Quelle: Gettyimages.ru Symbolbild.
Von Elem Chintsky
Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete am Montag über neueste Enthüllungen eines Insider-Ausverkaufs von israelischen Aktien – nur fünf Tage vor dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Haaretz bezieht sich dabei auf das kurz zuvor publizierte Forschungspapier von Joshua Mitts und Robert J. Jackson, Jr. namens “Trading on Terror?” (zu Deutsch: “Handelsgeschäft mit dem Terror?”).
Demnach sollen Finanzakteure gegen israelische Firmen gewettet haben – sie verkauften deren Aktien, bevor diese aufgrund des Überraschungsangriffs einen rasanten Preisabsturz erfuhren.
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Weder Jackson, Jr. noch Mitts sind Fremde in der Materie. Ersterer ist ein ehemaliger Beauftragter der US-Börsenaufsichtsbehörde, während Mitts bis heute ein Experte für sogenannte Leerverkäufe ist. Die Experten unterstrichen, dass ihre “Ergebnisse darauf hindeuten, dass Händler, die über die bevorstehenden Anschläge informiert waren, von diesen tragischen Ereignissen profitiert haben.” Apropos, Leerverkäufe sind Verkäufe von Aktien, von denen man ausgeht, sie würden sehr zeitig im Wert fallen.
Eines der wichtigsten Finanzinstrumente, die die beiden analysierten, ist der EIS (MSCI: Israel Exchange-Traded Fund, oder NYSE: EIS) – ein börsengehandelter Fonds, der israelische Wertpapiere, welche an der New Yorker Börse gehandelt werden, überwacht. Es handelt sich dabei um eine Anlageoption, die es ermöglicht, auf israelische Aktien zu wetten, ohne welche zu kaufen. Anders ausgedrückt: Man kann damit im Rahmen einer vorübergehenden “Leihgabe” hantieren.
Leerverkäufe en masse
Jemand, beziehungsweise ein Kollektiv aus bisher anonymen Insidern, wettete nur Tage vor dem Angriff am 7. Oktober gegen den israelischen EIS. Sowohl auf der Tel Aviv Stock Exchange (TASE) als auch auf der New York Stock Exchange (NYSE) wurden abnormale Höhen an Leerverkäufen verzeichnet. Besonders der 2. Oktober fällt auf im Extrem: 227.000 solcher EIS-Einheiten sollen in Leerverkauf-Transaktionen die Hände gewechselt haben.
Üblicherweise werden wenige tausend solcher Transfers am Tag getätigt. Die Experten und auch Haaretz sind überzeugt: Das Maß an Kalkül übersteigt in der Retrospektive jeglichen Verdacht auf glücklichen oder tollkühnen Leichtsinn. Wer auch immer diese Leerverkäufe veranlasste, war zuversichtlich und überzeugt, dass den Staat Israel schon sehr bald eine Tragödie heimsuchen würde. “Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass das Volumen der Leerverkäufe am 2. Oktober zufällig zustande kam”, versichern Mitts und Jackson, Jr. in ihrer jüngsten Forschungsarbeit.
Der Wert des Finanzproduktes war schon am 11. Oktober um über 7 Prozent gesunken. Drei Wochen nach dem Hamas-Angriff war bereits ein steiler Absturz um über 17 Prozent zu verzeichnen. Normalerweise würde nach dem Sturz die Anlage im Preis-Tal zurückgekauft und erst wieder verkauft werden, wenn der Preis sich wieder stabilisiert hat. Genau das ist geschehen. Wenn man heute auf den Preis des EIS – den de facto Index der israelischen Wirtschaft – schaut, so zeigt er Niveaus von vor dem Hamas-Angriff.
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Es gab im letzten Vierteljahrhundert einige Krisen, die Israel durchlaufen hat. In keiner dieser Krisen seien solche verdächtigen Leerverkäufe getätigt worden, heißt es in dem Artikel. Ein weiteres klares Indiz, dass es sich um zuversichtliches Vorwissen über den damals noch in der Zukunft liegenden Angriff gehandelt haben muss, ist der Fakt, dass Leerverkäufe eine äußerst riskante Finanzmarkt-Disziplin darstellen. Je größer das Volumen, umso höher ist das Risiko, den gesamten Einsatz zu verlieren, sofern der Preis letztendlich nicht fällt. Das Volumen bei der “Wette gegen Israel” ist geradezu präzedenzlos. Im Ausmaß ließe sich das mit dem “schwarzen Mittwoch” von 1992 vergleichen, als George Soros gegen das Pfund Sterling wettete, dabei fast “die Bank of England brach” und an einem Tag eine Milliarde US-Dollar verdiente.
Dass die Hamas einen in solchen Maßstäben verschleierten Kommunikationskanal mit ihren vermeintlich loyalen und extrem einflussreichen Finanz-Insidern an der Wall Street und im israelischen Finanzmarkt aufrechterhalten konnten, ohne, dass US-amerikanische und israelische Geheimdienste auf solche konspirativen Positionierungen im Voraus aufmerksam geworden wären, ist fraglich. Laut dem Bericht wurden über eine Milliarde US-Dollar verdient – nur einige Millionen davon sollen aber an die Hamas gegangen sein.
Bei einer solchen Ratio erscheint der Anteil der Hamas eher wie eine symbolische Aufwandsentschädigung für den Angriff am 7. Oktober, als dass sie der Hauptprofiteur wären. Doch wenn dem so ist: Wer sind die eigentlichen, hauptberuflichen Wucherer, die sich den tragischen Tag Israels – an dem über 1.200 größtenteils israelische Zivilisten umgekommen sind – so erbarmungslos zunutze gemacht haben? Die US-amerikanischen und israelischen Ermittlungen dazu laufen erst noch an.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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