Meinung Krieg und Wirtschaftssuizid – die Geschichte wird’s richten … hoffentlich
In diesem Sinne sehen Rudolph und Eisen das Kriegsrecht, das in der Ukraine seit März 2022 gilt, als eine Art Glücksfall an, da es die Macht der ukrainischen Oligarchen entscheidend geschwächt hat. Nun muss noch ihre Rückkehr nach dem Krieg verhindert werden, damit die “Wiederaufbau”-Investitionen des Westens ungehindert fließen können.
Die Bekämpfung von Korruption ist für die Autoren daher ein “strategischer Imperativ”, der in einen “modernen Marshallplan” für die Ukraine integriert werden müsse. Auf der Ukraine Recovery Conference am 21. und 22. Juni in London werde man sich also vor allem darüber auszutauschen müssen, wie Veruntreuung von Geldern von Unternehmen und Steuerzahlern verhindert werden könne.
Überwachung der Reformen
In einer Studie für den German Marshall Fund schlagen Rudolph und andere Autoren zudem vor, die Multi-Agency Donor Coordination Platform mit der Überwachung des Reformprozesses und der Finanzierung der Ukraine langfristig zu betrauen.
Die Plattform wurde im Dezember 2020 von der G-7 ins Leben gerufen, wird von einem Sekretariat aus zwölf abgeordneten Beamten verwaltet und arbeitet von einem Brüsseler Büro aus, das von der Europäischen Kommission betrieben wird. An der ersten Sitzung im Januar 2023 nahmen bereits hochrangige Vertreter der EU, der G-7-Länder, der Europäischen Investitionsbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Ukraine teil.
Diese Art von konzertierter Koordinierung sei laut der Studie notwendig, um das für den Wiederaufbau der Ukraine erforderliche starke Engagement des Privatsektors zu ermöglichen. Ebenso wird in der Studie unmissverständlich klargestellt, dass das Geld für den Wiederaufbau nur dann an die Ukraine fließen soll, wenn Kiew die Reformen im Sinne des Westens umsetzt.
Die “Wiederaufbauhilfe” solle wie eine Makrofinanzhilfe, bei der der IWF und bilaterale Geber Reformbedingungen stellen, und nicht wie die bisherige Sicherheitshilfe behandelt werden, sodass die Auszahlungen an die Durchführung von Reformen geknüpft sind und bei Bedarf bis zur Umsetzung zurückgehalten werden.
Freundliche Übernahme
Vor der Öffentlichkeit gerne so getan, als ginge es bei diesen Finanz- und Militärhilfen darum, die Demokratie der Ukraine, Europa, oder noch besser, die Freiheit an sich zu verteidigen. Die aktuelle Diskussion US-amerikanischer Denkfabriken über den ukrainischen “Wiederaufbau” zeigt jedoch, wie konkret mit der Abhängigkeit der Ukraine vom Geld- und Rüstungsfluss aus dem Westen kalkuliert wird.
Laut dem Plan des Westens für die Ukraine liefert der Steuerzahler die finanzielle Überlebens- bzw. Starthilfe, hierauf folgen an Reformbedingungen geknüpfte Kredite, um schlussendlich US- und EU-Konzernen in der Ukraine sichere Investitionen für sichere Renditen zu garantieren. Da die ukrainische Regierung diesen Schritt nicht nur begrüßt, sondern eifrig an ihm mitarbeitet, könnte man auch von einer freundlichen Übernahme sprechen. Und solange dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, dürfte es im Interesse des Westens sein, den Konflikt heiß zu halten.
EU-Kommission: Brüssel darf eingefrorenes russisches Vermögen nicht beschlagnahmen
Dass der indirekte Einfluss des Westens bis hinab auf die ukrainische Gesetzgebung reicht (und auch nicht ganz ohne Reibung vorangeht), zeigt die Anregung des German Marshall Fund , dass man sich bei der nächsten Ukraine Recovery Conference im Juni in London mit der konkreten Frage auseinandersetzen solle, wie der Gesetzentwurf 5655 zur Reform der Stadtplanung geändert werden kann.
Der Gesetzentwurf sah bislang vor, die Entscheidungsmacht von den Kommunalverwaltungen auf eine digitale Plattform eines Ministeriums in Kiew zu verlagern. Der German Marshall Fund sähe hingegen bei der Genehmigung von Bauprojekten lieber eine Dezentralisierung. Und wer zahlt, schafft schließlich an.
Während sich amerikanische und europäische Steuerzahler also darauf gefasst machen dürfen, dass das Scheckbuch ihrer Regierungen noch viele leere Seiten hat, werden die Ukrainer lernen müssen, dass es Geld und Waffen aus dem Westen eben nicht umsonst gibt.
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