Quelle: www.globallookpress.com © Stefan Kiefer Immer mehr Kinderkrankenhäuser müssen die kleinen Patienten wegen eines akuten Personal- und Bettennotstands in umliegende Krankenhäuser verlegen.
Der derzeitige Notstand in den Kinderkliniken und vor allem in den ambulanten Kinder- und Jugendarztpraxen in Deutschland hat nach Ansicht des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte dramatische Folgen für die jungen Patienten. Der Grund: Die aktuellen Welle an Atemwegsinfektionen führt zu zusätzlichen massiven Engpässen in Praxen und Kliniken. In der Folge müssen Behandlungen verschoben werden oder bleiben gar ganz aus. “Es ist tatsächlich so, dass im Moment die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und auch das Leben ordentlich gefährdet sind”, sagte Jakob Maske, Kinderarzt und Sprecher des Berufsverbands, am Montag dem Deutschlandfunk . Die Infektwelle sei laut Maske aber nicht der eigentliche Grund für die dramatische Lage.
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Vielmehr sei der derzeitige Notstand auf die Gesundheitspolitik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dessen Vorgänger zurückzuführen. “Das Gesundheitssystem wird seit Jahren gegen die Wand gefahren”, bemängelte der Kinderarzt. Gespart worden sei demnach besonders im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin, weil sich diese nach Ansicht vieler Politiker nicht lohne. Angesichts dieser fehlenden Mittel hätten 80 Prozent der Kliniken in den letzten Jahren die Zahl ihrer Betten reduzieren müssen, sogar im Intensivbereich.
Insbesondere deshalb ist die Lage in vielen Regionen Deutschlands dramatisch, wie auch eine neue Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zeigt: Von 110 Kinderkliniken hatten zuletzt 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Lediglich 83 freie Betten gab es zum Befragungszeitpunkt noch auf Kinderintensivstationen in ganz Deutschland – das sind 0,75 freie Betten pro Klinik, also weniger als eines pro Standort.
Laut Maske werde die Versorgung seit der Übernahme des Ressorts durch Lauterbach immer schlechter, wie sich jetzt zeige. So sei die grundsätzliche Krise des Systems durch Corona zwar eine Zeit lang kaschiert worden. Das sei nun aber vorbei. “Wir haben jetzt einen ganz normalen Anstieg, wie wir ihn jeden Winter sehen von Infektkrankheiten – und die Systeme brechen zusammen”, so der Kinderarzt. Weil alle Betten voll seien, müssten schwerstkranke Kinder derzeit über Hunderte Kilometer aus Berlin weg ins Umland verlegt werden. Die Anschuldigungen etwaiger Politiker, dass derartige Aussagen lediglich Panikmache seien, weist Maske deshalb entschieden zurück. “Das ist nicht Panikmache, das ist unser tägliches Leben.”
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In der vergangenen Woche hatte Lauterbach angesichts der verheerenden Lage in den Kinderkrankenhäusern und Praxen schnelle Hilfsmaßnahmen angekündigt. Unter anderem soll Pflegepersonal aus Erwachsenen- in Kinderstationen verlegt werden. Ein Vorschlag, der laut Maske “überhaupt” nicht hilfreich sei. So könne ein Pfleger, der sich normalerweise um Erwachsene kümmert, zum Beispiel kein Frühgeborenes mit 600 Gramm Körpergewicht pflegen. “Das ist völliger Humbug und wird auch keine Entlastung bringen.”
Überdies forderte Lauterbach die Krankenkassen letzte Woche dazu auf, bestehende Auflagen zur Personalbesetzung vorerst nicht zu prüfen und Sanktionen auszusetzen. Eltern und Kinderärzte bat der Gesundheitsminister zudem, nicht unmittelbar nötige Vorsorgeuntersuchungen zu verschieben. Der Bundestag hat am Freitag ein Gesetzespaket zu Krankenhäusern beschlossen. Das Paket zielt unter anderem darauf, Arbeitsbedingungen der oft stark belasteten Pflegekräfte zu verbessern. Aber auch Geld soll es für Kinderkliniken geben: 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro zusätzlich, zur Sicherung von Geburtshilfestandorten jeweils 120 Millionen Euro mehr.
Diese Pläne sind laut Maske ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jedoch, kritisierte der Kinderarzt, seien 300 Millionen Euro insgesamt aber “nicht so wahnsinnig viel Geld”. Auch werde in den Plänen nur die klinische Medizin bedacht. Die ambulante hingegen nicht, obwohl dort 85 bis 90 Prozent der Erkrankten behandelt würden.
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