Meinung

Instrumentalisierter Antisemitismus: Gil Ofarim hat gelogen – Israel tut es noch immer

Instrumentalisierter Antisemitismus: Gil Ofarim hat gelogen – Israel tut es noch immer

Quelle: www.globallookpress.com © Hendrik SchmidtDer Pop-Barde Gil Ofarim wollte den Vorwurf von Antisemitismus für sich instrumentalisieren.

Von Gert Ewen Ungar

Gil Ofarim hat gelogen. Der Pop-Musiker und Schnulzenbarde hat vor Gericht zugegeben, dass die von ihm erhobenen Antisemitismusvorwürfe gegen einen Angestellten des Hotels The Westin in Leipzig frei erfunden waren. Ofarim hatte im Oktober 2021 behauptet, beim Einchecken im Hotel aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert worden zu sein. Diese sei am Davidstern erkennbar gewesen, den er an einer Kette offen sichtbar getragen habe. Schließlich sei er aufgefordert worden, seinen Davidstern “einzupacken”, erst dann dürfe er einchecken, behauptete er damals.

Ofarim publizierte seine angebliche Empörung über den frei erfundenen Vorfall im Internet. Das Video ging viral, Ofarim bekam viel Zuspruch und Unterstützung, denn Antisemitismus ist in Deutschland tabu. Der Hotelangestellte wurde vom Dienst freigestellt, reichte allerdings eine Verleumdungsklage gegen Ofarim ein. Der wiederum verklagte den Hotelangestellten. Es begann ein Streit um die tatsächlichen Abläufe. 

Auch Marco Buschmann (FDP), inzwischen Minister für Justiz bezog damals Stellung. Er wolle nicht in einem Land leben, in dem man den Davidstern verstecken müsse, teilte er auf dem Kurznachrichten Dienst Twitter (heute X) mit.

Sein Tweet steht hier stellvertretend für die zahllosen Äußerungen in den sozialen Netzwerken, die in dem Fall zu einer voreiligen öffentlichen Verurteilung sowohl des Hotels The Westin als auch des von Ofarims Verleumdung betroffenen Hotelangestellten führten. Es gab unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe erhebliche Zweifel an der Darstellung Ofarims, die allerdings ebenfalls pauschal als “antisemitisch” gebrandmarkt wurden.

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Jetzt ist klar: Gil Ofarim hat den Antisemitismusvorwurf für sich instrumentalisieren wollen. Er hat damit Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und kam in den Genuss einer breiten und völlig kostenlosen Werbekampagne für sich und seine Musik. Um Ofarim war es schon recht still geworden, die Publicity kam genau zum richtigen Zeitpunkt.

Ob das ausschlaggebend für die Ofraims Selbstinszenierung als Opfer antisemitischer Diskriminierung oder nur eine angenehmer Nebeneffekt, ist schwer zu sagen. Doch insgesamt deuten die Vorgänge auf Kalkül. Er hat dem Hotelmanagement jedenfalls mit einer Schmutzkampagne gedroht. Laut einer Zeugin hat er gedroht: 

“Bam, bam, bam, Instagram, Facebook, geht alles los.”

Durch sein Beharren auf seiner Geschichte, gelang es ihm zudem, sich lange im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu halten. Ofarim hatte seine Geschichte dabei mehrfach geändert und behauptete schließlich: 

“Ich wurde als Jude angegriffen, weil ich den Stern trage. Ich habe nicht gelogen, ich trage den Stern immer. Ich mache so was sicher nicht aus PR-Gründen. Ich mache über solche Themen keine Witze.”

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Genau das aber hat er offenkundig getan. Er hat gelogen und er hat den Antisemitismus-Vorwurf instrumentalisiert, damit entwertet und zu einem Witz gemacht. Er hat zudem mit der wirtschaftlichen Existenz des Hotelangestellten gespielt. Der Spaß, den Ofarim hatte, war ihm das Schicksal des Hotelangestellten wert. Ofarim trat seine Rolle als angebliches Opfer von offenem Antisemitismus in der Öffentlichkeit breit und nutzte einen deutschen Reflex aus. Antisemitismus wird aus historischen Gründen in Deutschland nicht geduldet, Ofarim nutzte das zum Zweck der Eigenwerbung. Gil Ofarim hat zweifellos eine niedrige Moral. 

Es geht in diesem Fall aber auch noch um etwas anderes. Es geht darum, warum man in Deutschland zulässt, dass der Antisemitismus-Vorwurf benutzt werden kann. Gerade Deutschland sollte sich um einen wirklich konkreten und keinen entgrenzten, metaphysischen Antisemitismus-Begriff bemühen. Warum ist es möglich, dass man in Deutschland grundlegende Prinzipien sofort aufgibt und sich beim Vorwurf des Antisemitismus unmittelbar auf die Seite des Anklägers schlägt und zur Vorverurteilung bereit ist? Das darf nicht sein!

Wenn es um den Vorwurf des Antisemitismus geht, dann gibt es in Deutschland kein Abwarten, keine Geduld, keine Unschuldsvermutung, kein Abwägen. Das gilt im Großen wie im Kleinen. So wie Gil Ofarim den Vorwurf des Antisemitismus benutzt und entwertet hat, so benutzt und entwertet ihn auch die derzeitige israelische Regierung im aktuellen Konflikt um die Hamas und im Gazastreifen. Es sind beides Inszenierungen und Instrumentalisierungen, mit denen wahre Opfer von rassistischer Gewalt verhöhnt werden. Durch nichts wird dieses Verhöhnen so verdeutlicht wie durch das pathetische Auftreten des Vertreters Israels im UN-Sicherheitsrat, als der sich einen Judenstern ans Revers heftete und damit die Opferrolle für sich stellvertretend für sein Land reklamierte. Das ist mehr als schäbig, und kein Land müsste gegen eine derartige Instrumentalisierung des Holocausts lauter protestieren als Deutschland.

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Israel wurde nicht aus Antisemitismus und Judenhass angegriffen, sondern weil Israel Besatzungsmacht ist und ein für die Palästinenser unerträgliches, in Rassismus wurzelndes Unrechtsregime etabliert hat. Sich dagegen zu wehren, hat genauso wenig mit Antisemitismus zu tun wie die Anzeige des Hotelangestellten gegen Ofarim. Es geht schlicht um Gerechtigkeit. Wie damals der angehende Justizminister Buschmann, so stellt sich heute die gesamte deutsche Politikergilde auf die Seite des Unrechts. Auch das darf nicht sein. Der Kampf gegen Antisemitismus bedeutet nicht, alle Rechtsgrundsätze aufzugeben und bei schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit wegzuschauen, wie es deutsche Politiker heute tun, sondern den Prinzipien aufgeklärten Denkens zu folgen.

Gil Ofarim hat nicht nur sich selbst beschädigt. Mit der Instrumentalisierung des Antisemitismus-Vorwurfs schadet er dem gesellschaftlich wichtigen Engagement gegen Diskriminierung und Rassismus. Ebenso handelt die israelische Regierung. Ganz bedauerlich ist, dass die Bundesregierung den offenkundigen Missbrauch des Arguments nicht nur mitträgt, sondern unter Hinweis auf die deutsche Geschichte sogar befördert. Dabei muss die Lehre aus der deutschen Geschichte eine andere sein als blinde Solidaritätsbekundungen mit Israel und reflexartige Verurteilung von Antisemitismus. Die Lehre muss sein: Ihr sollt keiner Ideologie verfallen und der Gerechtigkeit verpflichtet bleiben. Dass man den Antisemitismus-Vorwurf in Deutschland aber derart leicht und vor allem auch gesellschaftlich breit instrumentalisieren kann, zeigt, dass man in Deutschland längst wieder einer bizarren Ideologie verfallen ist und auf der falschen Seite steht.

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