Quelle: AFP © GONZALO FUENTES / POOL / AFP Emanuel Macron während seiner jüngsten China-Reise (07.04.23)
Von Alexander Männer
Die Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten um die chinesische Provinz Taiwan sowie den partnerschaftlichen Umgang der Volksrepublik mit Russland sind dabei, weiter zu eskalieren. Dabei drohte Washington Peking unlängst mit schwerwiegenden Sanktionen und versucht nun, auch die EU in dieser Frage mit ins Boot zu holen.
Die vor mehreren Wochen stattgefundenen Beratungen zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und dem chinesischen Staatsoberhaupt Xi Jinping haben ein weiteres Mal aufgezeigt, dass sich die EU-Länder über eine gemeinsame Strategie in Bezug auf Peking nach wie vor uneinig sind.
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Der US-Experte Bart M. J. Szewczyk wirft Macron in einem kürzlichen Artikel des Magazins Foreign Policy vor, eine gemeinsame EU-Strategie zu verhindern, bei der es für die Europäer angeblich darum gehen soll, Russland zu schwächen, die Zusammenarbeit mit den USA zu vertiefen und China auf Abstand zu halten. Der französische Präsident habe stattdessen andere Vorstellungen, was das strategische Vorgehen Europas in diesem Zusammenhang betrifft, meint Szewczyk.
In der Tat spricht einiges dafür, dass Macron primär seine eigene Strategie verfolgt und die EU dabei hinter sich bringen will. So hat er schon kurz nach seinem China-Besuch signalisiert, dass er für sich die entsprechenden Schlüsse aus den Verhandlungen gezogen haben soll, und forderte deshalb eine unabhängige Rolle Europas gegenüber den USA im Umgang mit der Volksrepublik. In einem Interview sprach er sich unter anderem dafür aus, dass die EU bei dem Taiwan-Konflikt außen vor bleiben und ihre Abhängigkeit von dem US-Dollar verringern sollte. “Wenn die Spannungen zwischen den beiden Supermächten (USA und China – Anm. d. Verf.) zunehmen […] werden wir weder Zeit noch Ressourcen haben, um unsere strategische Autonomie zu finanzieren, und wir werden Vasallen werden”, sagte der Staatschef.
Strategische Autonomie Frankreichs
Szewczyk ist hierbei der Ansicht, dass Macron die besagte pro-amerikanische EU-Strategie (“Keep Russia down, the United States in, and authoritarian China out”) ablehnen und stattdessen eine von den USA unabhängigere Führungsrolle für Frankreich innerhalb der EU bei den Beziehungen zu China (oder auch zu Russland) beanspruchen würde. Gemäß der traditionellen französischen Außenpolitik, die eine Macht- und Einflussvergrößerung sowie die Souveränität Frankreichs zum Ziel habe, soll Macron – wie einst der berühmte französische Staatspräsident Charles de Gaulle – die führende Stellung seines Landes in Europa wiederherstellen wollen.
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Daher versucht Macron laut dem Experten, die USA von der EU-Politik abzuschotten und die Beziehungen etwa zu China nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Zugleich verhindert der Franzose, dass “eine echte globale Strategie der Europäischen Union” entsteht, weil die von ihm angestrebte strategische Autonomie Europas letztlich auf die strategische Autonomie Frankreichs abzielt. Und da er die Rivalität zwischen Peking und Washington als eine “strukturelle Komponente der internationalen Beziehungen” hervorhebe und diesbezüglich für eine Nichteinmischung der EU plädiere, spiele er damit vor allem China in die Hände, so Szewczyk.
Für den Experten besteht das entscheidende Problem der französischen Strategie darin, dass Paris dadurch die Fähigkeit Pekings stärkt, weiterhin an einer neuen Weltordnung zu arbeiten, die primär den chinesischen Interessen entspricht. Außerdem sieht er das Kalkül Macrons, zwischen den USA und China lavieren zu können, auch aus dem Grund eher skeptisch, weil Frankreich damit in die Gefahr gerate, seine strategische Autonomie zu verlieren und zu einem “Bauern” in einem Spiel der Großmächte zu werden.
Was Szewczyk aber als Einknicken vor China oder als Gefahr zu diskreditieren versucht, ist zumindest ein pragmatischer Versuch Macrons, jenes Prinzip für die europäisch-chinesischen Beziehungen anzuwenden, das in erster Linie die Interessen beider Seiten im Blick hat, und nicht unbedingt die Interessen der USA. Die chinesische Führung, die gegen eine Konfrontation mit den westlichen Staaten eintritt und ihr Engagement mit der EU aufrechterhalten will, hatte bereits mehrfach klar zum Ausdruck gebracht, dass man für eine nachhaltige und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft eine unabhängige Politik der EU voraussetzt. Kontraproduktiv aus chinesischer Sicht ist dagegen ein Vorgehen, das sich nach Vorgaben aus Washington richtet und die fundamentalen Interessen der EU-Länder ignoriert.
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