Meinung
Mit Lügen gegen Russland – Die Minsker Abkommen und die Doppelmoral des Westens
Ob mit dieser Attitüde und ohne jeglichen Dialog mit Separatisten wohl jemals das Karfreitagsabkommen in Nordirland zustande gekommen oder die Baskenfrage in Spanien gelöst worden wäre? Wohl kaum. Aber was erwarten wir von einem französischen Präsidenten? Frankreich muss seine Erfahrungen im zivilisierten Umgang mit ethnischen Minderheiten erst noch machen, wie man unter anderem an Korsika sieht.
Putin, der es wohl leid ist, seinem europäischen Kollegen Selbstverständlichkeiten zu erklären, wechselt im Tonfall, was das französische Protokoll akribisch festhält:
Wladimir Putin (fester, genervter Ton) :
“Das ist keine demokratisch gewählte Regierung [in Kiew]. Sie sind durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen, Menschen wurden bei lebendigem Leib verbrannt, es war ein Blutbad, und Selenskij ist einer der Verantwortlichen.
Hör mir gut zu: Das Prinzip des Dialogs besteht darin, die Interessen der anderen Seite zu berücksichtigen. Es gibt Vorschläge, die Separatisten – wie du sie nennst – haben sie den Ukrainern unterbreitet, haben aber keine Antwort erhalten. Wo ist der Dialog ?”
Wo immer der Dialog der Ukrainer mit den “Separatisten” ist, der “Dialog” des russischen Präsidenten dreht sich – wie wahrscheinlich zuvor mit all seinen westlichen Amtskollegen schon gefühlt tausendfach – auch hier wieder im Kreis.
Macron:
“Aber wie ich bereits sagte, ist es uns egal, was die Separatisten vorschlagen. Was wir von ihnen verlangen, ist, dass sie auf die Texte der Ukrainer reagieren, und das müssen wir tun, weil es das Gesetz ist! Das, was du gerade gesagt hast, stellt deinen eigenen Willen, das Minsker Abkommen einzuhalten, infrage, wenn du der Meinung bist, dass du es mit nicht legitimen und terroristischen Machthabern zu tun hast.”
Wladimir Putin (laut französischem Protokoll “immer noch sehr genervt “):
“Hör mir gut zu! Hörst du mir zu? Ich sage es dir noch einmal: Die Separatisten, wie du sie nennst, haben auf die Vorschläge der ukrainischen Behörden reagiert. Sie haben geantwortet, aber dieselben Behörden sind nicht darauf eingegangen.”
Macron versucht nun, konstruktiv zu antworten, und schlägt ein Treffen der Minsker Kontaktgruppe “auf der Grundlage der Antwort der Separatisten” vor:
“Ich werde dies nun von Selenskij verlangen. Sind wir uns darüber einig? Wenn wir uns einig sind, leite ich es in die Wege und verlange ein Treffen gleich morgen.”
Der russische Präsident sagt zu, bleibt aber angesichts der Erfahrungen von sieben Jahren skeptisch:
“Also um ganz klar zu sein: Sobald wir aufgelegt haben, werde ich diese Vorschläge prüfen. Aber von Anfang an hätte man Druck auf die Ukrainer ausüben müssen, aber niemand wollte das tun.”
Emmanuel Macron:
“Aber doch! Ich tue das Maximum, um sie zu drängen, das weißt du bestens.”
Wladimir Putin:
“Ich weiß, aber leider ohne Erfolg.”
Macron (laut Protokollvermerk “schelmisch “):
“Du musst mir ein bisschen helfen.”
Was dann folgt, ist ein Austausch über die Lage an der Frontlinie im Donbass und an der russisch-ukrainischen Grenze. Macron will wissen, ob die russisch-weißrussischen Manöver wie geplant am selben Abend enden werden. Putin antwortet:
“Ja, wahrscheinlich heute Abend, aber wir werden auf jeden Fall eine Militärpräsenz an der Grenze belassen, solange sich die Lage im Donbass nicht beruhigt hat. Die Diskussion wird in Absprache mit dem Verteidigungs- und dem Außenministerium geführt werden.”
Der französische Staatschef versucht nun, den russischen Präsidenten zu einem weiteren Treffen mit dem US-Präsidenten Joe Biden, das er vermitteln könne, zu motivieren. Dort könne auch besprochen werden, wie man “die Frage der Ukraine und der NATO sehr klar” ansprechen kann. Putin antwortet darauf – und man spürt auch ohne jeden Protokollvermerk den müden Sarkasmus:
“Vielen Dank, Emmanuel. Es ist mir immer ein großes Vergnügen und eine große Ehre, mit deinen europäischen Amtskollegen sowie mit den Vereinigten Staaten zu sprechen. Und es ist mir immer eine große Freude, mit dir einen Dialog zu führen, weil wir in einer vertrauensvollen Beziehung zueinander stehen.”
Meinung
Sie haben über Putin gelacht! Jetzt ist ihnen das Lachen vergangen.
Macron möge jedoch, ergänzt Putin, dieses Mal einfach den Spieß umdrehen: Zuerst die konkreten Versprechen der US-Amerikaner, dann ein Treffen. Hätte der russische Staatschef sich ohne diese Vorbedingung auf ein weiteres Treffen mit Joe Biden eingelassen, hätte er Macron nicht einmal die sprichwörtliche Katze im Sack abgekauft: Bei der Katze namens Biden war längst offensichtlich, dass sie in diesem Kontext tot ist.
Putin findet einen Weg, das sinnlos erscheinende Gespräch zu beenden:
“Um dir nichts zu verheimlichen, ich wollte jetzt Eishockey spielen gehen, ich telefoniere aus der Sporthalle mit dir, bevor ich mit den körperlichen Übungen beginne. Ich rufe erst meine Berater an.”
Nun, man kann es dem russischen Präsidenten kaum verübeln: Zur Lösung von Staatskonflikten und Wahrung des Weltfriedens trägt ein Hockeyspiel jedenfalls nicht weniger als ein Telefonat beliebiger Länge mit dem französischen Präsidenten bei. Ersteres macht nur deutlich mehr Spaß.
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