Meinung
Nachdenken über die Pressefreiheit: Aufgabe von Journalisten ist es nicht, Kriege zu gewinnen
Meyer besteht jedoch darauf, dass diese übergeordnete Kontrolle die journalistische Integrität der Radioprogramme nicht beeinträchtigt habe.
Während Meyer steif und fest behauptete, dass in den Radiostationen keine Agenten operierten, führte das Personal dennoch detaillierte Aufzeichnungen darüber, was sie in den verschiedenen Ländern, in denen sie arbeiteten, beobachteten. Mit anderen Worten: Sie lieferten der CIA Informationen. Und selbst nachdem der US-Kongress 1972 die CIA-Finanzierung von RFE/RL beendet hatte – die Finanzierung übernahm ab diesem Zeitpunkt der US-Kongress selbst – blieb der Hauptzweck der Nachrichtenorganisation darin bestehen, antikommunistische Programme in den Ostblock zu senden. Zumindest solange, bis die kommunistischen Regierungen in Osteuropa und dann schließlich auch die Sowjetunion zusammenbrachen.
Natürlich beansprucht RFE/RL offen für sich die Ehre, diesen endgültigen Zusammenbruch herbeigeführt zu haben, da man dort glaubt, durch den Einfluss des Senders den Rückhalt für die verschiedenen kommunistischen Regierungen geschmälert zu haben. Für diese Behauptung kam Unterstützung vonseiten nicht geringerer Persönlichkeiten als Boris Jelzin oder Václav Havel. Letzterer lud RFE/RL nach dem Zusammenbruch des Ostblocks dann sogar ein, von seinem ursprünglichen Hauptsitz in München nach Prag zu ziehen.
Als jemand, der in den 1970er und 1980er Jahren aufgewachsen ist, erinnere ich mich ziemlich lebhaft an die unaufhörlichen Klagen, dass die Sowjetunion die Signale von Radio Liberty stören würde. Das sei der Beweis, so wurde uns gesagt, dass Moskau einfach nicht mit der Wahrheit umgehen könne. Das kommt mir jetzt deshalb in den Sinn, weil das Mutterhaus von RT DE , für das ich diesen Artikel schreibe, eine in Russland ansässige Nachrichtenagentur ist, die in den USA eingeschränkt und in der EU komplett verboten wurde. Man darf sich also durchaus fragen, was das heute über die EU und die USA aussagt.
RFE/RL mag als ein Relikt aus der vergangenen Ära des Kalten Krieges erscheinen, als die USA und die Sowjetunion um die Herzen und Hirne der Welt wetteiferten. Zwar ist der Kalte Krieg offiziell vorbei, aber es scheint, dass die namhaften Mainstream-Kanäle – wie Fox, CNN und MSNBC – heute die Rolle von RFE/RL übernommen haben. Und dennoch existiert der Sender bis heute, und im Zuge der aktuellen Krise in der Ukraine – die manche als Beginn eines neuen Kalten Krieges betrachten –wurde ihm tatsächlich neues Leben eingehaucht.
Die Tatsache, dass RFE/RL trotz des Zusammenbruchs der Sowjetunion im Jahr 1991 kontinuierlich weitergesendet hat, wirft jedoch die Frage auf, ob der erste Kalte Krieg überhaupt jemals beendet wurde. Sicherlich glauben einige Beobachter – der Autor eingeschlossen –, dass die Pattsituation nicht zu einem wirklichen Abschluss kam. Und wir bemühen uns, den Grund dafür zu verstehen. Ich stimme diesbezüglich John Feffer zu, der 2014 in Foreign Policy in Focus schrieb:
“Im Kalten Krieg ging es nicht nur um eine Konfrontation zwischen ideologischen Feinden. Die Sowjetunion schied zwar aus diesem Wettbewerb aus, aber Russland konzentriert sich unter Putin weiterhin auf die Belange entlang seiner Grenzen, im Gegensatz zur UdSSR, die nach globaler Hegemonie strebte. Die USA hingegen haben ihre Haltung nicht geändert. Und das ist letztendlich der Grund, warum der Kalte Krieg nie begraben wurde.
Wenn Washington die NATO aufgelöst, auf nukleare Abrüstung gedrängt und dazu beigetragen hätte, eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa zu schaffen, die Russland mit einschließt, wäre der Kalte Krieg eines natürlichen Todes gestorben. Da aber die Institutionen des Kalten Krieges weiterlebten, schlummerte stattdessen der Geist der Idee weiter und wartete nur auf die Gelegenheit, sich neu zu entfalten.”
Freilich ist RFE/RL eine dieser Institutionen des Kalten Krieges, die weiterlebten – wohl, um die alten Antagonismen des Kalten Krieges aufrecht zu erhalten. Der staatlich finanzierte Sender begründete seinerseits seinen Fortbestand wie folgt:
“Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus dachten einige, RFE/RL habe seine Mission erfüllt und könne aufgelöst werden. Aber Offizielle in ganz Mittel- und Osteuropa und in Russland, viele von ihnen ehemalige Dissidenten, sahen einen anhaltenden Bedarf an genau der Art von objektiven Sendungen, die RFE/RL bot, insbesondere während des Übergangs zur Demokratie.”
Unterdessen, wie die Economic Times schrieb, “wurde RFE/RL mit Sitz in Prag 1950 als antikommunistisches Vehikel gegründet, um Programme in den Sowjetblock zu senden und dabei zu helfen, diese totalitären Regime fast vier Jahrzehnte später zu stürzen. Heutzutage sendet es immer noch in 27 Sprachen – darunter Russisch, Weißrussisch und Ukrainisch – in 23 Länder, darunter viele, in denen die Medienfreiheit stark eingeschränkt ist.” Wie in demselben Artikel erwähnt, “verstärkte RFE/RL , das eine Zielgruppe von 37 Millionen Menschen hat, seine Aktivitäten in der Region nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und der Besetzung der Ostukraine durch pro-russische Rebellen.”
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Indem die Economic Times – offenbar ohne Sinn für Ironie – die Arbeit von RFE/RL herausposaunt, stellt sie fest, dass “Russland sehr schnell verstanden hat, dass es nicht notwendig ist zu lügen, um erfolgreiche Propaganda zu machen. Alles was man braucht, ist den Kontext zu unterdrücken und eine Rauschstörung zu erzeugen.”
Natürlich haben die US-amerikanischen und westlichen Medien dasselbe erkannt, wofür die Situation in der Ukraine ein typisches Beispiel hergibt. So wurde im Großteil der aktuellen Berichterstattung über die Ukraine im Westen das Publikum glauben gemacht, dass die Krise erst im Februar dieses Jahres mit der russischen Offensive ganz plötzlich begann. Tatsächlich nahm der Konflikt zwischen der Regierung in Kiew und der russischsprachigen Bevölkerung des Donbass allerdings vor acht Jahren seinen Anfang. Und er hatte bereits 14.000 Todesopfer gefordert, darunter eine beträchtliche Anzahl Kinder.
Dieser fehlende Kontext ist in der Tat ziemlich irreführend für den gelegentlichen Nachrichtenkonsumenten. Darüber hinaus verfehlt die Bezeichnung der russischsprachigen Bevölkerung im Osten der Ukraine als “pro-russisch” – wie sie die Economic Times und fast jede andere westliche Nachrichtenagentur verwenden –, den sehr realen Kummer dieser Menschen, die seit Jahren von ihrer eigenen Regierung militärisch angegriffen werden.
Und ob sie nun “pro-russisch” sind oder nicht, ist hier nicht wirklich die entscheidende Frage. Man muss wohl annehmen, dass die Propaganda des einen, die Nachricht des anderen ist. Und umgekehrt.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ging RFE/RL überall dorthin mit, wo außenpolitische Ziele der USA im Mittelpunkt standen. So begann der Sender, wie er selbst zugibt, Mitte der 1990er Jahre im ehemaligen Jugoslawien zu senden, als die USA und die NATO begannen, sich dort einzumischen. Und er dehnte sich Ende der 1990er Jahre über Europa hinaus auf Irak und Iran aus, “was die amerikanische Aufmerksamkeit auf den Mittlerer Osten widerspiegelte.” Außerdem begann RFE/RL 2002 wieder mit der Ausstrahlung eines Programms in Afghanistan, nachdem dieses Ende der 1980er Jahre, nach dem Abzug der Sowjetunion aus Afghanistan, eingestellt worden war.
Das staatlich kontrollierte Medienunternehmen hat jedoch nie von seinem Fokus auf Russland und Osteuropa abgelassen. Neben der Ausdehnung seiner Reichweite in die Ukraine, hat RFE/RL zwischen 2016 und 2019 seine Bemühungen im Bereich der lokale Nachrichten ausgeweitet. Indem es Webseiten aufgeschaltet hat, deren Inhalte auf das Publikum im Nordkaukasus, an der mittleren Wolga, in Sibirien und in den nordwestlichen Regionen Russlands zugeschnitten sind.
Von 2019 an kehrte RFE/RL nach Rumänien, Bulgarien und später auch nach Ungarn zurück, nachdem es sich von dort nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zurückgezogen hatte. Mit der Begründung, dass “angesichts einer Umkehrung der demokratischen Errungenschaften und Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit und Justiz” eine Präsenz in diesen Ländern wieder notwendig sei.
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Da jetzt erneut ein Kalter Krieg zwischen den USA und Russland tobt – ob man ihn nun als neue oder einfach als Fortsetzung der alten Konfrontation betrachtet – wird RFE/RL sicherlich noch einige Zeit eine Daseinsberechtigung haben. Und seine Finanzierung durch den US-Kongress – die Muttergesellschaft, die US Agency for Global Media, erhielt im Jahr 2020 über 810 Millionen US-Dollar zugesprochen – wird mit großer Wahrscheinlichkeit gesichert sein.
Während man sich darüber streiten kann, ob RFE/RL nach dem Ende des Kommunismus weiterhin notwendig war, oder ob es tatsächlich einem unnötigen Schüren der alten Spannungen des Kalten Krieges diente, so kann man über RFE/RL in jedem Fall sagen, dass es nicht verbergen kann, was es tatsächlich ist: Es handelt sich dabei ganz offensichtlich um eine von den USA finanzierte Nachrichtenorganisation, die Programme ausstrahlt, mit denen die außenpolitischen Interessen und Ansichten der Vereinigten Staaten widergespiegelt werden. So steht es auch auf der eigenen Webseite des Senders.
In der Tat rühmt sich die oben erwähnte Muttergesellschaft stolz damit, dass sie “mit den umfassenden außenpolitischen Zielen der Vereinigten Staaten übereinstimmen” muss und “in der Lage sein, eine Spitzenkapazität bereitzustellen, um die außenpolitischen Ziele der Vereinigten Staaten während Krisen im Ausland zu unterstützen.” Auch hieraus wird kein Geheimnis gemacht.
Um fair zu sein: Dies macht meiner Meinung nach RFE/RL weniger schändlich als andere Institutionen – wie private Nachrichtensendungen oder sogar Hollywood-Filme, von denen wir wissen, dass sie stark von der CIA beeinflusst werden –, die behaupten, objektive Schiedsrichter der Wahrheit und Realität zu sein, es aber in Wirklichkeit nicht sind.
Das soll nicht heißen, dass RFE/RL lügt, aber der Sender verbreitet sicherlich eine gefärbte Sicht auf die Welt. Weil dies jedoch ziemlich offensichtlich ist, kann das Publikum zumindest ein intelligentes Urteil über die Zuverlässigkeit dessen fällen, was ihm bei RFE/RL gesagt wird. Und oft ist das das Beste, was man verlangen kann.
Übersetzt aus dem Englischen.
Daniel Kovalik lehrt Internationale Menschenrechte an der University of Pittsburgh und ist Autor des kürzlich erschienenen Buches “No More War: How the West Violates International Law by Using ‘Humanitarian’ Intervention to Advance Economic and Strategic Interests”.
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