Der Gipfel in Vilnius ist für Kiew zur reinsten Enttäuschung geworden: Die Ukraine wurde immer noch nicht in die NATO aufgenommen. Stattdessen erfolgte das Versprechen, es irgendwann zu tun, wenn sie alle notwendigen Bedingungen erfüllt und wenn die Allianzmitglieder diesbezüglich zu einer Übereinkunft gelangen.
Besonders schmerzhaft ist die Tatsache, dass man noch vor dem Gipfel Selenskij zu verstehen gab, dass er in der NATO nichts zu suchen habe. Buchstäblich einen Tag vor Beginn des Treffens veröffentlichte die deutsche Presse erstaunliche Insider-Informationen. In die Hände der Bild-Zeitung sollen aus den höchsten Sphären unerklärlicherweise geheime Dokumente gelangt sein, die die Position der deutschen Regierung beim Gipfeltreffen in Vilnius zum Ausdruck bringen.
Demnach sollte die Ukraine einen Korb bekommen. Dabei wurde der Beitritt nicht etwa von den üblichen Unruhestiftern wie Ungarn blockiert, sondern von den Stützen der Allianz – den USA und Deutschland. Gemeinsam traten sie gegen Polen, Großbritannien und Frankreich an, die die Ukraine gleich nach der Unterzeichnung eines Waffenstillstands mit Russland in die NATO einladen wollten.
Die Bild gehört dem reichen Verlagshaus Axel Springer. Dessen Jahresumsatz ist mit dem Haushalt der ganzen Ukraine durchaus vergleichbar. Der Mehrheitsaktionär des Konzerns – also sein realer Leiter, der die ganze Publikationspolitik bestimmt – ist der US-Investmentfonds Kohlberg Kravis Roberts. Das Anlageportfolio dieses Fonds übersteigt den Haushalt der Ukraine um das Zwölf- bis Dreizehnfache.
Im Allgemeinen wendet sich über das abgebrühte Boulevardblatt niemand Geringeres an die Öffentlichkeit als die Eliten des globalen Westens, für die nicht nur Selenskij, sondern auch zahlreiche andere Staatschefs schlicht Laufburschen sind. Und wie wir sehen, besteht heute die Meinung dieser Eliten darin, dass die Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft nicht verdient habe und noch ein wenig laufen müsse.