Quelle: Gettyimages.ru © Jörg Carstensen / dpa Hier moderiert der Chef persönlich: Julian Reichelt im Studio des TV-Senders “Bild”, dem Fernseh-Ableger der Zeitung, im August 2021. Wenige Monate später musste er den Axel-Springer-Verlag verlassen.
Die sogenannte “Reichelt-Affäre” ist für das Medienhaus Axel Springer wohl noch nicht ganz überstanden. Zwar ist der Ex-Chefredakteur der Bild, Julian Reichelt, “von seinen Aufgaben entbunden” und musste den Verlag verlassen, nun aber verklagt eine ehemalige Mitarbeiterin im Nachgang zu diesem Skandal das Medienhaus in den USA. Möglich ist dies, da sie zuletzt für den Verlag in den USA gearbeitet hatte.
Nach “Rauswurf”: Ex-Bild-Chef Julian Reichelt äußert Enttäuschung über Springer-Chef Döpfner
Der Ex-Chefredakteur der Bild musste seinen Posten Mitte Oktober vergangenen Jahres räumen. Zwar hatte er im Frühjahr 2021 eine interne Untersuchung, die sich nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gegen ihn richtete, überstanden, doch ein wenige Monate später erschienener Bericht zu der Causa in der New York Times brachte ihn schließlich zu Fall.
Jetzt verklagt eines der mutmaßlichen Opfer dieser Affäre das Medienhaus in den Vereinigten Staaten und wirft ihm vor, sich der sexuellen Belästigung, Vergeltungsmaßnahmen, unfairer Entlohnung sowie Beihilfe zur Belästigung schuldig gemacht zu haben. Dies berichtete die Wochenzeitung Die Zeit, die nach eigenen Angaben Einsicht in die Klageschrift gehabt habe. Die Frau zählt zu jenen, die im vergangenen Jahr im Rahmen der Compliance-Untersuchung befragt wurden.
Wie es in dem Bericht heißt, richte sich die Klage sowohl gegen die Bild als auch den US-amerikanischen Ableger Axel Springer Services mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware. Das Medienhaus sieht sich demnach mit insgesamt elf Vorwürfen konfrontiert. Die Ex-Mitarbeiterin, so Die Zeit weiter, habe zudem eine Verhandlung vor einer Jury in Los Angeles beantragt.
Einer der Vorwürfe: “Sex auf Verlangen”
New York Times, Bild, Reichelt, Döpfner, Ippen, Sex, Geld und Lügen – ein Medienkrimi mit Pfiff
In der Klageschrift soll demnach aus der Sicht der Frau ihr Verhältnis zu dem heute 42-jährigen Reichelt, der über mehrere Jahre an der Spitze von Deutschlands größtem Boulevardblatt stand, detailliert geschildert worden sein. Bereits im Jahr 2016, rund ein Jahr nachdem sie als Praktikantin bei der Bild begonnen hatte, soll es zwischen ihr und Reichelt zu einer sexuellen Beziehung gekommen sein, die mit Unterbrechungen wohl Monate lang andauerte. Wie in der Klageschrift seitens des Anwalts der Frau angeführt, wirft sie dem ehemaligen Vorgesetzten vor, sie manipuliert und für Sex benutzt zu haben, lautet es in dem Bericht. Aus Angst vor einem Rausschmiss habe sie dem Drängen Reichelts nach Sex nachgegeben. So sei auch in der Klage von “Sex auf Verlangen” (sex on demand) die Rede.
Laut Zeitungsartikel habe sich die Frau im Jahr 2018 in medizinische Behandlung begeben müssen, wo ihr Angstzustände und eine Depression bescheinigt wurden. Sie musste sich, wie aus der Klageschrift hervorgehe, vor ihrer Krankschreibung hämische Bemerkungen über ihre Beziehung zu ihrem Vorgesetzten seitens der Kollegenschaft anhören. Zudem soll sie stets mit dem Vorwurf konfrontiert worden sein, dass sie ihre Karriere nur der Liaison zu verdanken habe, die im Verlag ein offenes Geheimnis gewesen war. Im Jahr 2019 sei die Frau für Springer nach Amerika gegangen, doch auch dort sollen ihr die Beziehung zu Reichelt und zahlreiche Gerüchte darüber beruflich geschadet haben. Obwohl sie diesbezüglich bei einer Managerin des Medienhauses in San Francisco um Hilfe bat, wurde ihr nicht geholfen, stattdessen sei kurz darauf ihr Vertrag nicht verlängert worden.
Meinung
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Reichelt seinerseits würde die Vorwürfe laut Die Zeit bestreiten und darauf hinweisen, dass es umfangreiche Korrespondenz gibt, die belegt, dass die Frau ihrerseits den Kontakt und die Nähe gesucht habe. Für den Verlag könnte der neu aufgerollte Fall um den ehemaligen Chefredakteur der Bild in den USA nicht nur extremen Image-Schaden mit sich bringen, sondern zudem auch sehr teuer werden. Im Zuge der sogenannten MeToo-Debatte sind sowohl die Öffentlichkeit als auch das US-amerikanische Justizwesen für solche Fälle sensibilisiert. Dem Medienhaus könnte eine hohe Schadensersatzforderung drohen.
In den USA besitzt der Axel-Springer-Verlag das US-Medienunternehmen Politico sowie den Onlinedienst Business Insider .
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