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Kein Applaus mehr: Selenskijs geplanter Videoauftritt auf Sanremo-Festival nach Protesten abgesagt

Kein Applaus mehr: Selenskijs geplanter Videoauftritt auf Sanremo-Festival nach Protesten abgesagt

Quelle: Legion-media.ru © APAimagesKiew, 04.01.2023. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in seinem Büro.

Von Daniele Pozzati

“Lieber Präsident, wir erwarten Sie für den Abschlussabend.”

So fing es an, am 15. Januar, mit den Worten des Festivalmoderators Amadeus.

Ein Kollege vom Amadeus beim italienischen Sender RAI, der in Italien berühmte Journalist und Fernsehmoderator Bruno Vespa, war gerade aus Kiew zurückgekehrt, wo er ein Interview mit Selenskij geführte hatte. Laut Vespa hatte Selenskij selbst den Wunsch geäußert, am Sanremo-Festival mit einer Videobotschaft teilzunehmen.

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“Schließlich hatte sich Selenskij schon bei den Golden Globes sowie bei den Filmfestivals von Cannes und Venedig auf diese Weise zu Wort melden können”, kommentierte am 30. Januar die Frankfurter Allgemeine Zeitung in aller Ernsthaftigkeit in einem Artikel mit der treffenden Überschrift “Bröckelt in Italien die Solidarität mit der Ukraine?”

Selenskijs angekündigter Videoauftritt auf Sanremo stieß umgehend unter linken und rechten Politikern und Journalisten auf heftige Kritik. Auch in den sozialen Netzwerken, insbesondere bei den alternativen und den pro-russischen Medien, war die Missbilligung groß.

“Selbst wenn sich der Westen mehr oder weniger auf die Seite der Ukrainer geschlagen hat,” schlussfolgerte am 26. Januar Pietro Senaldi, Co-Chefredakteur der Tageszeitung LiberoQuotidiano, “kommt dieser Selenskij bei den Italienern links und rechts nicht gut an”.

Drei Wochen später, am 6. Februar, endete dies alles mit einer peinlichen Kehrtwendung von RAI, deren Pressekonferenz und Planänderung unbeabsichtigt urkomisch sind.

RAI: “Selenskij möchte uns lieber einen Text schicken”

“Wenn der Flicken schlimmer ist als das Loch” ist ein italienisches Sprichwort, das zur gestrigen Meldung von Italiens größter Nachrichtenagentur ANSA passt:

“‘Selenskij wird kein Video schicken, sondern einen Text, der von Amadeus auf der Bühne vorgelesen wird’, teilte der Direktor von RAI Prime Time Entertainment Stefano Coletta bei einer Pressekonferenz mit. Er fügte hinzu: ‘Es war der ukrainische Botschafter in Rom, der auf Wunsch seines Präsidenten den Antrag stellte, einen schriftlichen Text vorlesen zu lassen.'”

In Italien zirkuliert anscheinend eine Falschmeldung, wie RAI vermutet. Es sei nicht richtig, dass sich RAI geweigert habe, ein Video von Selenskij zu übertragen. Im Gegenteil, betont das Medienunternehmen, habe RAI sich immer bereit erklärt, einen Beitrag in Video- oder Audioform vorzulesen.

Und das beste kommt noch. RAI insistiert: “Wir kennen den Inhalt von Selenskijs Text noch nicht, wir werden in den nächsten Tagen schneller sein.”

Zusammengefasst: RAI weiß nicht, worüber Selenskij sprechen will, hätte dennoch gern einen Videoauftritt von ihm ausgestrahlt, doch plötzlich entscheidet sich der ukrainische Präsident selbst, eher einen Text zu schreiben und ihn auf der Bühne vorlesen zu lassen.

Eine erfolgreiche Petition gegen “NATO Kriegspropaganda”

RAI gibt daher vor, den wahren Hintergrund des Rückschlages, den die Agentur und Selenskij erlitten haben, zu ignorieren. Denn Umfrage nach Umfrage zeigt, dass eine absolute Mehrheit von 55 Prozent der Italiener Waffenlieferungen an die Ukraine und 70 Prozent der Italiener jegliche NATO-Beteiligung an dem Konflikt ablehnen.

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Am 26. Januar startete das alternative Nachrichtenportal Byoblu eine Petition gegen Selenskijs Sanremo-Auftritt, die in nur wenigen Tagen 80.000 Unterschriften gesammelt hat. Mittlerweile sind es 95.000 Unterschriften.

In der Petition heißt es, “das Sanremo-Festival repräsentiert auch auf internationaler Ebene einen Aspekt der kulturellen Identität des ‘Bel Paese’. Italien hat aus Sanremo internationale Hits hervorgebracht, die das Leben, das Glück und die Liebe zelebrieren” – und hat somit mit dem Krieg und weniger noch mit Kriegspropaganda zu tun.

Weiter geht aus der Petition hervor: “Wir wollen, dass Artikel 11 der Verfassung unseres Landes respektiert wird. Er lehnt Krieg als Mittel zur Streitbeilegung ab.” Bei der Unterschriftensammlung geht es also auch um das verfassungswidrige Vorgehen der Regierung Meloni in der Ukraine-Krise.

“Italien schickt nicht nur Waffen (und erhöht dabei das Militärbudget in einer für die Mehrheit der Italiener sehr schwierigen wirtschaftlichen Phase), sondern lässt die NATO und die Vereinigten Staaten sein Territorium nach Belieben nutzen, in Ermangelung jeglicher Form von Regierung, Parlament und öffentlicher Kontrolle.”

Auch im Bezug auf die Ursachen des Konfliktes vertritt die Petition eine ganz andere Sicht als die der Mainstream-Medien in Italien und im Westen allgemein:

“Das ist ein Krieg, geschürt durch unverantwortliche Waffenlieferungen und unaussprechliche wirtschaftliche und geostrategische Interessen.”

Der Krieg habe komplexe Gründe, einschließlich der Tatsache, dass die NATO “an Russlands Grenzen bellt”, wie es Papst Franziskus formuliert hat, sowie die Folgen einer brutalen Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung durch Selenskijs nationalistische Regierung, insbesondere im Donbass.

Ein Rückschlag für die Kriegstreiber

In der italienischen Medienlandschaft kursiert die Schlagzeile “Kein Video von Selenskij auf Sanremo”. Das Vorlesen von Selenskijs Text auf der Bühne wird als ein demütigender Kompromiss betrachtet.

Die Tageszeitung La Verità, die Einzige in Italien, die über den Ukraine-Konflikt ohne anti-russische Hetze berichtet, spricht heute von “einem Rückzieher Selenskijs”: Der ukrainische Präsident habe die Gefahr gewittert, Italiens öffentliche Meinung zu verärgern. Selenskijs Ausladung sei auch ein “Rückschlag für jene Kriegstreiber, die den Krieg bis bis zum bitteren Ende wollen”.

Unbesorgt wirkt hingegen Amadeus, der Festivalmoderator, der sich ursprünglich mit einer herzlichen Einladung zum Abschlussabend an den “lieben Präsidenten” gewandt hatte. Amadeus findet es jetzt “romantisch”, einen Brief von Selenskij zu erhalten und ihn vorzulesen zu dürfen.

Auch in Russland kursierte die Nachricht von Selenskijs Ausladung bereits am Vorabend. Schließlich geht es um ein Ereignis, das Sanremo-Festival, das in der ehemaligen Sowjetunion über Jahrzehnte hinweg populär war. “Der Kreml lacht darüber”, schreibt das Mainstream-Nachrichtenportal Open und zitiert einen ironischen Kommentar der Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa:

“Schade, dass Selenskij von Sanremo ausgeladen wurde. Er hätte diesen Wettbewerb genauso mit einem Rap Lied gewinnen können.”

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