Quelle: www.globallookpress.com © Martyn Wheatley/Keystone Press Agency( Global Look Press Premierminister Rishi Sunak verlässt die Downing Street Nr. 10, London, 18. Januar 2023.
Die konservative Regierung in Großbritannien scheint auch mit Premierminister Rishi Sunak nicht aus dem von Boris Johnson und Liz Truss hinterlassenen Chaos herauszukommen. Wegen einer Steueraffäre entließ Sunak am Sonntag den Generalsekretär seiner Tory-Partei, Nadhim Zahawi, und warf ihn auch aus dem Kabinett, wie die Nachrichtenagentur PA Media unter Berufung auf das Entlassungsschreiben meldete.
Der frühere Finanzminister stand seit Längerem wegen seiner persönlichen Finanzen in der Kritik. Der 55-Jährige hatte der nationalen Steuerbehörde Medienberichten zufolge eine siebenstellige Summe gezahlt, um einen Disput zu seinen Steuerangelegenheiten beizulegen. Zahawi gab dies zu, ohne jedoch eine konkrete Summe zu nennen.
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Berichten zufolge hatte er es versäumt, offiziell zu erklären, dass er einen Vergleich an die HMRC wegen Steuervermeidung gezahlt hatte, als er im vergangenen September von Liz Truss mit dem Kabinettsposten betraut wurde und als Sunak ihn im September zum Tory-Vorsitzenden und Minister ohne Geschäftsbereich ernannte. Dem Ex-Minister wird vorgeworfen, im Rahmen seiner Rolle als Aktionär des von ihm mitgegründeten Meinungsforschungsfirma Yougov eine Offshore-Firma in Gibraltar genutzt zu haben. Die offizielle Untersuchung gegen Zahawi begann bereits im April 2021, wie der Guardian berichtete.
Weil er den Beamten, als er zum Finanzminister ernannt wurde, nicht mitgeteilt hatte, dass die Steuerbehörde gegen ihn ermittelt, hat Zahawi einen “schwerwiegenden Verstoß” gegen den Kodex begangen. Dies hat Berichten zufolge die von Sunak in Auftrag gegebene unabhängige Untersuchung gezeigt. In seinem Brief an Zahawi schrieb Sunak, er sei als Premier angetreten, um eine Regierung anzuführen, die auf jeder Ebene für Integrität, Professionalität und Verantwortlichkeit stehe. Die Untersuchung habe ergeben, dass ein “ernsthafter Bruch der ministeriellen Regeln” vorliege.
Zahawi ist nicht der erste Minister, der in den ersten 100 Tagen der Sunak-Regierung aus dem Kabinett scheidet: Ex-Staatsminister Gavin Williamson hatte wegen Mobbingvorwürfen seinen Hut nehmen müssen. Gegen Vize-Regierungschef Dominic Raab, der als engster Verbündeter Sunaks gilt, läuft deshalb ebenfalls eine Untersuchung. Innenministerin Suella Braverman wurde ins Kabinett berufen, obwohl sie nur eine Woche zuvor wegen des Bruchs von Sicherheitsvorschriften zurückgetreten war.
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Dass mit Sunak nach dem Chaos unter Boris Johnson und Liz Truss mehr Sachpolitik in die Downing Street ziehen würde, hat sich bisher nicht bestätigt. Die Konservativen stecken tief im Umfrageloch und eine Reihe konservativer Abgeordneter hatte bereits Schaden für die Partei befürchtet, weil Zahawi nicht früher entlassen wurde. Die Lage für die Tories war jedoch schon unter Johnson miserabel.
“Die Rückkehr des Tory-Sumpfes”, titelte nun sogar die Zeitschrift Spectator , die als Hausblatt der Konservativen gilt. In Umfragen erreichte Labour zuletzt Werte von fast 50 Prozent, die Tories dümpeln bei 20 Prozent – ein solches Ergebnis bei der im nächsten Jahr geplanten Parlamentswahl würde die konservative Fraktion wegen des Mehrheitswahlverfahrens marginalisieren. Dass der Premierminister im Tarifstreit im öffentlichen Dienst hart bleibt, hilft ihm auch nicht.
In der Angelegenheit um Zahawi kritisierte Dan Neidle, Gründer von Tax Policy Associates, dass der Minister so lange so zäh öffentlich die Unwahrheit behaupten konnte und gleichzeitig versuchte, jene, die kritische Fragen stellten, mit rechtlichen Drohungen einzuschüchtern.
Dass dies möglich war, sieht Neidle als weiteren Skandal. Andere Beobachter zeigen auch auf, dass in Großbritannien seit jeher ein Klüngel aus privilegierten Privat-Uni-Absolventen die Geschicke des Landes leitet, von Ex-Premier David Cameron, der den Briten zusammen mit George Osborne und Nick Clegg Austerität auferlegte, über Boris Johnson sowie Jacob Rees-Mogg, Nigel Farage, Dominic Cummings und Daniel Hannan bis zu Rishi Sunak, der ebenfalls in Oxford studiert hat und bei der Investmentbank Goldman Sachs arbeitete. Sie alle können sich ein gutes Stück weit auf ihre Privilegien verlassen, wenn sie Fehler machen, die die Bürger ausbaden müssen.
(rt/dpa)
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