Quelle: AFP © AFP Der syrische Außenminister Faisal Mekdad nimmt am 17. Mai 2023 in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda am Vorbereitungstreffen der arabischen Außenminister im Vorfeld des 32. Gipfels der Arabischen Liga teil.
Von Dr. Karin Kneissl
Nach anfänglichen Protesten im März 2011, die von den jeweiligen Provinzgouverneuren falsch eingeschätzt und brutal niedergeschlagen wurden, entwickelte sich Syrien, das seit dem Jahr 2004 zunehmend unter den Folgen der US-Invasion im Irak litt, zum Schlachtfeld eines Stellvertreterkrieges. Persönlich nahm ich stets Abstand vom Begriff “syrischer Bürgerkrieg”. Innerhalb des ersten Kriegsjahres zeichnete sich ab, dass jede Regionalmacht in die Kämpfe, aber auch in das Kriegsgeschäft, ob mit Drogen wie Captagon, geschmuggeltem Erdöl, antiken Kunstwerken, vor allem aber Menschen, verwickelt war.
Mir schien, als wollten die reichen arabischen Golfstaaten mit ihren Waffen und Kämpfern auch einen Fuß in die Tür nach Damaskus setzen. Denn von dieser sagenumwobenen Stadt träumten die arabischen Revolutionäre, die gegen die osmanische Herrschaft vor dem Ersten Weltkrieg aufbegehrten, ebenso wie die Petromonarchien unserer Zeit. Auch aus türkischer Sicht wurden wiederholt Ansprüche auf syrisches Gebiet, vor allem Aleppo, erhoben. Im alten Damaskus will man sich mit Moscheen und anderen Bauwerken ein Monument setzen.
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Mythos Damaskus
Gemeinsam mit dem Dorf Jericho und der libanesischen Hafenstadt Byblos steht die syrische Hauptstadt Damaskus im Wettbewerb, welche denn die älteste Stadt sei. Damaskus ist fraglos eine andere Liga. Die älteste arabische Hauptstadt, von wo aus die Dynastie der Umayyaden im siebten Jahrhundert das arabische Weltreich begründeten, war stets das Objekt der Begierde.
Syrien und Ägypten stritten lange um eine ideologische Vormachtrolle in der Arabischen Liga, die der institutionelle Rest des Traums von der Arabischen Einheit ist. In den 1950er Jahren fusionierten die beiden Staaten zur Vereinigten Arabischen Republik. Es war der politische und auch mediale Höhepunkt des Panarabismus, den der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser als charismatischer arabischer Nationalist regelrecht anführte. Er wusste hierbei all jene Staaten hinter sich, die wir heute als “globalen Süden” bezeichnen. Die ägyptisch-syrische Union war nur kurzlebig, nämlich von 1958 bis 1961. Doch sowohl Kairo als auch Damaskus spielten und spielen trotz aller Zäsuren eine wichtige Rolle für die arabische Politik mit ihrer alten Sehnsucht nach Einheit.
Im Jahre 1979 wurde Ägypten aufgrund des Friedensvertrags mit Israel aus der Arabischen Liga entfernt, die internationale Organisation verließ ihren Amtssitz in Kairo. Erst Jahrzehnte später sollte Ägypten wieder seinen Sitz einnehmen. Im Falle Syriens entwickelt sich nun manches schneller als gedacht.
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Die Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien
Die Aussöhnung zwischen Riad und Teheran, an der das omanische Außenministerium rund drei Jahre arbeitete, verläuft parallel zur Stabilisierung in Syrien. Zwar rivalisieren vor allem im Norden des Landes angesichts türkischer und US-amerikanischer Truppenpräsenz weiterhin ausländisch finanzierte Milizen, ob kurdischer oder arabisch-sunnitischer Provenienz, miteinander. Doch in vielen Landesteilen normalisierte sich im Laufe der letzten vier Jahre die allgemeine Sicherheitslage, wenngleich Terroranschläge, ob von IS-Terrorgruppen oder anderen Extremisten, immer wieder die Bevölkerung in Angst versetzen. Die syrische Armee hat mit Unterstützung der russischen Armee, die seit Herbst 2015 auf Einladung der Regierung Assad im Land stationiert ist, fast das gesamte Staatsgebiet wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols ‒ nachdem der IS sein Kalifat im Sommer 2014 proklamierte ‒ ist nicht zu unterschätzen.
Der Iran ist sowohl über die libanesische Hizbollah, die ihre Milizen außerhalb der libanesischen Armee unterhält, als auch über eigene Truppen in Syrien vertreten und streckt die Fühler immer weiter in die syrische Wirtschaft. Dank der alawitischen Assads war der Flughafen Damaskus seit Beginn der Iranischen Revolution im Jahr 1970 eine Drehscheibe, um nicht infolge von Sanktionen völlig abgeschnitten zu sein. Teheran hat diese konsequente Unterstützung der Assads nie vergessen.
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Das Mantra des Westens und die Sanktionen
Während sich also beinahe frenetisch schnell die Dinge im sonst so phlegmatischen Nahen Osten in Richtung Stabilisierung drehen, hält der Westen an seinem Mantra fest: Assad muss weg. Diese Losung in Kombination mit Sanktionen gegen das Land, welche auch nicht für Hilfslieferungen infolge des schweren Erdbebens im Februar dieses Jahres aufgehoben wurden, ersetzt jegliche Syrien-Strategie der EU und der USA.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ist derzeit in Saudi-Arabien, um die Regierung vor einer Normalisierung der Beziehungen mit Syrien zu warnen. Dieser Kurs geht nicht nur an der neuen Realität vorbei, sondern verprellt auch all jene Staaten, die Berlin als Energiepartner stärker gewinnen möchte, um den Ausfall russischer Energielieferungen zu kompensieren.
Ich rechne damit, dass sich Washington noch eher an die neue politische Situation anpassen wird, als dies der EU gelingen könnte. Die USA haben sich zwar in den letzten 20 Jahren aus der Region systematisch zurückgezogen, da ihre militärischen Interventionen scheiterten und sie die Rohstoffe weniger benötigten. Doch wollen sie das östliche Mittelmeer und den Persischen Golf nicht gänzlich China, BRICS bzw. den Völkern in der Region im Sinne des Selbstbestimmungsrechts überlassen.
Wenn Saudi-Arabien den Gipfel der Arabischen Liga ausrichtet, Baschar al-Assad mit Applaus und vielen Wangenküssen wieder in der Gemeinschaft der arabischen Brüder aufgenommen wird, dann ist das nicht irgendein regionales Treffen, sondern von überregionaler Bedeutung. Die G7 werden sich in Japan treffen und über China tüfteln, die EU wird sich, wie so oft, mit sich selbst beschäftigen und nicht realisieren, dass die Welt auch diese Woche eine andere geworden ist.
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