Das grundlegende Verständnis von der inneren Struktur der Erde hat sich seit Anfang des letzten Jahrhunderts nicht verändert, jedoch machen Wissenschaftler ständig neue Entdeckungen und verdeutlichen die Struktur und Zusammensetzung des inneren Aufbaus unseres Planeten. So wurde erst unlängst klar, dass der innere Kern der Erde in einem Winkel zur Rotationsachse des gesamten Planeten rotiert. Eine weitere wichtige Entdeckung waren zudem Erkenntnisse über eine neue Art von Vulkanismus, der durch Strukturen im unteren Erdmantel verursacht wird. Der stellvertretende Direktor des Instituts für Geophysik an der Russischen Akademie der Wissenschaften und Professor am Geologischen Institut der Moskauer Staatlichen Universität (MGU) Roman Weselowski (RW), Doktor der geologisch-mineralogischen Wissenschaften, erläuterte diese Zusammenhänge näher in einem Interview mit RT. Zudem erklärte er, wie sich die mögliche Verschiebung magnetischer Pole der Erde auf das menschliche Leben auswirken kann und warum Vulkanausbrüche nicht früher als ein paar Tage im Voraus vorhergesagt werden können.
RT: Roman Witaljewitsch, was weiß die heutige Wissenschaft über die Tiefenstrukturen der Erde, etwa über die Rotationsgeschwindigkeit des Kerns unseres Planeten?
Roman Weselowski (RW): Fangen wir damit an, dass die Erde einen äußeren flüssigen Kern und einen inneren festen Kern hat. Den Wissenschaftlern ist seit relativ langer Zeit bekannt, dass der feste Kern schneller rotiert als der Mantel des Planeten. Es war jedoch sehr schwierig, die Geschwindigkeit dieser Rotation – Superrotation genannt – abzuschätzen, da der innere Kern erst in einer Tiefe von 2.900 km beginnt. Allerdings haben Wissenschaftler aus Südkalifornien in einer aktuellen Studie neue Ansätze verwendet, um das Verhältnis der Rotationsrate des inneren Kerns zur äußeren Schale des Planeten besser abzuschätzen. Es konnte festgestellt werden, dass sich der innere Kern um 0,1 Grad pro Jahr schneller dreht als die äußere Schale. Das Wichtigste ist jedoch, dass man zum ersten Mal die Ausrichtung der Rotationsachse des Kerns bestimmen konnte, von der man annahm, dass sie mit der Rotationsachse der Erde als Ganzes übereinstimmt, was sich als falsch herausstellte: Die Rotationsachse des Kerns ist um 8 Grad zur Rotationsachse der Erde geneigt.
RT: Wie veränderten sich die Vorstellungen der Wissenschaftler von den Tiefenstrukturen des Erdinneren in den letzten Jahren?
RW: Die Basis für das heutige Verständnis des Erdinneren wurde im frühen zwanzigsten Jahrhundert mit der Entwicklung der Seismologie gelegt. Die wirklich erstaunlichen Erkenntnisseder jüngsten Zeit betreffen die Zusammensetzung des Erdinneren, was mit den Entwicklungen in der Geochemie und Petrologie, aber auch mit dem Aufkommen numerischer und physikalischer Modellierung physikalischer und chemischer Bedingungen im Erdkern und Erdmantel einherging. Wir wissen weiterhin, dass es den oberen und unteren Erdmantel, den inneren und äußeren Erdkern gibt, doch in der Struktur können wir neue Zonenausmachen, die der Wissenschaft bisher unbekannt waren.