Meinung

Werden EU-Grenzbeamte russische Bürger wirklich zwingen, sich auszuziehen?

Werden EU-Grenzbeamte russische Bürger wirklich zwingen, sich auszuziehen?

Quelle: www.globallookpress.com © LausitzNews.de/Erik-Holm LanghofGrenzkontrolle (Symbolbild)

Von Iwan Timofejew

In Russland haben die Nachrichten über die Klarstellungen der Europäischen Kommission zur Einfuhr sanktionierter Waren durch unsere Bürger für Aufregung gesorgt. 

Nun sieht es so aus, dass ein ganz normaler Russe, der in ein EU-Land einreist, mehr als nur sein Auto verlieren kann. Es können auch Mobiltelefone, Kameras, Toilettenpapier, Edelmetallprodukte, Zigaretten, Kosmetika, Seife, Koffer und Taschen beschlagnahmt werden. Und gegebenenfalls auch Frauenkleidung und andere Gegenstände. 

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Mit anderen Worten: Die Zollbeamten haben die Befugnis, Russen beim Überschreiten der Grenze buchstäblich auszuziehen. Bislang mag dies noch nicht geschehen sein, aber es ist nicht auszuschließen.

Im Rahmen seiner Sanktionspolitik gegen Moskau wegen des Ukraine-Konflikts hat Brüssel die Einfuhr einer breiten Palette russischer Waren verboten, darunter auch eine Reihe von Artikeln für den persönlichen Gebrauch. Im Juli 2023 gab es die ersten Anzeichen dafür, dass solche Gegenstände vom Zoll beschlagnahmt werden könnten. Damals waren es die Autos von Russen, die von deutschen Beamten festgehalten wurden. Die Europäische Kommission hat daraufhin hinsichtlich der Umsetzung der EU-Regelungen durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden klargestellt: Die Einfuhr von sanktionierten Waren ist verboten, auch wenn diese für den persönlichen Gebrauch bestimmt sind. 

Wird diese Regelung buchstabengetreu angewandt, könnte dies zu absurden Situationen führen.

Die Politik der EU gegenüber Russland umfasst eine breite Palette von Embargos. Dazu gehören die Blockierung von Finanzsanktionen, sektorale Beschränkungen, Transport- und Visumsverbote, Ausfuhrkontrollen für eine breite Palette von Produkten und ein Verbot der Einfuhr vielfältiger Waren aus dem Land.

Ziel dieser Maßnahme ist es, Moskau die Einnahmen aus dem Verkauf dieser Güter auf den Märkten der EU-Mitgliedstaaten zu entziehen. Brüssel hat die Einfuhr einer Reihe strategischer Rohstoffe aus Russland verboten – darunter Erdöl, Erdölprodukte, Kohle, eisenhaltige Metallurgieprodukte und Gold.

Auch eine Reihe anderer Rohstoffe wurde verboten. Diese Bestimmung ist im Artikel 3i der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates verankert. Die direkte oder indirekte Einfuhr solcher Waren aus Russland in die EU sowie die Erbringung von Vermittlungs- und Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Waren ist verboten. Anhang XXI enthält die Liste der Bezeichnungen. Sie ist sehr vielfältig und umfasst Kaviar, Zement, chemische Erzeugnisse, Düngemittel, Seife, Gummi, Papier, Pumpen, Kühlschränke, Lager, Motoren, Telefone, Autos, Kameras und viele andere. Es liegt auf der Hand, dass Sendungen mit solchen Waren keine Chance haben, durch den Zoll zu kommen.

Was aber, wenn ein russischer Bürger einen bestimmten Gegenstand für den persönlichen Gebrauch mit sich führt? Das offensichtlichste Beispiel ist die Einreise in die EU mit einem Privatfahrzeug. Anfang Juli dieses Jahres stellte der deutsche Zoll klar, dass die Einreise nach Deutschland mit einem Privatfahrzeug ein Grund für dessen Beschlagnahmung ist. Der deutsche Zoll ging nämlich davon aus, dass Artikel 3i der Verordnung 833/2014 keine Ausnahmen für Waren zum persönlichen Gebrauch vorsieht. Er enthält allerdings einen Absatz 3a, der die Einfuhr von Waren zum persönlichen Gebrauch durch EU-Bürger und ihre Familienangehörigen erlaubt. 

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Dieser gilt jedoch nicht für russische Staatsbürger. Die deutsche Staatsanwaltschaft stellte später ihre Ermittlungen ein. Der betroffene Audi Q3 wurde dem russischen Staatsangehörigen Iwan Kowal zurückgegeben. Mit anderen Worten: Die buchstabengetreue Erfüllung der EU-Vorschrift durch den deutschen Zoll wurde durch den gesunden Menschenverstand der Staatsanwaltschaft kompensiert.

Doch nach einigen Monaten bestätigte die Europäische Kommission die deutsche Zollmaßnahme. Am 8. September wurde eine Klarstellung veröffentlicht. Darin heißt es, dass die Norm des Artikels 3i nicht zwischen Autos zum Verkauf und Autos zum persönlichen Gebrauch unterscheidet. Mit anderen Worten: Die Zollbehörden der EU-Länder können sich nun auf den deutschen Präzedenzfall berufen und auf der Grundlage der Klarstellung der Kommission in Russland zugelassene Autos beschlagnahmen. Die Klarstellung berührt auch andere Waren aus Anhang XXI der Verordnung 833/2014. Wie bereits erwähnt, bedeutet dies in der Theorie, dass Zollbeamte die Macht haben, Russen buchstäblich nackt auszuziehen. 

Mehrere praktische Überlegungen sind hierbei von Bedeutung. Erstens bringt die Sanktionsregelung potenziell jeden russischen Bürger, der die EU-Grenze überquert, in eine verwundbare Position. Natürlich variiert die Durchsetzung des EU-Rechts von Land zu Land. In einigen Staaten kann der Zoll übereifrig sein, wie es im Juli in Deutschland der Fall war. In anderen wiederum nicht so sehr – oft bis zur Absurdität.

Für den durchschnittlichen Russe ist jedoch im Voraus kaum absehbar, was ihn erwarten wird. Zwar können auch russische Bürger theoretisch versuchen, die Zollentscheidung vor Gericht anzufechten. Aber nicht jeder wird in der Lage sein, einen so langwierigen Prozess zu führen, der mit Anwaltskosten und Zeitaufwand verbunden ist. Und es ist bei Weitem nicht sicher, dass das Gericht ihnen recht geben wird. 

Russische Touristen sind mutig – sie reisen in extremere Länder, in denen die Beschlagnahmung von Toilettenpapier oder einer Kamera trivial erscheinen mag. 

Sollte sich diese Praxis jedoch durchsetzen, wäre dies ein weiterer Nagel im Sarg der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Russland und der EU. Zu den früheren Problemen gehörten strengere Visaregelungen, das Verbot von Geldeinlagen über einen bestimmten Betrag hinaus und das willkürliche Einfrieren von Konten russischer Staatsangehöriger durch EU-Banken allein aufgrund ihrer Nationalität – nur für den Fall der Fälle. 

Der Lauf der Zeit und die praktische Umsetzung der Regeln werden aufzeigen, wo die Eskalation solcher Absurditäten ihre Grenzen findet.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich vom Waldai Diskussionsclub veröffentlicht und vom RT-Team übersetzt und bearbeitet.

Aus dem Englischen.

Iwan Timofejew ist Programmdirektor des Waldai-Clubs und Generaldirektor des russischen Rates für internationale Angelegenheiten.

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