Quelle: Sputnik Der serbische Präsident Aleksandar Vučić (l.) mit Sergei Lawrow, dem Außenminister der Russischen Föderation.
Von Gert Ewen Ungar
Aleksandar Vučić ist seit 2017 Präsident Serbiens. Er ist zudem für die EU ein Problem, denn er vertritt die Interessen des serbischen Volkes. Das zwingt ihn in der inzwischen offen ausgebrochenen neuen Ost-West-Konfrontation zu einem Balanceakt zwischen der EU einerseits und Russland andererseits. Die EU hätte aber gern, dass er nicht die Interessen der Serben und Serbiens, sondern allein die Interessen der EU um- und durchsetzt. Die EU sieht unter anderem im Balkan eine Art Hinterhof, in dem sie schalten und walten kann, wie sie will.
Würde die Regierung Serbiens den Vorgaben aus Brüssel jedoch blind folgen, hätte das für das Land sowohl wirtschaftlich als auch politisch verheerende Konsequenzen. Serbien ist nicht bereit, das Kosovo als eigenständigen Staat anzuerkennen und trägt das Sanktionsregime gegen Russland nicht mit. Ungarn und Serbien planen gemeinsam eine neue Pipeline für russisches Öl. Eine weitere Pipeline durch Serbien versorgt Ungarn mit russischem Gas. All das müsste aufgegeben werden, um die EU zu befriedigen.
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Trotz zahlreicher politischer Krisen sitzen Vučić und seine Partei SNS fest im politischen Sattel. Eigentlich wäre es Zeit für Diplomatie und die Suche nach einem Kompromiss, der es Serbien erlaubt, seine Interessen wahrzunehmen und es der EU ermöglicht, von der Kooperation mit Serbien zu profitieren, doch es geht der EU eben nicht um Kooperation, es geht ihr um Machtausweitung. Daher begibt sie sich auch nicht auf die Suche nach einem diplomatischen Kompromiss, sie will die Unterordnung Serbiens unter das Brüsseler Regime und die Eingliederung des Landes in die westliche Front gegen Russland. Mit Diplomatie, Kompromissen, vor allem aber mit Respekt vor demokratischen Entscheidungen ist dies nicht zu erreichen. Für Serbien bedeuten die Forderungen der EU den wirtschaftlichen und staatlichen Selbstmord.
Für die EU dagegen ist es wichtig, die östliche Peripherie unter Kontrolle zu bringen. Sie versucht dabei aber, den Anschein der Demokratie zu wahren. Demokratie im Sinne der EU ist, um es zugespitzt zu formulieren, nur das, was das richtige Ergebnis bringt. Und das richtige Ergebnis ist die Unterstützung der Pläne Brüssels. In Serbien traute sich die Demokratie jetzt erneut – ein aus Brüsseler Sicht – falsches Ergebnis zu liefern. Das geht nicht. Es muss korrigiert werden und das Mittel dazu sind Massenproteste einer angeblich demokratischen Opposition. Das Rezept ist erprobt.
Als ich die Proteste in Belgrad im Fernsehen verfolgte, gab es Bilder von Demonstranten mit englischsprachigen Plakaten. Spätestens da war klar, dass sich jemand in die inneren Angelegenheiten Serbiens einmischt. Der Verdacht fällt natürlich unmittelbar auf die EU und die EU-Länder. Der Verdacht ist nicht aus der Luft gegriffen, denn diese Form der Demokratieverachtung gehört inzwischen fest ins Brüsseler Repertoire. Astroturfing nennt sich das, das Vortäuschen einer politischen Graswurzelbewegung, die aber de facto aus dem Ausland finanziert wird und der Einflussnahme dient. Umgesetzt wird das über NGOs, die nur so heißen, faktisch aber in staatlichem Auftrag handeln. Sie sind finanziell und politisch abhängig.
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Vielleicht kann sich noch jemand an die Proteste in Georgien erinnern. Die derzeitige georgische Regierung, eher auf Ausgleich mit Russland bedacht und in Brüssel daher unbeliebt, plante ein Gesetz, nach dem sich Organisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, registrieren lassen müssen. Damit sollte für Transparenz gesorgt werden. Es erhoben sich unmittelbar Massenproteste nach dem schon bekanntem Muster: Einheitlich gestaltete, englischsprachige Plakate wurden in die Kameras gehalten, damit den Fernsehzuschauern im Ausland auch sofort klar war, worum es geht. Demonstranten stürmten das Parlament, die EU übte massiven Druck aus und schließlich wurde das Gesetz zurückgenommen.
Es ist allerdings völlig unglaubwürdig, dass ein Gesetzesvorhaben, das an den Lebensbedingungen der Menschen nichts ändert, das ihren Wohlstand nicht mindert, dazu führt, dass Tausende spontan auf die Straße gehen. Wäre das Gesetz angenommen worden, hätten sich all die aus der EU finanzierten Vereinigungen, eben jene NGOs, kennzeichnen müssen. Es ist evident, dass genau dies verhindert werden sollte. Man möchte die politische Einflussnahme weiter verschleiern.
Übrigens: Die EU plant gerade eine Verordnung, nach der sich aus dem EU-Ausland finanzierte Organisationen registrieren und kennzeichnen lassen müssen. Gab es dazu irgendwo Protest und wurde der Rücktritt der Kommission gefordert? Der Großteil der EU-Bürger hat von dem Vorhaben noch nicht einmal Kenntnis.
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Auch die Proteste in Weißrussland nach der Präsidentschaftswahl 2020 waren offensichtlich aus dem Ausland koordiniert. Sie folgten dem gleichen Muster. Es wurde der Anschein erweckt, eine demokratische Opposition fordere nur das Recht auf faire Wahlen. Das wiederholt sich aktuell in Serbien. Das Portal Nexta , über das damals die Proteste gesteuert wurden, wird mit Mitteln der EU unterstützt. Die inzwischen in der EU lebende “Oppositionsführerin” Swetlana Tichanowskaja forderte unter anderem harte Wirtschaftssanktionen gegen ihr eigenes Land und damit die Verelendung der eigenen Bürger. Sie vertritt damit definitiv nicht die Interessen der Bürger Weißrusslands. In der EU wird sie dessen ungeachtet mit Preisen überhäuft, für ihren Mut ausgezeichnet und als Rednerin durch die Parlamente gereicht. Trotz ihrer offen antidemokratischen Gesinnung wird sie als Demokratin gefeiert.
Inzwischen beschuldigt der serbische Präsident Deutschland offen der Einmischung. Serbiens Ministerpräsidentin Ana Brnabić berichtete, dass sie im Vorfeld der Wahlen vom russischen Geheimdienst über die beabsichtige Einmischung informiert worden sei. Sie habe westliche Diplomaten mit ihrem Wissen konfrontiert.
Serbiens Präsident Vučić hat versprochen, zum orthodoxen Weihnachtsfest im Januar ein Dokument mit Beweisen für die Einmischung vorzulegen. Neben Brüssel mischt sich auch Berlin ganz regelmäßig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein. Der ukrainische Bürgermeister Witali Klitschko wurde von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung geschult. Die weißrussische Opposition ebenso.
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Auch in Moldawien hat sich Deutschland eingemischt. Kurz vor der Parlamentswahl empfing Merkel die in ihrem Heimatland wegen ihres EU-Kurses umstrittene Präsidentin Maia Sandu in Berlin. Auch Sandu ist ein Produkt der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie vertritt nicht die Interessen Moldawiens, sondern die Interessen Deutschlands, der EU und der NATO in Moldawien. Merkel drückte ihr kräftig und vor allem medienwirksam die Daumen für die anstehende Wahl.
Die EU sieht ebenso wie in der Ukraine, im Balkan, Georgien und in Weißrussland ihr Einflussgebiet. Da die Erweiterung aber über demokratische Mittel nicht mehr funktioniert, weil die EU massiv an Attraktivität und Glaubwürdigkeit verloren hat, müssen nun zunehmend die undemokratischen ran: Einmischung, Umsturz, Astroturfing.
Es ist ein bizarres Demokratieverständnis, das sich hinter all den Aufstachelungen zu Protest zeigt. Demokratie ist – als Ergebnis der Herleitung – was Brüssel und der Erweiterung der EU dient. Dass man in der EU daran festhält, in Selenskij einen Demokraten zu sehen, legt das sehr flexible Brüsseler Demokratieverständnis offen. Zu ihm gehört auch die Förderung von gewaltsamen Umstürzen und die Einsetzung von autokratischen Regimen mit dem Ziel der Erweiterung des Machtbereichs.
Die politische Einmischung hat zum letzten Mal in der Ukraine wirklich funktioniert. Die Einmischung hat unmittelbar nach dem Umsturz im Jahr 2014 zum Bürgerkrieg im Osten des Landes geführt. Die Auswirkungen sind sowohl für die Ukraine als auch für Europa als Ganzes verheerend. Ein ähnliches Schicksal stünde Serbien, Weißrussland und Georgien bevor. Es ist daher eine gute Nachricht, dass sich die osteuropäischen Staaten allem Anschein nach gegen die Strategie gewappnet und mit einer internationalen Kooperation den westlichen Umtrieben inzwischen einen Riegel vorgeschoben haben. Gerade das Beispiel Ukraine zeigt, dass es dem Erhalt der staatlichen Souveränität dient, sich gegen die EU-Einflussnahme zu wappnen.
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