Vučić: Jeder Politiker auf der Welt weiß, wer Nord Stream gesprengt hat
Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass nur die zwei kleineren Oppositionsparteien Linke und AfD offenbar Interesse zeigen, diesen historisch einmaligen Sabotageakt aufzuklären und mit parlamentarischen Anfragen diesbezüglich Druck zu machen. Die mit Abstand größte Oppositionsfraktion im Bundestag, die CDU/CSU, hat keine einzige Anfrage oder schriftliche Frage dazu an die amtierende Bundesregierung formuliert. Das erstaunt, immerhin sprechen wir hier von der Zerstörung eines milliardenschweren Energieprojektes zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, das federführend von der damaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel vorangetrieben wurde. Die Linksfraktion weist in der erwähnten Anfrage zudem darauf hin, dass mit einer Transportkapazität von jährlich bis zu 110 Milliarden Kubikmetern Erdgas die vier Stränge von Nord Stream den gesamten Erdgasverbrauch Deutschlands als Industrienation hätten sichern können. 2021 betrug der gesamte bundesdeutsche Erdgasverbrauch 90,5 Milliarden Kubikmeter.
Neben der Union zeigt auch die regierende Ampelkoalition sichtlich kein Interesse an Aufklärung und sagt dies auch ganz offen. Exemplarisch für diese Haltung steht der Redebeitrag des SPD-Bundestagsabgeordneten Timon Gremmels am 28. September für die Koalition im Rahmen einer “Aktuellen Stunde” aus Anlass der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines:
Das muss man erst mal sacken lassen. Der Vertreter der größten Regierungspartei erklärt im Rahmen einer extra einberufenen Aktuellen Stunde im Bundestag wegen eines mutmaßlichen Terroranschlags wortwörtlich:
Wir dokumentieren in Folge alle Fragen, deren Beantwortung die Bundesregierung mit Verweis auf “Geheimhaltungsinteresse” in der Anfrage verweigert hat. Daraus wird auch ersichtlich, mit welcher Willkür die Bundesregierung die Begründung eines angeblichen “Geheimhaltungsinteresses” einsetzt:
1. Sind der Bundesregierung die Äußerungen von Prof. Dr. Jeffrey Sachs, Professor an der Columbia University in New York, bekannt, der in einem Live-Interview mit dem internationalen TV-Nachrichtensender Bloomberg davon sprach, es gebe Radaraufzeichnungen, die belegten, dass kurz vor dem Sabotageakt “US-Militärhubschrauber, die normalerweise in Danzig stationiert sind, über dem Gebiet kreisten” (in dem die mutmaßlichen Anschläge stattfanden), hat sie sich hierzu eine Positionierung erarbeitet, wenn ja, wie lautet diese und welche Schlussfolgerungen hat sie ggf. für sich daraus gezogen?
2: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, und wenn ja, welche, über eine eventuelle Sabotage von Nord Stream durch die russische Marinebrigade 561?
3. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Medienbericht zu, dass jede der vier Sprengsätze etwa 500 Kilogramm TNT beinhaltet haben dürfte?
4. Hat sich die Bundesregierung eine Haltung dazu erarbeitet, welcher Akteur bzw. welche Akteure nach ihrer Einschätzung
a) ein Motiv für derartige Anschläge besäßen und/oder
b) die technischen und personellen Möglichkeiten für derartige Anschläge besäßen,
und wenn ja, wie lautet diese ggf.?
5. Hat sich die Bundesregierung eine Positionierung zu der Tatsache erarbeitet, dass Gazprom bzw. russische Behörden als Geschädigte nicht an den Untersuchungen beteiligt sind, ist der Bundesregierung bekannt, warum Gazprom bzw. russische Behörden als Geschädigte nicht an den Untersuchungen beteiligt werden, bzw. ist die Bundesregierung dafür eingetreten, dass dies erfolgt oder warum ggf. nicht (bitte ggf. jeweils ausführen)?
6. Sind russische Behörden an die Bundesregierung oder an deutsche Behörden herangetreten, um an den Untersuchungen zu den mutmaßlichen Anschlägen an den Nord-Stream-Leitungen teilzunehmen?
7. Ist der Bundesregierung bekannt, inwiefern russische Behörden ggf. an die dänische bzw. schwedische Regierung herangetreten sind bzw. an Behörden der beiden genannten Staaten, um an den Untersuchungen zu den mutmaßlichen Anschlägen an den Nord-Stream-Leitungen teilzunehmen und welche Antwort ihnen ggf. beschieden wurde (wenn ja, bitte ausführen)?
8. Ist der Bundesregierung bekannt, ob, und wenn ja, inwieweit die Betreibergesellschaften für Nord Stream 1 bzw. 2 an den Untersuchungen beteiligt sind bzw. waren (bitte erläutern)?
9. Welche Untersuchungen vor Ort wurden im Zusammenhang mit den Sabotageakten von welchen Ländern nach Kenntnis der Bundesregierung zu welchen Zeitpunkten bislang angestellt?
10. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Medienbericht zu, dass neben Deutschland, Schweden und Dänemark auch die USA eigene Ermittlungen durchführen?
11. Sind der Bundesregierung ggf. Ermittlungen durch andere Staaten als die in Frage 21. genannten sowie Russland bekannt (wenn ja, bitte ausführen)?
12. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Ermittlungen Russland unternimmt oder ist ihr bekannt, ob die Regierungen Dänemarks bzw. Schwedens bzw. Behörden der beiden genannten Länder mit den russischen Pendants in Kontakt stehen oder warum ggf. nicht und steht die Bundesregierung oder stehen deutsche Ermittlungsbehörden selbst mit diesen russischen Pendants in Kontakt?
13. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Medienbericht zu, dass es einen regelrechten Wettlauf um Beweismaterial gebe oder gegeben habe, das sich womöglich auf dem Meeresgrund befinde und welche Schlussfolgerungen hat sie ggf. daraus gezogen?
14. Hat sich die Bundesregierung eine Haltung dazu erarbeitet, was einer schnellen Aufklärung der Anschläge bislang entgegensteht und wie lautet diese ggf.?
15. Trifft der Medienbericht zu, dass sich in der 41. Kalenderwoche, also rund zwei Wochen nach den Anschlägen, Bundespolizisten in Zusammenarbeit mit der Bundesmarine zu den Tatorten begeben und mit Hilfe einer Unterwasserdrohne Aufnahmen gemacht haben?
a) Wenn ja, war dies der erste Aufenthalt deutscher Ermittler an den Tatorten oder gingen ihnen ein oder mehrere Aufenthalte voraus?
b) Wann wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von deutschen Ermittlern ggf. sämtliche Tatorte aufgesucht?
c) Wenn ja, welche Behörden waren daran jeweils beteiligt (bitte aufschlüsseln)?
d) Wenn ja, ist das Bundeskriminalamt in die Untersuchungen eingebunden und wenn ja inwiefern?
16. Kann die Bundesregierung den Bericht der schwedischen Zeitung “Expressen” bestätigen, dass ein mindestens 50 Meter langer Teil einer Pipeline fehlt?
Bei all den aufgeführten 16 Fragen verweigert die Bundesregierung, wie bereits erwähnt, jegliche Antwort mit Verweis auf ein angebliches “Geheimhaltungsinteresse”. Was aber soll bitte bei Fragen, ob das BKA in die Untersuchungen eingebunden ist, wann das erste Mal deutsche Ermittler beim Tatort waren, welche Akteure nach Einschätzung der Bundesregierung ein Motiv für den Anschlag hätten oder ob es Kontakte mit russischen Behörden gibt, ein so hohes Geheimhaltungsinteresse rechtfertigen? Und dies wohlgemerkt gegenüber Bundestagsabgeordneten, die eigentlich mit besonderen Fragenrechten zur Kontrolle der Exekutive ausgestattet sind und der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht, Informationsansprüche des Bundestages zu erfüllen.