“Blutige Kohle” aus Kolumbien – Energiepolitik zulasten von Mensch und Umwelt
Petro sicherte im Rahmen der Wahlkampagne zu, die Erkundung von Erdölfeldern im Land zu beenden und die Rentenfonds umzuverteilen. Falls er die Stichwahl im Juni gewinnt, würde er der erste linksgerichtete Präsident in der Geschichte Kolumbiens werden. Der 62-Jährige war Abgeordneter im kolumbianischen Kongress und wurde im Jahr 2011 zum Bürgermeister von Bogotá gewählt. In den vergangenen Wochen musste er die Sicherheitsvorkehrungen verstärken und führte seinen Wahlkampf hinter kugelsicheren Schilden. Grund hierfür seien Morddrohungen gewesen.
In Kolumbien wurden in der Vergangenheit immer wieder Attentate auf linke Kandidaten verübt. Nicht zuletzt Carlos Pizarro, der oberste Befehlshaber von Petros Rebellengruppe M-19, wurde als Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen im Jahr 1990 von einem antikommunistischen Meuchelschützen getötet. Auch Bernardo Jaramillo, ein weiterer linkspolitischer Kandidat, wurde im selben Jahr ermordet.
Petros Kandidatur wird von einer jüngeren, progressiven Wählerschaft mitgetragen, wohingegen er der rechtsgerichteten amtierenden Regierung Duques gleichsam ein Dorn im Auge ist. Kritiker aus den Reihen der Rechten halten beständig an der These fest, dass Petro als Präsident Kolumbien in ein Ebenbild des angeblich “sozialistischen” (in Wirklichkeit lediglich sozialstaatlichen) und von Sanktionen in die Armut gestürzten Nachbarlandes Venezuela verwandeln würde.
Obwohl Petro bei den Wahlen 2018 gegen Duque verlor, hat sich die mit den USA verbündete Regierung in Bogotá in den vergangenen vier Jahren nicht gut geschlagen. Vielmehr geriet Kolumbien aufgrund der Reaktion seiner rechten Regierung auf die COVID-19-Pandemie in eine Wirtschaftskrise, die den bereits zuvor durch die brutale Niederschlagung landesweiter Proteste gegen Ungleichheit in der Gesellschaft, grassierende Korruption und Polizeigewalt angerichteten Schaden noch vergrößerte.
Francia Márquez, Kolumbiens Spitzenkandidatin für das Amt des Vizepräsidenten an Petros Seite, warnte wenige Tage vor der Wahl am 29. Mai, die US-Regierung mische sich in die Wahlen in Kolumbien ein, um der linken Koalition Pacto Histórico zu schaden. Hierfür, so Márquez sinngemäß, bedient sich die Regierung Biden einer “Haltet den Dieb”-Taktik. Sie bezichtige Russland und Venezuela, dass sie es seien, die sich in die kolumbianischen Wahlen einmischen würden.
Auf diese Mühle der Vizepräsidentschaftskandidatin Márquez gießt auch das US-Parlament reichlich Wasser. Die republikanische Kongressabgeordnete für den US-Bundesstaat Florida Maria Elvira Salazar forderte am Freitag US-Präsident Biden unverblümt zur Intervention auf, um zu verhindern, dass Petro Präsident wird. Sie gab sich dabei – für die politische Streitkultur der USA nicht ungewöhnlich – recht ungehalten:
“Gustavo Petro ist ein Dieb, ein Marxist und ein Terrorist. Und er will der nächste Präsident Kolumbiens werden, um die Kolumbianer in Elend, Hunger und Landesflucht zu stürzen. Sei sehr vorsichtig, Kolumbien. Die Entscheidungen von heute bestimmen das Morgen.”
Analyse
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Nach Angaben des Roten Kreuzes ist die Gewalt in Kolumbien derzeit auf dem höchsten Stand, seit die Regierung im Jahr 2016 ein Friedensabkommen mit der Rebellengruppe FARC unterzeichnet hat. Petro kritisiert den von den USA geführten “Krieg gegen Drogen”. Nicht zuletzt hätten die massiven Sicherheitsausgaben Kolumbien mitnichten davon abgehalten, ein führender Kokainproduzent zu bleiben oder der Bandengewalt ein Ende zu setzen. Kolumbien, so Petro, sollte auch seine Politik der Auslieferung mutmaßlicher Drogenbosse an die USA überdenken.
Weniger als eine Woche vor der Wahl unterzeichnete Biden ein Memorandum, welches Kolumbien den Status eines “wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten” Washingtons zuspricht – und zwar nachdem Bogota zugesagt hatte, ein Truppenaufgebot für die Ausbildung ukrainischer Soldaten für Minenräumungsarbeiten einzusetzen. Dieser Status bringt zwar wirtschaftliche Privilegien und Verteidigungsaufträge mit sich, beinhaltet aber keine ausdrücklichen Garantien im Verteidigungsfall wie eine NATO-Mitgliedschaft.
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