Meinung

Sanktionen im Bankensektor: Die Schweiz gerät zwischen die Fronten

Sanktionen im Bankensektor: Die Schweiz gerät zwischen die Fronten

Symbolbild.

Von Alexander Männer

Nachdem der kollektive Westen vor knapp einem Jahr die ersten folgenschweren Sanktionen gegen Russland erlassen und so einen regelrechten Wirtschaftskrieg gegen das Land entfacht hatte, wurden weltweit die ersten Stimmen laut, die vor diesem Vorgehen gewarnt haben. Seitdem haben immer mehr Kritiker stets betont, dass die möglichen Folgen auch Deutschland, Frankreich und die anderen europäischen Länder selbst hart treffen würden. Wie man heute feststellen kann, ist diese Befürchtung auch so eingetreten.

Deutsche Bank

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Inzwischen werden die Folgen dieser Maßnahmen aber auch in den Ländern sichtbar, die sich nicht unbedingt Hals über Kopf in den Sanktionskrieg mit Moskau gestürzt hatten. Die Rede ist hier von der Schweiz, die sich aufgrund ihrer Neutralität eigentlich immer aus internationalen Konflikten herausgehalten hat und dank des eigenen lukrativen Geschäftsmodells im Bankensektor auch als ein sicherer Hafen für Anleger aus aller Welt gilt. Im Zuge der westlichen Sanktionspolitik rückte die politische Führung der Schweiz den neutralen Status ihres Landes allerdings in den Hintergrund und hat sich den antirussischen Wirtschaftsbeschränkungen angeschlossen.

Am 28. Februar 2022 – nur vier Tage nach dem Beginn des Ukraine-Krieges – hat die Regierung in Bern die Strafmaßnahmen der Europäischen Union gegen Russland übernommen und seither russische Vermögenswerte in einem Umfang von 7,5 Milliarden Franken (etwa acht Milliarden US-Dollar) blockiert. Außerdem soll die Schweizer Bank Credit Suisse mehr als ein Drittel der in der Schweiz registrierten russischen Vermögenswerte – 17,6 Milliarden Franken beziehungsweise knapp 19 Milliarden Dollar – gesperrt oder eingefroren haben.

Folgen der Sanktionen im Bankensektor

Diese Entscheidungen haben zweifelsohne maßgeblich dazu beigetragen, dass die Schweiz sich nun in einer sehr komplizierten Lage befindet: Einerseits haben deswegen zahlreiche Anleger offensichtlich Bedenken, (weiterhin) mit dem Schweizer Bankensektor zu kooperieren, und andererseits scheinen die Vereinigten Staaten als der Hauptinitiator der Sanktionen die Schweizer Regierung neuerdings zur weiteren Eskalation in dieser Angelegenheit zu drängen. Weder das eine noch das andere entspricht jedoch den Interessen der Alpenrepublik, die sich auch aus dem Konflikt mit Russland ursprünglich eventuell raushalten wollte.

Dieses Dilemma wurde vor wenigen Wochen deutlich, als die Folgen der Schweizer Sanktionsmaßnahmen für alle sichtbar in den Vordergrund getreten sind. Wie The Financial Times im Februar berichtete, hätten zahlreiche chinesische Anleger aufgrund der Sanktionen ihr Vertrauen in das Schweizer Modell verloren und sollen ihr Geld darum nicht mehr bei einer Bank in der Schweiz anlegen wollen. Demnach würden die Banken sogar Strategien durchspielen, wie sie mit einer möglichen Verschlechterung der Beziehungen zu China umgehen könnten.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Anleger aus anderen Teilen der Welt dem chinesischen Beispiel folgen könnten und ihr Geld nicht mehr auf ein Bankkonto in der Schweiz bringen werden. Ein Verlust dieser Kundschaft wäre für die Eidgenossen nicht gerade leicht zu verkraften.

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Mitten in dieser für sie untypischen und ernsten Situation meldeten sich die USA wieder zu Wort und warfen der Schweizer Regierung vor, eine angeblich noch zu lasche Sanktionspolitik gegenüber Russland zu verfolgen und nicht genügend russische Vermögenswerte blockiert zu haben. Der US-amerikanische Botschafter in Bern, Scott Miller, hat vor zwei Wochen gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung erklärt, dass die USA die eingefrorenen 7,5 Milliarden Franken russischer Vermögenswerte zwar zur Kenntnis genommen hätten, verwies zugleich jedoch darauf, dass die Schweiz “50 bis 100 Milliarden zusätzlich” blockieren könnte.

In puncto Russland-Sanktionen drängt Miller die Schweizer zunehmend auf ein härteres Vorgehen und kritisiert inzwischen deutlicher das Staatssekretariat für Wirtschaft (ein Kompetenzzentrum des Bundes für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik – Anm. d. Verf.), das seiner Meinung nach “glaubt, es tue genug”. Dem sei aber nicht so und ohnehin seien Sanktionen “nur so stark wie der politische Wille dahinter”, rügt der Botschafter. Im Hinblick darauf betonte er, dass Länder, die sich bei der Konfiszierung russischer Gelder nicht engagierten, mit Druck rechnen müssten.

Noch mehr Druck aus Washington, D.C.

Inzwischen ist die Situation für die Schweiz allerdings noch viel gefährlicher geworden. Wie zahlreiche Medien am Freitag übereinstimmend berichteten, sind die Schweizer Großbanken UBS und die von ihr kürzlich aufgekaufte Credit Suisse wegen möglicher Verstöße gegen Sanktionen bereits in den Fokus von US-Ermittlungen geraten. Die Mitarbeiter dieser Kreditinstitute werden verdächtigt, “russischen Oligarchen” bei der Umgehung von Sanktionen geholfen zu haben, weshalb die Verantwortlichen dieser Banken nun vor dem US-Justizministerium diesbezüglich aussagen sollen, schreibt die Handelszeitung.

Zu betonen ist, dass die UBS, Credit Suisse sowie andere Schweizer Banken bereits vor dem Ukraine-Krieg ein umfangreiches Russland-Geschäft aufgebaut hatten. Während dieser Zeit haben russische Privatkunden Medien zufolge etwa 60 Milliarden US-Dollar auf Konten der Credit Suisse deponiert, wodurch die Bank jährlich zwischen 500 und 600 Millionen Dollar an Einnahmen erwirtschaftete. Nach der Einführung der ersten Sanktionen im vergangenen Jahr haben die Russen einen Teil ihrer Gelder sichern können, sodass sich derzeit noch rund 33 Milliarden US-Dollar bei der Credit Suisse befinden. Das sind übrigens 50 Prozent mehr als bei der UBS, obwohl letztere insgesamt über das größere Vermögensverwaltungsgeschäft verfügt.

Mit seinen Ermittlungen versuche die US-Behörde herauszufinden, so die Handelszeitung, welche Bankangestellten mit sanktionierten Kunden zu tun hatten und wie diese Kunden in der Vergangenheit überprüft worden sind. Diese Bankangestellten und Berater könnten dann Gegenstand weiterer Ermittlungen sein, um mögliche Gesetzesverstöße festzustellen, heißt es.

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Angesichts dessen stehen sowohl die Credit Suisse als auch die UBS nicht zuletzt wegen Kursverlusten an der Börse derzeit vor großen finanziellen Schwierigkeiten. Wie schon erwähnt, wurde die 167 Jahre alte Traditionsbank Credit Suisse von der UBS für etwa drei Milliarden Dollar aufgekauft, weil ihre Liquidität anders nicht mehr zu gewährleisten war. Die UBS wiederum wurde wegen dieses Geschäfts von dem Analysehaus Jefferies von “Buy” auf “Hold” abgestuft und das Kursziel von 24 auf 20 Franken gesenkt, meldete das Branchenportal Finanzen.net. Das bisher niedrige Risikoprofil, der Fokus auf ein Wachstum aus eigener Kraft und hohe Kapitalerträge dürften auf Jahre hinaus der Vergangenheit angehören, meint die Finanzexpertin Flora Bocahut, die die UBS-Aktien auch abgestuft hat. Um an ein Aufwertungspotenzial der Aktie zu glauben, braucht es ihr zufolge erst Belege für eine erfolgreiche Restrukturierung und Integration der Credit Suisse.

Fazit

Es bleibt zu konstatieren, dass die Schweiz in dieser sehr ernsten Situation im Bankensektor schwierige Zeiten vor sich hat. Denn abgesehen davon, dass ihre Banken derzeit mit enormen finanziellen Verlusten zu kämpfen haben, muss man zudem noch abwarten, wie groß ihr Reputationsverlust bei den internationalen Anlegern im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen ausfällt. Es hängt nämlich vieles davon ab, ob die Anleger grundsätzlich Vertrauen in das Schweizer Geschäftsmodell haben, für dessen Erfolg bislang vor allem die Neutralität der Schweiz eine zentrale Rolle spielte. Aufgrund ihrer derzeitigen Beteiligung an der westlichen Sanktionspolitik wurde das Weltbild von der angeblich “neutralen Schweiz” bei vielen Beobachtern definitiv zu tief erschüttert.

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