Beteiligung der Geheimdienste an hybrider Kriegsführung gegen Iran – hohe Opferzahl bei Unruhen
Die beste Bewertung eingehender Informationen erhält man dann, wenn zum einen die Personen, die bestimmte Länder bearbeiten, schon ein gewisses Niveau an Vorkenntnissen besitzen, und zum anderen, wenn der Kreis der Personen, die die Informationen bearbeiten, möglichst unterschiedliche Anschauungen mitbringt. Warum? Weil jeder Mensch dazu neigt, Dinge, die der eigenen Überzeugung konträr laufen, zu übergehen. Die einzige Möglichkeit, dieses Phänomen der kognitiven Dissonanz unter Kontrolle zu halten, ist, die Blickwinkel, unter denen eine bestimmte Menge Daten betrachtet wird, möglichst weit zu fächern.
Nun muss man berücksichtigen, dass die Kernaufgabe nicht darin besteht, zu berichten, was der französische Präsident mit seiner Frau frühstückt. Aber die Information, dass es Pläne gibt, Nord Stream zu sprengen, wäre ein Beispiel für eine Information, die für das Wohl nicht nur des staatlichen Apparats, sondern des Landes bedeutend ist. Was wäre mit einer solchen Information geschehen, wäre sie irgendwo aufgesammelt worden?
Vermutlich wäre sie auf der oberen Ebene, beim Referatsleiter oder spätestens im Kanzleramt, stecken geblieben. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das vernünftige Verhalten hätte darin bestanden, diese Information zu nutzen; entweder, indem man ein paar eigene Schiffe in die Nähe zum Üben schickt, oder indem man die vermeintlichen Freunde, die daran arbeiteten, anruft und ihnen mitteilt, dass das nicht nett ist und man leider entsprechend reagieren müsse, oder am besten beides gleichzeitig. Aber wenn die Information aufgehalten wird, ist eine Reaktion unmöglich.
Wohlgemerkt, diese Probleme bestehen immer. Wenn aber eine tiefere Krise gegeben ist, ist die Reaktion innerhalb des Apparats, die Zügel zu straffen. Was heißt, es wird weitaus stärker darauf geachtet, dass die Mitarbeiter “auf Linie” sind; man muss nur einmal an Nancy Faeser und ihre Beweislastumkehr denken, um zu verstehen, wie das aussieht.
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Das heißt beispielsweise, ab Abteilungsleiter aufwärts ist niemand mehr zu finden, der nicht auf die NATO-Positionen geeicht ist. Unter Umständen noch schlimmer – schon die Personen, die die einlaufenden Informationen bewerten, sind entsprechend ausgewählt. Wenn man sich die Paranoia, die beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte, als er Beamte seines eigenen Ministeriums, die ihm widersprochen hatten, vom Verfassungsschutz überprüfen ließ, ob sie nicht russische Agenten seien, auf die Ebene der Informationsanalyse angewandt vorstellt, wird tatsächlich das geschaffen, was man eine Echokammer nennt.
Nun weiß man auch aus der Welt der gewöhnlichen Nachrichten, dass eine Bestätigung des Üblichen, etwa, dass die Sonne im Osten aufgeht, keine Nachricht ist. Abweichung vom Status quo, Abweichung vom Erwarteten, ist schon Voraussetzung der Nachrichteneigenschaft selbst. Unsere hypothetische Information, eine befreundete Macht beabsichtige eine Sprengung von Nord Stream, ist in diesem Sinne definitiv eine Nachricht. Aber es ist eine Nachricht, die auf starke Hindernisse stieße, wie schon aus der Formulierung “befreundete Macht” erkennbar.
Sie ist aber auch ein Beispiel dafür, dass genau die existenziell wichtigen Information, die, für deren Erlangung man den ganzen Zirkus überhaupt am Laufen hält, üblicherweise stark abweichende Informationen sind, die besonders schwer “nach oben” gelangen können.
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Allerdings dürfte das noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik so schwer gewesen sein wie heute. Denn es gibt noch weitere Faktoren, die das Risiko der Echokammer erhöhen. So wird das Personal beispielsweise aus den Universitätsabsolventen rekrutiert. Je stärker die Schulbildung und die Universitäten “auf Linie” gebracht sind, desto stärker ist der Filter, den sie bereits mitbringen. Sie haben eine Weltsicht, die sich unter anderem durch den Konsum der Massenmedien geformt hat. Das Spektrum der in diesen vertretenen Meinungen hat sich im Verlauf der letzten 30 Jahre immer weiter verengt. Es bedürfte also bereits gezielter Bemühungen, um die eigentlich für eine sinnvolle Bewertung erforderliche Bandbreite zu erhalten.
Allerdings ist da dieser Diskurs über “Delegitimierung des Staates”, der darauf hinweist, dass sich beträchtliche Teile des staatlichen Apparats nicht mehr sicher fühlen. Sie spüren, dass ihre Legitimität schwächelt. Die übliche Reaktion darauf ist eine stärkere Binnenkontrolle. Was eine nette Idee für die Polizei sein mag, aber eine verhängnisvolle für Nachrichtendienste.
Man könnte das als Grundregel zusammenfassen – je schwächer sich eine staatliche Struktur fühlt, desto stärker die Tendenz, das eigene Personal nach Übereinstimmung auszuwählen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass Organisationen wie Nachrichtendienste ihre Aufgabe in kritischen Momenten (und das ist der alles entscheidende Teil dieser Aufgabe) überhaupt erfüllen können.
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Dazu kommt noch ein weiterer Faktor – es geht nicht immer um bestätigte Informationen. Bestätigt ist eine Information erst, wenn sie aus zwei voneinander unabhängigen Quellen stammt. Das ist heutzutage bei allen öffentlich zugänglichen Quellen schon schwierig, weil es sehr wenige Nachrichtenagenturen sind, die alle Medien versorgen, man also in zehn verschiedenen Zeitungen aus drei verschiedenen Ländern dieselbe Meldung finden kann, sie letztlich aber auf eine einzige Quelle zurückgeht.
Je sicherer die Information ist, desto geringer ist das Risiko für die Person, die sie weiterreicht. Man darf schließlich nie vergessen, dass alle Personen auf allen Positionen der Kette, die unsere Information hinaufklettern muss, ein Interesse an der eigenen Karriere haben; und sich für eine Information einzusetzen, die letztlich widerlegt wird, ist nicht karrierefördernd. Allerdings gilt gleichzeitig: Je bedeutender die Information ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass rechtzeitig zwei unabhängige Quellen aufgetan werden können.
Nehmen wir einmal an, die Information über einen geplanten Anschlag auf Nord Stream wäre irgendwo im beiläufigen Gespräch zweier Mitarbeiter verschiedener Botschaften aufgeschlagen; gar nicht als Hauptgesprächsthema, womöglich noch halb im Scherz oder nach dem Konsum größerer Mengen Alkohols. So etwas passiert. Diese Information wäre dann in den Apparat eingespeist worden.
Wie groß wäre die Neigung, sich mit einer Information aus dem Fenster zu lehnen, die nicht nur unbestätigt ist, sondern zugleich auch den Vorstellungen von Bündnistreue etc. konträr zuwiderläuft? Hätte sie es bis zum Abteilungsleiter geschafft, oder hätte schon der erste Sachbearbeiter sie unauffällig versenkt, einfach als Gerücht einsortiert? Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Bröckchen Information es bis ins Bundeskanzleramt schafft, ist sehr gering. Bis dahin hätte es aber kommen müssen, um überhaupt Reaktionen auslösen zu können; was noch nicht besagt, dass es diese Reaktionen tatsächlich gegeben hätte.
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Während man also auf der einen Seite davon ausgehen kann und muss, dass alle erforderlichen Informationen vorliegen, über die Angriffsvorbereitungen der Ukraine gegen den Donbass Anfang des vergangenen Jahres beispielsweise, über den dort herrschenden Nazismus, über die wirklichen militärischen Verhältnisse, über alle zentralen Ereignisse wie beispielsweise Odessa, so muss man auf der anderen Seite aus dem Gesamtzustand der Republik schließen, dass diese Kenntnisse keinerlei Einfluss auf die politischen Entscheidungen mehr haben. Das ändert nichts an der Verantwortung der Akteure, die diese Kenntnisse zumindest haben könnten, wenn sie wollten. Aber es ändert etwas an der Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann Vernunft einzieht.
Die Reaktion auf die “falsche” Information, die Johnson beschreibt, dürfte mittlerweile die Regel sein. So viel zum praktischen Nutzen des zweitgrößten Bürogebäudes der Welt, das sich der BND in Berlin gegönnt hat. Das Ergebnis ist ein völlig erblindeter Apparat, der nicht nur vielleicht, sondern mit Sicherheit alle Informationen übergeht, die er dringend beachten müsste.
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