Lawrow: Russophobie in westlichen Ländern bricht alle Rekorde
Aber nicht nur das. Einige Experten, die den plötzlichen Erfolg russischer Popsongs und des slawischen Stils analysieren – und das, nachdem zwei Jahre lang alles Russische im Westen fleißig ausgemerzt wurde –, glauben, dass es sich dabei nicht nur um einen Protest gegen die Russophobie der politischen Eliten handelt, die der Durchschnittsbürger bereits satthat. Ein weiterer Grund für die “slawische Raserei” ist der Protest gegen die aufgezwungene Agenda: All dieser “achtsame” Konsum, die Sparsamkeit, die “grüne” Askese, die Inklusion und die politische Korrektheit. Die Menschen im Westen wollen – wenn auch nur für eine Weile – zu den Zeiten zurückkehren, in denen sie das Leben genießen konnten und sich nicht in das enge Korsett einer von den Vereinigten Staaten auferlegten politischen Agenda zwängen mussten. Der Künstler und Kunstkritiker Andrei Schental meint zum Beispiel im Gespräch mit dem Portal Moskvich.mag :
“Der Kulturtheoretiker Robert Pfaller bezeichnete die Zeit nach dem Jahr 2008 im Westen als eine Zeit der maßlosen Mäßigung. Ein endlos gesunder Lebensstil, keine Drogen, Alkohol, Zigaretten, nur Yoga, Laufbänder, Smoothies. Und d ie Stimmung von ‘ My Marmalade ‘ , also von dem Übermaß an schnellen Kohlenhydraten, ist wie eine Aufhebung dieser Selbstbeschränkung. Schließlich ist die lyrische Heldin des Songs einerseits eine emanzipierte Frau, die einem Mann ganz offen sagt, was sie am Sex mag. Gleichzeitig ist das ein Aufruf, ein neues Vergnügen zu erleben. ‘ Genieße es bis zum Ende, auch wenn du es nicht willst! ‘ Bis zum Jahr 2008 war der globale Kapitalismus doch auf einen solchen Imperativ ausgerichtet. Vielleicht fühlt sich dieses Lied deshalb im Westen auch als Sehnsucht nach hemmungslosem Konsum, nach Genuss um jeden Preis, nach Überschuss an Lust an. Katja Lels süße, kokette Stimme und das ganze Drumherum aus schrillem Luxus und aufreizender Sexualität ermöglichten plötzlich eine Erfahrung, die auf allen Kontinenten verständlich, aber fast vergessen ist. Für einen Moment, wenn auch nur im Scherz, in eine Ära zurückzukehren, in der es noch keinen endlosen ethischen Konsum, keinen Puritanismus gab, in der es möglich war, närrisch zu kokettieren, sich in Pelze zu hüllen und toxisch zu sein.”
Der Trend der Liebe zum Russischen wurde nicht nur von Social-Media-Stars, sondern auch von westlichen Prominenten aufgegriffen. So hat die Tochter der Hollywood-Schauspielerin Milla Jovovich, die bekanntlich über russische Wurzeln und eine Kindheit in Kiew verfügt, mit dem Model Ever Gabo Anderson das Lied von Katja Lel nachgesungen. Und zwar auf Russisch. Das löste sofort eine Hasskampagne seitens ukrainischer Nutzer aus. Das ukrainische Portal Obo s re w atel schrieb sogar entrüstet:
“Das ist nicht nur ein zufälliges russisches Musikstück, das auf die Bühne gerollt ist, sondern ein Propagandawerkzeug.”
Vor zwei Jahren war so etwas allerdings noch kaum vorstellbar. Ja, es gab Fälle von plötzlicher Popularität einiger russischer Kompositionen in westlichen sozialen Netzwerken – aber das war eine völlig andere Welt, und in dieser anderen Welt gab es kein solches Ausmaß an Russophobie wie heute. Jetzt aber sorgt der “slawische Trend” für echte Überraschung. Und er zeugt auch davon, dass die westliche Welt der US-Diktatur in allen Bereichen, von der Wirtschaft bis zur Kultur, überdrüssig geworden ist. Deshalb erobert der russische Stil nach der Musik auch die Modewelt – er ist wieder relevant, so wie er es im zwanzigsten Jahrhundert war, sagen Experten. Wie die Zeitung Iswestija schreibt, wird dieser Stil mit dem Winter, mit Kälte und Schnee assoziiert. Ewgenija Legkodimowa, Gründerin und Kreativdirektorin der Marke Laroom , erklärt dies mit dem Wechsel der führenden Persönlichkeiten, die die Trends diktieren. Früher, so meint sie, wurde der Ton von den USA vorgegeben, von wo aus die Mode für Sweatshirts, voluminöse Jacken und Turnschuhe in Kombination mit fast allen Kleidungsstücken zu uns kam. Jetzt weht der Wind aus dem Osten. Sie stellt fest: Der politische Trend hat sich geändert, was bedeutet, dass sich auch der Modetrend ändern wird.
Russland zu lieben kommt also langsam wieder in Mode. Trotz Sanktionen und Bemühungen um eine Diffamierung.
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