mit Blick auf den anstehenden Besuch von Mitgliedern einer nicht genehmigten Demonstration in Brand gesetzt und zerstört worden, wie die Zeitung Sud Ouest berichtet.
Ils ont foutu le feu a la mairie a Bordeaux … pic.twitter.com/o7UF1c89KJ
— Bookee 🎸🇫🇷 (@Bookee0) March 23, 2023
Bei dem Brand beschädigt worden sei jedoch lediglich das Portal eines Säulengangs, das zum Vorhof des Rathauses führe, wie eine Sprecherin der zuständigen Präfektur gegenüber Reportern mitteilte. Dies sei vor allem dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr zu verdanken gewesen, die den Brand schnell im Griff gehabt habe, so die Sprecherin weiter. Einer der Brandstifter sei inzwischen festgenommen worden. Innenminister Gérald Darmanin, der noch am Donnerstagabend im Polizeipräsidium der Stadt einkehrte, versicherte, dass die Sicherheit “kein Problem” darstelle und der britische Monarch “gut empfangen und willkommen geheißen” werde, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Dennoch gestand er ein, es habe am Donnerstag eine “enorme Entwürdigung” von öffentlichen Gebäuden und Geschäften gegeben, “weit mehr als bei vorangegangenen Demonstrationen”.
Damit bezog der Minister sich auf den Umstand, dass es am Donnerstag im Zuge der Proteste auch in anderen Städten zu Ausschreitungen gekommen war. In Paris etwa spiegelten die Straßenschlachten zwischen der Polizei und schwarz gekleideten, maskierten Gruppen, die mindestens zwei Schnellrestaurants, einen Supermarkt und eine Bank angriffen, die zunehmende Gewalt wider und lenkten die Aufmerksamkeit von den Zehntausenden friedlichen Demonstranten ab. Die Polizei, die mit Molotowcocktails, Gegenständen und Feuerwerkskörpern beworfen wurde, griff mehrfach an und setzte Tränengas ein, um die Randalierer zu vertreiben. Ein Teil des Place de l’Opéra, wo sich die Demonstranten am Ende des Marsches versammelten, war in einen Dunst aus Tränengasschwaden gehüllt. Darmanin gab die Zahl der Radikalen mit etwa 1.500 an.
Firefighters extinguished fires on Paris streets after demonstrators set trash ablaze during protests against President Emmanuel Macron's plan to raise the pension age https://t.co/2ugxErHl66pic.twitter.com/AzUMphgdKo
— Reuters (@Reuters) March 24, 2023
Auch bei anderen Demonstrationen kam es zu Ausschreitungen, insbesondere in den westlichen Städten Nantes, Rennes und Lorient – wo ein Verwaltungsgebäude angegriffen und der Innenhof der Polizeistation in Brand gesetzt wurde. Zu ähnlichen Szenen kam es auch in Lyon im Südosten Frankreichs. Nach Angaben des Innenministeriums wurden am Donnerstag insgesamt mehr als 170 Menschen festgenommen. In der nordfranzösischen Stadt Rouen wurde Medienberichten zufolge eine junge Frau gesehen, die am Boden lag, nachdem sie eine schwere Verletzung an der Hand erlitten hatte. Zeugen berichteten, sie habe ihren Daumen verloren, nachdem sie von einer sogenannten Blendgranate getroffen worden war, die zuvor von der Polizei abgefeuert worden war, um Demonstranten zu vertreiben.