Tagesschau & TikTok-Themen: ‘Hoss & Hopf’ böse, Linken-Abgeordnete gut
Aber wie bei den meisten Dingen in Washington, die etwas mit China zu tun haben, stößt dies weitgehend auf taube Ohren. Der Abgeordnete Mike Gallagher besteht darauf, dass sein Gesetzentwurf kein völliges Verbot von TikTok verlangt. Technisch gesehen sieht der Entwurf lediglich vor, dass es für Distributoren der App – also App Stores – illegal wird, von ByteDance kontrollierte Apps bereitzustellen. Das chinesische Unternehmen hat jedoch die Möglichkeit, sich dafür zu entscheiden, die Kontrolle über die eigene App aufzugeben, damit TikTok auf dem US-Markt bleiben kann. Offensichtlich handelt es sich bei diesem Winkelzug lediglich um eine mafiöse Gaunerei, um ByteDance zum Verkauf der beliebtesten App der Welt an ein US-Unternehmen zu nötigen.
Mit anderen Worten: Akzeptiert, dass die USA euer Social-Media-Unternehmen zerschlägt, um es an sich zu reißen. Der Gesetzentwurf ist kaum mehr als die Legalisierung von Erpressung und sagt viel über die Mentalität US-amerikanischer Politiker aus. Die Vereinigten Staaten haben eindeutig ein großes Problem damit, dass einer ihrer geopolitischen Rivalen eine weltweit beliebte Social-Media-Anwendung entwickeln konnte. Schließlich waren die USA bis vor Kurzem unangefochten führend in der Social-Media-Welt. Es gab keinen Wettbewerb, da Facebook, Twitter und andere Plattformen allesamt US-amerikanische Entwicklungen waren, durch die unser Alltag verändert und beeinflusst wurde.
Die Vorstellung, dass ausgerechnet China die Social-Media-App der nächsten Generation entwickeln konnte, ist ein Schlag ins Gesicht für das US-amerikanische Ego, ein Schock für das US-amerikanische Selbstverständnis, praktisch gleichzusetzen mit dem “Sputnik-Moment”, als die Sowjetunion als erstes Land der Erde den Wettlauf ins All gewann. In der Causa TikTok gibt es jedoch einen grundlegenden Unterschied: In diesem Fall reagieren die USA nicht mit Blick “von außen nach innen”, wie dies bei den Errungenschaften der UdSSR jeweils der Fall war. TikTok ist in den USA zu einer kulturellen Sensation geworden und damit zu einer Projektion chinesischer “Soft Power”.
Im Kampf gegen China ist es zu einem prägenden Merkmal geworden, dass die USA, in ihrer eigenen Unsicherheit, zunehmend mit einer “nach innen” gerichteten Reaktion in Richtung Peking kontern. Während sich die USA während des Kalten Krieges “nach außen” richtete und sich mit ihrem Kulturexport und ihrer Dominanz in so gut wie allen Bereichen der westlichen Gesellschaft engagierte, um mit der Sowjetunion in Konkurrenz zu treten, fürchten sie nun, dass sie auf vielen Ebenen nicht mehr mit China mithalten können. Daher greifen die USA auf repressive Maßnahmen zurück, wie Verbote, Sanktionen, schwarze Listen, Exportkontrollen, Spionagevorwürfe und vieles mehr, mit gleichzeitiger Verpflichtung für ihre Verbündeten, die daraus entstehende Kosten und Schäden mitzutragen.
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Dies offenbart natürlich auch die Realität, dass China – im Vergleich zur Sowjetunion – eine ganz andere Strategie verfolgt. Eine, die auf einem viel intensiveren globalen, wirtschaftlichen und kommerziellen Engagement beruht, sowie auf technologischem Fortschritt. TikTok muss als Sinnbild dafür betrachtet werden. Die Frage, die man sich in Washington stellt, lautet: Wenn chinesische Unternehmen mit ihren Fähigkeiten im Bereich der Künstlichen Intelligenz jetzt damit beginnen, die alte Garde des Silicon Valley aus dem Rennen zu werfen, was wird dann in Zukunft noch passieren? Offenbar haben die US-Politiker darauf keine andere Antwort, als in die Defensive zu gehen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass das Verbot selbst bei einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs erneut einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten wird.
Ein solches Verbot käme in Konflikt mit dem ersten Zusatzartikel der Verfassung der USA. Denn wenn die US-Regierung eine Social-Media-Plattform willkürlich mit der Begründung verbieten kann, sie begünstige “Propaganda”, dann schafft dies wohl einen beunruhigenden Präzedenzfall, der dazu genutzt werden kann, alles und jeden mundtot zu machen.
Doch die Tatsache, dass US-Politiker vor dem Hintergrund dieser Prämisse dermaßen bereitwillig etwas verbieten wollen, könnte uns aufzeigen, wie verunsichert und paranoid sie in Bezug auf den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas geworden sind. Man kann mit Fug und Recht erwarten, dass das Thema TikTok weiterhin in den Schlagzeilen bleiben wird – selbst wenn ein Verbot dieser Plattform letztlich nicht zustande kommt.
Aus dem Englischen
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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