Meinung Waffe der Schwachen: Warum die USA jetzt Terroranschläge in Russland organisieren
Allerdings hat man, wenn man heutzutage in Moskau ins Kino geht oder den Fernseher einschaltet, das Gefühl, dass die russische Unterhaltungsbranche in den letzten zwei Jahren ihre Kräfte für einen entscheidenden Vorstoß gebündelt hat. Derzeit bricht zum Beispiel der neue russische Film Tscheburaschka alle Besucher- und Gewinnrekorde. Er hat bereits die erfolgreichsten amerikanischen Blockbuster in allen Zahlen übertroffen – weder Avatar noch Batman haben je so viel in Russland eingespielt. Die Geschichte von einem kauzigen Wesen mit den riesigen Ohren stammt aus der sowjetischen Literatur und Zeichentrickfilmen. Tscheburaschka ist eine Kultikone, eine Legende, ein Liebling vieler Generationen von Russen und das Maskottchen der russischen Olympiamannschaft. Nun ist er mithilfe von Computertechnik à la Hollywood zum Leben erweckt worden, und um ihn herum wurde eine gute Geschichte mit russischen Filmstars gesponnen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum der Film an vielen Wochenenden hintereinander an der Spitze der russischen Kinokassen steht.
Selbstverständlich reicht ein einziger Film, selbst ein sehr erfolgreicher, nicht aus; man braucht eine ganze Industrie – aber der Anfang ist eindeutig gemacht. Genauso sieht es in der Serienbranche aus. Die zweite Staffel der russischen Kultserie “Vampire der Midlands” ist gerade zu Ende gegangen und wurde wegen des großen Erfolgs um eine dritte Staffel verlängert.
“Ich bin schon seit tausend Jahren eine Kreatur. Aber manchmal möchte man einfach nur ein Mensch sein”, sagt Großvater Slawa in “Vampire der Midlands”. Die Vampirfamilie aus Smolensk, die gar keine Familie ist, sich aber für eine hält, wirkt sehr russisch und sehr modern.
“‘Genosse Stalin und ich haben ein blutiges Geheimnis’, sagt der Rentner Swjatoslaw Wernidubowitsch, nimmt einen Band aus der Sammlung der Werke des Machthabers aus dem Regal und holt daraus ein Fläschchen. In dem Fläschchen befindet sich Blut, das dem frisch bekehrten Vampir Schenka helfen soll, eine Hungerattacke zu überstehen. Der junge Mann hat sich den ganzen Tag mit einem Messer gestochen und versucht, sich zu erhängen, weil er sich über die Regeneration freut, die er zusammen mit seinen Reißzähnen erhalten hat, aber er hat seine Kräfte nicht richtig eingeschätzt. Swjatoslaw Wernidubowitsch (für die, die ihm nahe stehen Großvater Slawa) scheint es immer wieder zu bereuen, dass er Schenka umgewandelt hat, aber er kann ihn nicht aufgeben – jetzt ist er buchstäblich sein eigenes Blut. Großvater Slawa hat noch weitere Schützlinge: Die Ermittlerin Anna und den Arzt Jean Iwanowitsch. Alle zusammen leben sie im modernen Smolensk, aber belästigen niemanden – sie trinken ausschließlich Blut von Blutspendern”, schreibt das Magazin Moskvich.mag zu dem Inhalt der Serie.
“Vampire der Midlands” ist eindeutig ein Durchbruch und der Beginn der modernen Kinematographie in Russland. Denn es ist ein kraftvoller Cocktail aus Krimi, Drama, Komödie und Thriller, ein Verweis auf die große russische Literatur, von Dostojewski bis Bulgakow, und eine ironische Entlarvung aller “Vampir”-Klischees. Der russische Filmkritiker Jaroslaw Sabalujew geht in Moskvich.mag auf das Phänomen der “Vampire” ein:
“‘Vampire der Midlands’ ist natürlich eher wie ‘The Addams Family’ – in dem Sinne, dass auch er in erster Linie ein Film über eine Familie ist. Dennoch vermeidet die Serie auf charmante Art und Weise offensichtliche Genre-Wendungen. Natürlich gibt es auch hier Witze über regierende Blutsauger und über Stars, die sich für das ewige Leben entschieden haben, aber sie erklingen dezent, halblaut, irgendwo am Rande des Geschehens. Im Zentrum steht ein schlaues Arrangement des provinziellen Vampirlebens, und die Erkenntnis, dass das heruntergekommene Smolensk mit seiner tausendjährigen Geschichte bereits eine hervorragende Kulisse für eine russische Version des Gothic-Genres ist. Sex gibt es hier auch fast keinen. Für die erotische Linie scheint der ehemalige Arzt Napoleons, Jean Iwanowitsch, zuständig zu sein, aber seine sinnlichen Pirouetten sind von einer charmanten Absurdität geprägt. Statt um Sex geht es hier, so lächerlich das auch erscheinen mag, um Fürsorge und Liebe.”
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Die Abwanderung westlicher Filmproduzenten war ein schwerer Schlag für die russischen Kinos und die gesamte Branche – wie von den Architekten der Sanktionen geplant. Aber im Ergebnis hat dies den russischen Filmmarkt gezwungen, sich weiterzuentwickeln. Dies wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn Disney, Paramount und andere auf dem russischen Markt geblieben wären. Viele in der Branche sehen darin eine einzigartige Chance, die russische Filmproduktion endlich in Gang zu bringen. Anton Maslow, der Regisseur der ersten Staffel von “Vampire der Midlands”, prophezeite beispielsweise in einem Interview, dass es in den kommenden Jahren viele gute und hochwertige Filmproduktionen in Russland geben werde. Alles in allem: Geben Sie dem russischen Kino noch ein paar Jahre, dann wird es mit Hollywood gleichziehen. Oder es vielleicht sogar überholen.
Das Leben “Made in Russia”
Die Aufnahmen zeigen atemberaubende Berglandschaften und gut ausgebaute Autobahnen, Jugendstilvillen und gemütliche Hotels. Während ich das Abendessen koche, läuft im Fernsehen der Sender “Mein Planet”. Heute geht es um Kislowodsk und Pjatigorsk, die Thermen des russischen Kaukasus, die von Puschkin, Lermontow, Tolstoi und anderen Stars der russischen Literatur geliebt wurden. Ich schaue mir historische Steinbäder und modernste Thermalpools an und überlege schon, wann ich dorthin fahren kann.
Vor der Pandemie war das Hauptthema von “Mein Planet” das Reisen ins Ausland – Europa, Amerika, Asien, was auch immer. Russland war rar gesät. Die Pandemie, die endlosen Lockdowns und Restriktionen änderten alles – Russen, denen die Möglichkeit genommen wurde, ins Ausland zu reisen, stürmten das eigene Land. Damals war die Infrastruktur noch nicht überall ausreichend, aber die ersten Schritte waren getan – ein Boom im Inlandstourismus begann.
Die 2022 vom Westen verhängten Sanktionen haben diesen Prozess vervollständigt. Jetzt erkunden russische Touristen Teile des Landes, von denen sie nicht einmal wussten, dass es sie gibt, und in den russischen Regionen entsteht eine Infrastruktur, die den Touristenströmen entspricht. Quasi aus dem Nichts. Auch das Regierungsprogramm zur Förderung des Inlandstourismus hat seinen Teil dazu beigetragen: Seit einem Jahr erhalten Inhaber der Karte Mir bei der Buchung von Russlandreisen einen beachtlichen Cashback.
Im Bild: Ein Burger King in einem Randbezirk von Moskau. Dora Werner
Und “Mein Planet” besteht inzwischen zu 80 Prozent aus Sendungen über Russland. Der Moderator Andrei Ponkratow zum Beispiel stellt in seiner Sendung “Zu Hause lebt es sich besser” Orte in Russland vor, die man leicht mit ihren ausländischen Pendants verwechseln kann, seien es die Schweizer Alpen, die französische Riviera oder die amerikanischen Canyons.
Russland zu bereisen ist heute trendy und stylisch – so wie es früher trendy war, in österreichische Skigebiete zu fahren und in italienischen Städten spazieren zu gehen. In den Glamour-Magazinen, die noch vor einem Jahr voll von Paris, New York oder London waren, dominieren jetzt die glamourösen Lieblingsorte russischer Touristen: Sankt Petersburg, Sotschi und Kasan.
Die Neujahrsferien haben bereits die Ergebnisse der Sanktionen gezeigt: Laut Delovoy Peterburg übertrafen die Touristenströme in russische Regionen in diesem Jahr die des Vorjahres um rekordverdächtige 15 Prozent. Einige Gebiete, wie das Gebiet Wologda, meldeten sogar einen Anstieg der Touristenströme um 61 Prozent.
Dabei waren die Russen nicht nur in den Süden, sondern auch in den Norden des Landes unterwegs. “Frost liegt wieder im Trend”, stellt Delovoy Peterburg fest und nennt neben dem Gebiet Wologda auch Karelien und Murmansk als weitere Renner unter den russischen Touristen.
Ähnlich sieht es in vielen anderen Branchen aus.
Dank der Sanktionen: Russischer Kunstmarkt wächst, wertvolle Werke verlassen das Land nicht mehr
Ein gutes Beispiel ist die Kosmetikindustrie.
Vor einem Jahr dominierten ausländische Marken die Regale der Geschäfte, Apotheken und Online-Marktplätze. Es schien unmöglich, ohne die Cremes und Shampoos europäischer Marken zu leben. Ein Jahr ist vergangen, und das Bild hat sich völlig gewandelt: L’Oréal und Nivea schmachten jetzt irgendwo am Rande, und der Markt wird zunehmend von russischen Marken erobert. Ich habe beispielsweise mindestens 30 russische Projekte gezählt, die in diesem Segment derzeit schnell an Popularität gewinnen.
Einige von ihnen beschäftigen sich mit “sauberer”, organischer Kosmetik, andere führen moderne wissenschaftliche Entwicklungen ein – und zwar nicht nur Peptide, die bereits überall beliebt geworden sind. So wird beispielsweise das von MSU-Wissenschaftlern entwickelte Molekül SkQ1 in der Kosmetik verwendet. SkQ1 ist eine einzigartige Anti-Aging-Komponente und ein Antioxidant. Es ist in der Lage, in die Zellen einzudringen und sich direkt am Ort der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und freier Radikale – in den Mitochondrien – anzureichern, was es tausendmal wirksamer macht als Coenzym Q10.
Der Boom guter russischer Kosmetika hat dazu geführt, dass sowohl Schönheitsexperten als auch fortgeschrittene Anwender ausländische Produkte zunehmend durch einheimische ersetzen. Und die ausländischen Firmen müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um auf einem Markt zu bleiben, der bis vor kurzem fast ausschließlich ihnen gehörte. So starteten L’Oréal und Nivea vor dem Jahreswechsel eine groß angelegte Werbekampagne im russischen Fernsehen, wie man sie schon lange nicht mehr gesehen hatte – in dem Versuch, die Verbraucher zurückzugewinnen.
Moskau: Handel zwischen Russland und der EU bricht ein
Ähnlich sieht es in anderen Branchen aus, von Baumaterialien bis zu Haushaltsgeräten. In ihrem Bestreben, Russland und die Russen zu bestrafen, hat die ausländische Wirtschaft sich selbst bestraft, indem sie einen riesigen Markt verloren hat. Und sie tat den russischen Herstellern einen Gefallen, indem sie dicht besetzte Marktnischen freimachte. Es stellte sich heraus, dass dies genau das war, worauf die einheimischen Unternehmer gewartet hatten, und sie haben die sich bietende Gelegenheit nicht verpasst. Und während die Russen früher lieber ausländische Artikel kauften, ist es jetzt in Mode gekommen, Russisches zu erwerben – und einheimische Artikel mit der Aufschrift “Hergestellt in Russland” genießen auf Internet-Marktplätzen wie Ozon (dem Pendant zu Amazon) besonderes Vertrauen.
“Ich hab’s begriffen: Alle, die Russland angreifen, werden bei Smolensk sterben”, sagt der Vampir Großvater Slawa in der russischen Erfolgsserie “Vampire des Midlands”. Und er weiß, wovon er spricht, denn er hatte in seinem tausendjährigen Vampirleben die Invasion der Tataren, der Litauer, der Franzosen und der Hitlerarmee durchgemacht. Die westlichen Sanktionen sind irgendwo dort – in der Nähe von Smolensk – offenbar gestorben, bevor das Land in Mitleidenschaft gezogen werden konnte.
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