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Statt China und Russland nun USA – Die EU in der Abhängigkeitsfalle

Statt China und Russland nun USA – Die EU in der Abhängigkeitsfalle

Quelle: Legion-media.ru © Boris RoesslerDie EU-Illussion ist am Platzen

Von Gert Ewen Ungar

Der russische Kolumnist Sergei Sawtschuk analysiert in einem Beitrag, der auf unserer Seite in deutscher Übersetzung erschienen ist, Warnungen des norwegischen Herstellers von Düngemitteln, Yara International, vor einer neuen Abhängigkeit der EU von Russland. Die Argumentation ist bekannt. Die Europäische Union werde von russischen Düngemitteln in gefährlicher Weise abhängig, behauptet der Geschäftsführer des Unternehmens, Svein Tore Holsether, in einem Interview mit der Financial Times.

Sawtschuk vertritt die These, aufgrund seiner Ausbildung in den USA sei Holsether ein Lakai in Diensten des US-Establishments. Nur so sei zu erklären, warum er eine Abkehr der EU vom Bezug russischer Düngemittel fordert, was für die Europäische Union nur nachteilig sein könne. Auch das ist für die EU inzwischen symptomatisch. Man verfolgt eine für die Souveränität Europas nachteilige Strategie – im Kleinen wie auch im Großen. Das soll hier an vier Bereichen gezeigt werden: am Energiesektor, hinsichtlich der Digitalisierung, wirtschaftlich und im Sicherheitsbereich. 

EU importiert weniger LNG, dafür wieder mehr russisches Pipeline-Gas

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Schon der deutsche Verzicht auf russisches Gas, das über Nord Stream geliefert wurde, ist für die EU mit weitreichenden negativen Konsequenzen verbunden. Die Industrieproduktion geht nicht nur in Deutschland zurück. Wirtschaftlich fällt die Europäische Union im internationalen Vergleich immer weiter zurück, die Energiepreise steigen, Unternehmen wandern ab. Nach Griechenland- und Corona-Krise droht der EU ein weiteres verlorenes Jahrzehnt. 

USA drehen den Gashahn zu

Den Menschen in Deutschland wird die Abkehr von russischem Gas als Erfolgsgeschichte verkauft. Bereits im März 2023 jubelte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), man habe die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen hinter sich gelassen. Habeck klopft sich dafür gern selbst öffentlich auf die Schulter. Der Verzicht hatte allerdings einen sehr hohen Preis. Nicht nur hat die Bundesrepublik damit massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, sondern die Europäische Union insgesamt. Deutschland und die EU  haben damit auch ihre Abhängigkeit eben nicht gesenkt, sondern erhöht.

Gleichsam spiegelbildlich zum Verzicht auf russisches Gas steigerten die EU und allen voran Deutschland ihre Abhängigkeit von Gaslieferungen aus den USA. Als Ende Januar US-Präsident Biden ankündigte, die Lieferkapazitäten von LNG vorerst nicht weiter ausbauen und keine neuen Exportgenehmigungen erteilen zu wollen, wurde dies zwar in den deutschen Medien vermeldet. Angesichts der Tragweite blieb es doch insgesamt erstaunlich still im deutschen Blätterwald. Wer sich noch an die Berichte über Lieferreduktionen durch Russland aufgrund von defekter und zu wartender Gasturbinen im Jahr 2022 erinnert, wird die mediale Stille angesichts der Ankündigung Bidens mit Erstaunen zur Kenntnis genommen haben. Nicht Russland, die USA drehen Deutschland den Gashahn zu. 

Die Vereinigten Staaten sind als Vertragspartner schlicht unzuverlässig. Washington hat vielfach unter Beweis gestellt, dass es aus Verträgen einfach aussteigt, wenn es meint, dass deren Erfüllung nicht US-Interessen dient. So haben die USA mit fadenscheiniger Begründung zahlreiche Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge mit Russland aufgekündigt – zulasten der Sicherheit Europas und ohne Rücksprache mit den von diesem Schritt unmittelbar betroffenen europäischen Partnern. 

Scheinbar beste Freunde – aber hinter den Kulissen der EU brodelt es

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Mit ihrem Verzicht auf russisches Pipeline-Gas haben die EU und vor allem Deutschland ihre Abhängigkeit von den USA gefährlich erhöht. Sie haben sich erpressbar gemacht – ohne zwingenden Grund, wohlgemerkt, denn Russland erfüllt im Gegensatz zu den USA seine vertraglichen Verpflichtungen.

Blindes Vertrauen in US-Internetgiganten

Dabei ist die Abhängigkeit bereits in einem anderen Bereich gefährlich hoch. Gemeint ist die Abhängigkeit der EU von US-Internetgigangten wie dem Google-Mutterkonzern Alphabet, von US-Cloud-Dienst-Anbietern, von Konzernen wie Microsoft und Amazon. Diese Abhängigkeit wird in Deutschland kaum thematisiert und wenn, dann immer nur im Hinblick auf einzelne Konzerne und im Hinblick auf einzelne Aspekte.

So publizierte die Wirtschaftswoche im vergangenen Jahr einen Beitrag über die Abhängigkeit deutscher Behörden von Microsoft. In den Vordergrund hebt der Beitrag die Kostenfrage, das Sicherheitsrisiko thematisiert er nur am Rande. Letzteres aber ist erheblich. US-Konzerne kooperieren mit der US-Regierung, greifen Daten ab und sperren Zugänge auf Zuruf. Tatsächlich eigenständige europäische Projekte existieren nicht. 

Als der damalige US-Präsident Donald Trump verfügte, dass Google künftig dem chinesischen Konzern Huawei den Zugang zum Google-Play-Store verweigern müsse, wurde das in Deutschland in keiner Weise angemessen kritisch gewürdigt. Wer glaubt, Ähnliches könne Deutschland oder der EU als Bündnispartner der USA nicht passieren, ist hoffnungslos naiv. Die EU ist im digitalen Bereich gefährlich von den USA und dortigen Konzernen abhängig und damit erpressbar.

Europa unternimmt zudem keine ernstzunehmenden Schritte, um sich aus der Abhängigkeit von US-Internetgigangen zu befreien. Das Thema wird noch nicht einmal seiner Bedeutung angemessen öffentlich diskutiert. Fakt ist, die USA verfügen mit dieser Abhängigkeit über die Möglichkeit, die Wirtschaft und das öffentliche Leben in der EU innerhalb kürzester Zeit zum Erliegen zu bringen. Wer glaubt, sie würden davon im Zweifelsfall keinen Gebrauch machen, hat die Ereignisse der vergangenen Jahre nicht zur Kenntnis genommen. 

De-Risking von China ist Up-Risking gegenüber den USA

Auch wirtschaftlich nimmt die Abhängigkeit der EU und ihrer Mitgliedsstaaten von den USA absehbar zu. Die Europäische Union verfolgt das Konzept des De-Risking, der Senkung der Abhängigkeit von chinesischen Produkten und der Entflechtung der Lieferketten. China ist Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner, das Handelsvolumen mit dem Reich der Mitte geht jedoch seit geraumer Zeit kontinuierlich zurück. Damit verschiebt sich auch in diesem Bereich die Abhängigkeit immer weiter in Richtung USA. 

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Gleichzeitig wirken sich Maßnahmen wie der Verzicht auf den Bezug günstiger russischer Energieträger dämpfend auf die Nachfrage in der EU aus. Die Binnennachfrage stagniert. China soll aus politischen Gründen als Handelspartner immer stärker umgangen werden. Dass die USA willens wären, die wirtschaftlichen Folgen der Nachfrageschwäche und der Abkehr von China durch vermehrten Import aus der EU aufzufangen, muss bezweifelt werden. Im Gegenteil, die USA setzen auf Abschottung auch gegenüber der EU. Die Weichen für einen wirtschaftlichen Abstieg der Europäischen Union sind damit gestellt. 

Abschließend soll noch der Sicherheitsbereich beleuchtet werden. Die EU folgt auch hier blind dem transatlantischen Bündnispartner und versäumt es, mit eigenen Initiativen ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Brüssel überlässt im Hinblick auf den Ukraine-Krieg alle Initiativen den USA. Es setzt lediglich die Vorgaben um. Eine eigene Schwerpunktsetzung oder gar eine europäische Friedensinitiative fehlt völlig. EU-Sicherheitspolitik wird in Washington und im Pentagon gemacht.

Europäische Sicherheitspolitik wird in Washington gemacht

Dabei ist klar, dass die sicherheitspolitischen Interessen der Länder der EU nicht denen der USA entsprechen. Sollte beispielsweise der Krieg weiter eskalieren und es seitens Russlands tatsächlich zum Einsatz von Atomwaffen kommen, werden die USA nicht mit Atomwaffen antworten, machte Oskar Lafontaine kürzlich in einem Interview deutlich. Denn eine atomare Antwort aus den USA hätte zur Folge, dass der Atomkrieg auch auf die Vereinigten Staaten übergreifen und Nordamerika vernichten würde. Das ist nicht im US-Interesse.

Trotz des erheblich höheren Risikos für die Länder der EU formuliert die Brüssel dennoch keine eigenen Ziele. Außer das Ziel, Russland eine strategische Niederlage beibringen zu wollen, gibt es innerhalb der Europäischen Union keine Vorstellung davon, wie der Konflikt enden könnte. Vor allem aber gibt es keine Vorstellung davon, wie eine europäische Sicherheitsordnung aussehen muss, die einen dauerhaften Frieden gewährleistet und die daher russische Sicherheitsinteressen zwingend mit einschließen muss. 

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Konkret heißt das: Aufgrund ihrer engen und unhinterfragten Anbindung an die USA in vier kritischen Bereichen wird die EU an Bedeutung verlieren. Sie ist ökonomisch, energiepolitisch und militärisch von den Vereinigten Staaten abhängig und nicht Willens, eigene politische Ziele und Interessen zu formulieren. Statt um einen Ausgleich mit Russland lässt sich die EU in eine neue Blockkonfrontation zwingen, bei der sie nur verlieren kann. 

Die Europäische Union bringt sich in eine Situation, in der sie nicht nur global, sondern auch auf dem europäischen Kontinent als Gestaltungskraft immer unbedeutender wird. Das Erschütternde dabei ist, dass dieser Einflussverlust selbstverschuldet ist. Einen Erklärungsversuch für das Phänomen, warum die Eliten in der EU Politik gegen die Interessen der Mitgliedsstaaten machen, liefert Sawtschuk ebenfalls: Die politischen Entscheider in der EU fühlen sich Washington stärker verpflichtet als dem Wohle Europas. Nur so ist zu erklären, dass der eingeschlagene Weg in all den genannten Bereichen nicht korrigiert wird. Wird er weiter gegangen, verlieren die EU und ihre Mitgliedsstaaten zwangsläufig den letzten Rest an Eigenständigkeit und Souveränität und werden zu einem wirtschaftlich und politisch abgehängten US-Protektorat. 

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