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AMX-10 RC in der Ukraine: Ein Renault mit Kanone – oder doch eher eine Ente?

AMX-10 RC in der Ukraine: Ein Renault mit Kanone – oder doch eher eine Ente?

Quelle: Legion-media.ru © Björn TrotzkiArchivbild: Ein französischer Kanonen-Radpanzer vom Typ AMX 10 RC des 3. Husarenregiments der Deutsch-Französischen Brigade bei der Übung “Feldberg” auf dem Truppenübungsplatz Baumholder im Oktober 2019

Eine Analyse von Kirill Fjodorow

Das neue Videomaterial vom Kanonen-Radpanzer AMX-10RCR aus französischer Herstellung und Beständen in den Händen ukrainischer Truppen bedeutet: Diese Maschine hat es nicht bloß auf Übungsgelände in Westeuropa zur Ausbildung der Panzerfahrer Kiews geschafft – sondern wird bald auch auf dem Schlachtfeld des Ukraine-Krieges zum Einsatz kommen.

Was muss man über seine Technik wissen?

Für den Kriegsschauplatz Ukraine sind diese Fahrzeuge einmalig – etwaige vollständige Entsprechungen kamen dort auf keiner der beiden Seiten bisher zum Einsatz. Das nur leicht gepanzerte Radfahrzeug – dafür mit einer 105-Millimeter-Kanone ausgestattet – ist eben dies: eine Glaskanone auf Rädern. Und das macht im Wesentlichen all seine Vorteile wie Nachteile aus. ⚖️

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Mit den Vorteilen wollen wir beginnen.

1. Fahrzeuge der AMX-10 RC-Reihe sind hochmobil. 🏍️ Ein geringes Gewicht (nur etwa 17 Tonnen bei der zusätzlich gepanzerten RCR-Version. Anm. d. Red.) gibt ihnen auch dort freie Fahrt, wo den schwereren richtigen Panzern der Weg versperrt ist. (Etwa über bestimmte lastbegrenzte oder beschädigte Brücken sowie Pontonbrücken oder aufgeschüttete Furten – Anm. d. Red.) Die Maschine kann auf bis zu 85 Kilometer pro Stunde vorwärts und auf bis zu 50 Kilometer pro Stunde im Rückwärtsgang beschleunigen. Bei all dem wendet die Feder im französischen Barett auf engstem Raum wie ein Raupenfahrzeug.

2. Die Feuerleitanlage ist gut. Das sollte sie auch besser sein, wo doch zu den Aufgaben des Radpanzers auch die Aufklärung zählt. Er ist ins satellitengestützte Gefechtsfeldkontrollsystem SIT (Système d’Information Terminal) eingebunden sowie mit Wärmebildkameras und dem PR4G VS4 von Thales ausgestattet, einer sehr ordentlichen Funkanlage.

3. Die 105-Millimeter-Kanone ist nicht schlecht. Zur Auswahl an Geschossen zählen auch Splitter-Spreng-Granaten gegen befestigte Stellungen und Infanterie, anders, als dies bei vielen Panzergeschützen der NATO-Staaten der Fall ist. Und mit panzerbrechenden Geschossen aus dieser Kanone ist der AMX-10 fähig, einen Großteil aller Fahrzeuge mit Ausnahme der Hauptkampfpanzer auch frontal effektiv zu bekämpfen (auf der russischen Seite also mit Ausnahme aller Panzer, die neuer und schwerer als der T-62 sind – sprich, ein absoluter Großteil im Fronteinsatz: aktuell T-72 und T-80 in den eingesetzten Versionen, T-90 und gegebenenfalls T-14. Anm. d. Red.).

4. Durch die hydropneumatische Aufhängung lässt sich die Bodenfreiheit aller Räder unabhängig voneinander verstellen.

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Nun die Nachteile.

1. Die Panzerung besteht aus Aluminium; bei der Version RCR kommen zusätzliche Panzerstahlplatten hinzu. Damit bewegt sich der AMX-10 hinsichtlich Panzerschutz auf dem Niveau des russischen Schützenpanzers BMP-3 – nicht höher. Und seien der Turm und die Wanne frontal auch gegen 30-Millimeter-Geschosse immun, wie behauptet wird – seitlich wie von hinten werden bereits Maschinenkanonen im selben Kaliber auch ohne panzerbrechende Geschosse dem Radpanzer sehr, sehr wehtun.

2. Die 105-Millimeter-Kanone ist nicht schlecht … Aber als lediglich ein Mitteldruckgeschütz auch nicht besonders gut. Auch benötigt sie Granatpatronen im ganz eigenen Kaliber 105 x 527 Millimeter R, die mit allen anderen 105-Millimeter-Geschützen der NATO-Staaten nicht kompatibel sind – und das bedeutet Kopfschmerzen für die ukrainischen Logistiker: Wird einmal ein Versorgungsfahrzeug abgefangen, werden sich die Panzerbesatzungen nicht einmal eben bei einer benachbarten Einheit etwa mit 105-Millimeter-Haubitzen durchfüttern lassen können.

3. Das Geschütz ist nicht stabilisiert. Also – gar nicht, weil es kein Stabilisierungssystem gibt. Nada. Niente. Oder vielleicht eher: rien. Sprich, für den AMX-10, dessen Hauptschutz in seiner Mobilität liegt und dessen ursprüngliches Kürzel den Zusatz RC für roue et canon (Rad und Kanone) enthielt, entfällt das präzise Schießen aus der Bewegung ersatzlos.

4. Die Geländegängigkeit ist zweifelhaft – zumal auf Rädern. Kennern bildender Kunst mag sich ein Bild etwa folgenden Inhalts vor das geistige Auge drängen:

“Steckengebliebener AMX-10. Öl, Leinen, ukrainischer Schwarzerden-Schlamm.”

Die modernisierte RCR-Version kann zudem wegen der zusätzlichen Panzerung nicht mehr schwimmen.

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Von welcher Verwendungsweise muss aus allem Obigen folgend ausgegangen werden?

1. Hinterhalt als Alpha und Omega. Aufklärungsdaten aus der Hand der NATO-Staaten, eine gute Feuerleitanlage und eine anpassungsfähige Aufhängung, mit der man das Fahrzeug quasi bäuchlings auf den Boden legen (oder, umgekehrt, quasi auf seine Zehenspitzen aufstellen), sodass nur der Turm mit dem Geschütz herauslugt, machen den AMX-10 in Kombination zu einer Gefahr für Panzerfahrzeuge wie Infanterie gleichermaßen.

2. Schnelleingreif-Panzertrupps für schief laufende Stadtkämpfe: Über befestigte Straßen zum Gefecht eilen (800 Kilometer Reichweite auf einer Tankfüllung machen es möglich), schnell um die Ecke kurven, anhalten (nicht vergessen: Geschütz nicht stabilisiert!), drei bis fünf Schuss abgeben und wieder abdüsen. Der letzte Punkt ist deswegen sehr schnell auszuführen, dass der AMX-50 mit seiner Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde im Rückwärtsgang beim eiligen Rückzug zunächst gar nicht wenden muss. Hier drängt sich ein Vergleich nicht einmal mit Renault-Pkw, sondern eher mit Kleinwagen des niederländischen Herstellers DAF auf, die mit Variatorgetrieben ausgestattet waren. So schnell kann die Mehrheit der russischen Panzerfahrzeuge sich nicht im Rückwärtsgang aus dem Kampf zurückziehen.

Fazit

Wundertaten sind vom frischen Franzosen nicht zu erwarten. Doch der Erfolg oder Misserfolg bei der Kampfanwendung der AMX-10 könnte durchaus dem Konzept solcher Fahrzeuge frisches Leben einhauchen – oder es mitsamt den ukrainischen Besatzungen im Feuer bestatten. Und das liegt bei der russischen Armee – und nicht zuletzt auch bei der Heimatfront, die die Armee auf jede erdenkliche Weise unterstützen muss.

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