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Ex-Terrorist wird Premierminister: Wie hat sich Nordmazedonien einschüchtern lassen?

Ex-Terrorist wird Premierminister: Wie hat sich Nordmazedonien einschüchtern lassen?

Quelle: Gettyimages.ru © Abdula Berisha/AnadoluTalat Xhaferi (29.01.2024)

Von Marinko Učur

Am vergangenen Sonntag wurde in Nordmazedonien, der seit 1991 unabhängigen ehemaligen Teilrepublik Jugoslawiens, einer der früheren albanischen Rebellenführer, Talat Xhaferi, zum Premierminister des Landes ernannt. Talat Xhaferi (andere Schreibweise: Talat Jaafari) desertierte während der 2001 beinahe zu einem Bürgerkrieg ausgewachsenen Unruhen der albanischen Minderheit des Landes aus der offiziellen Armee und schloss sich den Rebellen der albanischen “Nationalen Befreiungsarmee” an. 

Diese militarisierte Gruppe griff seit dem 22. Januar 2001 Einheiten der nordmazedonischen Armee an, kontrollierte bald größere Gebiete im Norden und Westen des Landes und hatte sich im März desselben Jahres der Hauptstadt Skopje auf eine Entfernung von 20 Kilometern genähert. Es kam zu regelrechten Schlachten mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten, und erst im August konnte der Konflikt durch das Ohrid-Friedensabkommen beigelegt werden. Xhaferi wurde auf Grundlage dieses Abkommens amnestiert und bekleidete ab 2013 sogar den Posten als Verteidigungsminister Nordmazedoniens. Nun stieg er gar auf den wichtigsten Regierungsposten auf. 

Nicht wenigen in Nordmazedonien kommt das alles wie ein böser Traum vor. Das Balkanland entstand durch den Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens und wurde im Jahr 2001 zum Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen albanischen Rebellen und der offiziellen Regierung der damaligen FYROM (ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien). Unter diesem Namen fand auch die Aufnahme in die UN statt. 

Dies ist nicht der Wille der Bürger Nordmazedoniens, insbesondere nicht der Wille seiner Mehrheitsbevölkerung, sondern Folge von verfassungsrechtlichen Lösungen, die das Land unter dem Druck des Westens umsetzen musste, um sich der EU anzunähern und zum jüngsten Mitglied der NATO zu werden. Nach einem langjährigen Streit mit Griechenland, das jegliche Fortschritte des Balkanstaates in seinen euroatlantischen Bestrebungen verhinderte, erfolgten tektonische Veränderungen, die die Staatlichkeit und Souveränität Mazedoniens bedrohten.

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Auf Druck Athens musste Skopje einst sein Nationalsymbol, die Landesflagge, sowie den Namen des Flughafens Skopje ändern, der den Namen “Alexander der Große” nicht beibehalten durfte. Die Griechen betrachten den berühmten Feldherrn nämlich als ihren Nationalhelden. Zahlreiche Zugeständnisse führten zur Frustration der Mehrheitsbevölkerung, die sich nicht mit der anhaltenden Erpressung durch den Westen abfinden ließ und darauf bestand, dass Skopje den Forderungen nachkommen müsse, die den Nationalstolz der Mazedonier ernsthaft degradierten.

Mittlerweile wurde die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien durch das Prespa-Abkommen und nicht mittels eines Bürgerreferendums in die Republik Nordmazedonien umbenannt. Damit endete der mehrjährige Streit um den Namen des Landes, der Skopje in gewisser Weise der euroatlantischen Integration näherbrachte, und das Land wurde 2020 unter neuem Namen in die NATO aufgenommen, als 30. Mitglied des westlichen Militärbündnisses. Den Bürgern Nordmazedoniens, allen voran der Mehrheitsbevölkerung Mazedoniens, die insgesamt knapp 58 Prozent ausmachen, fällt es schwer, sich an den neuen Namen des Landes zu gewöhnen.

Inzwischen wurde die albanische Sprache zur zweiten Amtssprache erklärt. Die verfassungsrechtlichen Lösungen waren so ausgestaltet, dass laut der letzten Volkszählung mehr als 24 Prozent der Mehrheitsbevölkerung nicht damit zurechtkommen, dass die “nationale Romantik” dem “internationalen Pragmatismus” zu weichen hatte und dass sie sich mit den Bestrebungen der im Staat lebenden ethnischen Albaner zufriedengeben mussten. Besonders schwerfällt ihnen die Tatsache, dass die Namensänderung nicht die erwartete Lösung der angehäuften politischen und wirtschaftlichen Probleme mit sich brachte. Das Land ist nach wie vor hochgradig korrupt und weist ein extrem schlechtes Rechts-, Gesundheits- und Bildungssystem auf.

Eine mögliche EU-Mitgliedschaft scheint immer noch außer Reichweite, diesmal aufgrund der Erpressung durch das Nachbarland Bulgarien, und zwar trotz der Tatsache, dass Brüssel Skopje “grünes Licht” für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gegeben hat. Diese konnten nicht erfolgen aufgrund der neuen Blockade seitens Sofia, welches fordert, dass Skopje bestimmte Kriterien erfüllt, damit Bulgarien die Blockade aufhebt. Die größten Missverständnisse zwischen den beiden Nachbarländern bestehen im Bereich der Geschichte und der mazedonischen Sprache, die von den Bulgaren als bulgarischer Dialekt betrachtet wird.

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Insgesamt steht Nordmazedonien immer wieder vor Herausforderungen, die die innere Konsolidierung des Staates und seinen Wohlstand stark beeinträchtigen.

Jetzt wurden die Leidenschaften endlich wieder aufgewühlt, nachdem im Vorfeld der Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres ein ethnischer Albaner mit terroristischem Background aus dem Jahr 2001 zum Premierminister des Landes ernannt wurde, wenngleich mit begrenzter Amtszeit, nämlich einem technischen Mandat von 100 Tagen. Es gibt viele, die Xhaferis terroristische Vergangenheit und seine Rolle beim albanischen Aufstand von 2001 nicht einfach ignorieren können. Es ist ein glücklicher Umstand, dass das Ohrid-Abkommen noch im selben Jahr unterzeichnet wurde und die Auseinandersetzungen mit den mazedonischen Sicherheitskräften nicht zu einem allgemeinen Krieg ausarten konnten.

Die Friedenslösung legte die Konflikte still, löste allerdings nicht die bis heute anhaltenden interethnischen Spannungen. Mit dem Abkommen wurde Albanisch zur zweiten Amtssprache, weitere Forderungen der Albaner blieben jedoch unerfüllt, darunter der Antrag auf Gründung einer eigenen Universität in Tetovo. Dennoch war und ist dieses Dokument heute immer noch eine starke Grundlage für den Frieden und die Stabilität Nordmazedoniens. Was die europäischen Ambitionen angeht, befindet sich Nordmazedonien immer noch dort, wo es vor zwei Jahren war: im europäischen Wartezimmer, trotz unzähliger Zugeständnisse, denen es zustimmen musste.

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