Meinung
Klaro – Die Russen waren’s
Da die Einsparpotenziale trotz aller Appelle erschöpft zu sein scheinen, rechnen Experten mit der Rationierung von Gas und Strom, wenn die Bezugsmengen nicht erhöht werden können. Und danach sieht es im Moment nicht aus. Zwar strömen entgegen aller antirussischen Propaganda täglich immer noch 42 Millionen Kubikmeter russischen Gases durch die Ukraine nach Deutschland. Jedoch gibt es Streit wegen der Durchleitungsgebühren, was zur Aussetzung der Lieferungen führen kann, falls es zu keiner Einigung zwischen der Ukraine und Russland kommt.
Wenn auch die Nord-Stream-Pipelines zuletzt kein Gas mehr lieferten, so ist mit deren Sprengung die letzte Aussicht zerstört worden, im Notfall doch noch einer Öffnung zuzustimmen, ehe man die deutsche Wirtschaft aufgrund von Prinzipienreiterei zugrunde gehen lässt.
Deutsche Regierung entlastet
Dieser Möglichkeit haben die Urheber der Sprengung einen Riegel vorgeschoben. Das muss auch als die Absicht des Vorhabens angesehen werden. Für die Deutschen darf es kein Zurück in die Arme russischer Gasversorgung geben, selbst wenn es wirklich zu den Aufständen kommen sollte, über die die deutsche Außenministerin vorlaut und unüberlegt schwadroniert hat.
Diese Sprengung hat nun eine gesellschaftliche Diskussion ausgelöst, die besonders der deutschen Regierung in diesem Zusammenhang gar nicht so ungelegen kommen dürfte. Zwar steigen die Probleme der Energieversorgung, aber dank der Sprengung ist der deutschen Regierung die Entscheidung aus der Hand genommen. Der Gewissenskonflikt zwischen Einhaltung der Sanktionen und der Fürsorge gegenüber dem eigenen Volk ist nun gelöst. Sie kann Nord Stream 2 nicht mehr öffnen (Pipeline inzwischen wenigstens teilweise wieder einsatzbereit, Anm. d. Red.).
Insofern kann man fast sagen, dass der Regierung nichts besseres passieren konnte in dieser Notlage. Zudem wird sie durch die Spekulation über die Hintergründe und die Schuldigen fast in den Rang eines Opfers gehoben. Viele Kommentare sprechen gar von einer amerikanischen Kriegserklärung gegen Europa oder Deutschland. Das wird nicht zu der erhofften Konfrontation Deutschlands gegenüber den USA führen, die solche Kommentatoren sich anscheinend wünschen und zu der sie die deutsche Regierung und Brüssel vielleicht glauben anstacheln zu können.
Berlin und Brüssel sind keine Opfer der USA oder gar einer amerikanischen Kriegserklärung. Sie sind Akteure in diesem Konflikt mit Russland. Das verschwindet unter diesem versuchten Schulterschluss zwischen NATO-Gegnern und Regierung. Deutschland wird sich deshalb nicht gegen die USA und an die Seite Russlands stellen. Dafür sind die Konfrontationen mittlerweile viel zu weit fortgeschritten und die Gräben zu tief.
Ausblick
Befand sich die Stimmung in der Bevölkerung vor dem Knall in der Ostsee in einem Zustand zunehmender Erregung, so ist sie inzwischen zu einem hoffnungsvollen Abwarten abgekühlt. Das ist weniger der Sprengung zu verdanken als vielmehr der Aussicht auf Erleichterung der Lage durch die Milliarden des Doppelwumms. Daran wird sich erst etwas ändern, wenn erkennbar wird, dass er die Hoffnungen nicht erfüllt oder wenn es aufgrund unzureichender Lieferungen zur Rationierung von Gas und Strom kommen sollte.
Trotz der zunehmenden Erregung in der Bevölkerung war deren Mobilisierung besonders im Westen schwierig. Protest und Widerstand waren vereinzelt und auch nicht klar auf ein konkretes Ziel ausgerichtet. Dem Großteil der Bevölkerung ging es vorrangig um die Versorgungssicherheit, brachte diese Forderung aber nicht massiv zum Ausdruck. Sie verhielt sich passiv, nicht zuletzt auch weil es an einer Organisation fehlte, die dieses Interesse und nur dieses eindeutig vertrat.
Denn die noch aktiven Teile der Friedensbewegung demonstrierten für den Frieden in der Ukraine. Die Handwerkerbewegung um Karl Krökel trat auch für Frieden ein, andererseits aber auch für die Nöte der eigenen Betriebe und der Bevölkerung. Die große Industrie verhielt sich staatstragend neutral und bevorzugte diskrete Verhandlungen im Hinterzimmer mit den Vertretern der Regierung. Weiterer Protest scheint angesichts der veränderten Lage durch Doppelwumms und Vierfachbumms in der Ostsee in seiner Ausrichtung unklar und deshalb wenig erfolgreich. Wofür soll mobilisiert werden? Es gibt im Moment keine Kraft im Wertewesten, die sich für eine Reparatur der Pipelines stark machen dürfte. Ob Russland noch ein Interesse daran hat, ist fraglich. Eine Empfänglichkeit für Protest in der Bevölkerung dürfte erst wieder vorhanden sein, wenn sich die Hoffnungen nicht erfüllen und Gas und Strom rationiert werden.
Dass diese Situation aber eintritt, darauf müssen sich die Kräfte vorbereiten, die bisher den Protest getragen haben. Man muss die Zeit nutzen, um stabile und dauerhafte Kontakte zwischen denen herzustellen, die sich in der Bewegung besonders im Osten bisher hervorgetan haben. Das waren die Handwerkerschaften in Dessau, Leipzig und den anderen Kreisen. Das waren die Bürgermeister und Versorger, die Protest unterstützt und gefördert haben. Und das waren die Kräfte besonders im Osten, die die Organisation von Demonstrationen und Protesten getragen haben.
Sie alle oder Vertreter von ihnen müssten ein Gremium schaffen, in dem sich über die Lage und die Entwicklung ausgetauscht und das weitere Vorgehen abgesprochen wird, damit zukünftiger Protest nicht weiterhin vereinzelt stattfindet und damit relativ wirkungslos. Vor allem aber muss eine eindeutige Forderung her, und die muss sich an den Interessen derer orientieren, die mobilisiert werden sollen. Das ist die Frage der Versorgungssicherheit.
Denn eines dürfte klar sein. Wenn es nun noch einmal zu Unruhe in der Bevölkerung kommen sollte, dann nicht aus Angst vor eventuellen Bedrohungen, sondern jetzt aufgrund von Gefahren, die tatsächlich eingetreten sind.
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