Quelle: www.globallookpress.com © Dai Tianfang Stimmabgabe in Lugansk zur Frage der Unabhängigkeit bei einem ersten Referendum im Jahr 2014
Von Gert Ewen Ungar
Kaum war die Meldung in der Welt, im Donbass würden verschiedene Referenden über die Eingliederungen in die Russische Föderation stattfinden, da hatte sich die deutsche Presse auch schon festgelegt. Es handelt sich bei den Referenden im Donbass nicht um “echte Volksabstimmungen”, sondern nur um “Scheinreferenden”. Nicht einzelne Medien benutzen diesen Begriff und diese Vorverurteilung, nein: alle. Alle großen deutschen Medien sind sich darin einig: Das, was dort stattfindet, ist ein Fake. Da muss dann also auch was dran sein.
Das Referendum im Donbass findet unter erschwerten Bedingungen statt, denn die Ukraine beschießt unentwegt ihre eigenen Bürger im Osten des Landes mit mittlerweile auch vom Westen gelieferten Waffen. Die Bürger möchten daher auch nicht mehr Bürger dieses Landes sein, glaubt man dort. Ein Referendum soll ermitteln, ob das tatsächlich die Mehrzahl der Bürger so sieht.
Analyse
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Das ist natürlich totaler Unsinn. Nur weil man vom eigenen Staat beschossen wird, möchte man sich von diesem doch nicht lossagen. Außerdem ist die Zuneigung zu Deutschland, der EU und dem Westen allgemein im Donbass anhaltend hoch, in den vergangenen Monaten sogar eher noch gewachsen. Schließlich kommen aus dem Westen all die Waffen, die jetzt tagtäglich dort ihre Munition niederregnen lassen. Das kostet ja einiges und ist somit auch ein Zeichen von Wertschätzung. Kein Mensch würde unter diesen Umständen für eine Abspaltung stimmen. Es ist daher völlig klar, dass es sich um Scheinreferenden handelt, die da veranstaltet werden. Übrigens schon zum zweiten Mal. Im Donbass leben Wiederholungstäter in Sachen Scheinreferenden. Die ersten Scheinreferenden fanden bereits 2014 statt. Man hat die Ergebnisse damals konsequent ignoriert und mit Antiterrormaßnahmen bekämpft. Das war natürlich richtig.
In Deutschland gibt es kaum Referenden. Auf Bundesebene sind sie überhaupt nicht vorgesehen. Konrad Adenauer (CDU), der erste Bundeskanzler dieser deutschen Republik, hatte die Furcht, die Deutschen könnten bei einer Volksabstimmung seiner Idee der Westanbindung in die Quere kommen und für ein geeintes Deutschland mit einem neutralen Status stimmen. Also verbot man derartiges Teufelszeug – womöglich kommt nachher noch ein falsches Ergebnis heraus, das man dann in mühsamer tagespolitischer Kleinarbeit korrigieren muss. Es gibt Volksabstimmungen in der Bundesrepublik – wenn überhaupt – daher lediglich auf lokaler und regionaler Ebene der Bundesländer.
Trotz all der Schwierigkeiten, der andauernden Kriegshandlungen sowie der Drohungen aus Kiew, organisiert der Donbass seine Volksabstimmung, in der die Menschen über die Eingliederung in die russische Föderation entscheiden sollen. Es gäbe keine unabhängigen Wahlbeobachter, moniert der deutsche Qualitätsjournalismus, weswegen es sowieso keine echte Wahl, sondern nur eine zum Schein sei. Das ist nicht ganz richtig. Es gibt Wahlbeobachter, aber keine aus dem Westen, denn der Westen ist dem Osten zunehmend schnuppe. Aber richtige, echte Wahlbeobachter, die gibt es nun einmal nur im Westen. Ganz, ganz sicher.
Doch trotz all der widrigen Umstände ist zu erwarten, so wie in Berlin, dem nach Selbstwahrnehmung Epizentrum der Demokratie, wird man es im Donbass wohl auch noch hinbekommen.
Erinnert ihr euch noch an die letzte Bundestagswahl? Die vergangene Bundestagswahl offenbarte der ganzen Republik jenes in Berlin herrschende administrative Chaos. Die Hauptstadt ist in einem Zustand, in dem sie nicht einmal mehr eine Wahl gestemmt bekommt. Ich durfte damals übrigens meine Wahlunterlagen in eine Mülltonne einwerfen – oben mit einem Schlitz. Das war eine der “Wahlurnen” in meinem Wahlbezirk in Neukölln. Noch deutlicher kann man dem Wähler vermutlich nicht mehr signalisieren, was man von seiner Stimme hält.
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Schon allein die Wahlurnen im Donbass machen einen besseren Eindruck als die in Berlin-Neukölln. Aber das Aussehen der Wahlurne ist natürlich nicht ausschlaggebend für die Frage, ob es sich nur um eine Wahl zum Schein oder um eine echte Wahl handelt. Der deutsche Qualitätsjournalismus weiß das nicht nur, er fühlt es mit jeder Faser. Ein deutscher Wähler, der seine Wahlunterlagen in eine Mülltonne einwirft, nimmt an einer echten Wahl teil. Einer im Donbass tut das nicht, egal, welchen Eindruck die Wahlurne dort vermittelt.
Bei der letzten Wahl gab es in Berlin übrigens auch eine Volksabstimmung – ein Referendum über Wohnraum. Das war im Gegensatz zu dem Referendum im Donbass ein echtes. Die Berliner waren aufgefordert, darüber abzustimmen, ob die großen Immobilienkonzerne enteignet werden sollten.
Sie taten es – und stimmten mit fast 60 Prozent für die Enteignung. Wie das in einer Vorzeigedemokratie wie der Bundesrepublik so üblich ist, hat das dann dazu geführt, dass die großen Immobilienunternehmen auch in Berlin natürlich nicht enteignet wurden.
Die neue Berliner Regierung, also der Senat unter der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey – wegen Betruges vom Doktortitel wieder “befreit” –, fühlte sich an das Referendum nicht gebunden. Dennoch wäre es natürlich völlig falsch, auch hier etwa von einem “Scheinreferendum” zu sprechen, denn die Berliner Politiker haben ersatzweise deutlich gemacht, dass das Signal wenigstens durchaus “angekommen” sei. Ganz, ganz großes Politiker*Innen-Ehrenwort!
Im Donbass ist das natürlich völlig anders. Sollten sich die zur Abstimmung aufgerufenen Bürger tatsächlich mehrheitlich für einen Anschluss an Russland entscheiden, dann wird Russland diesen Beschluss in die Tat umsetzen. Und das geht nun natürlich ganz und gar nicht. Wo kämen wir denn da hin, wenn jetzt normale Bürger über die Politik mitbestimmen könnten? Deswegen ist der Begriff “Scheinreferendum” für den Donbass völlig angebracht. Die sollten sich mal an Berlin ein Beispiel nehmen. Da weiß man, wie das mit einem Referendum zu laufen hat.
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