Kein Handelskrieg, aber Abkühlung: Russland beschränkt Brennstofftransit aus Kasachstan nach Europa
22.06.2022
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Quelle: Sputnik Archivbild: Ein im Donezker Maschinenbaubetrieb des Lenin-Komsomol hergestellter Schaufelradbagger arbeitet im Kohletagebau “Ekibastus” des Trusts “Ekibastusugol”. Kasachische SSR, 1979
Nach einer jüngsten Äußerung des kasachischen Präsidenten Qassym-Schomart Tokajew zur Ukraine-Krise und den Sanktionen der EU gegen Russland scheint zwischen Russland und Kasachstan eine Art logistischer Handelskrieg entbrannt: Er betrifft die Ausfuhr und den Transit von Energieträgern aus Kasachstan – die in nahezu vollem Umfang für den europäischen Markt bestimmt sind. Doch der Schein trügt, noch wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird – und vom Kochen ist das Ganze zudem noch weit entfernt.
Schein …
Ein betroffener Energieträger ist Erdöl: Die Öltransporte des Kaspischen Pipeline-Konsortiums (CPC) über den Güterhafen von Noworossijsk, die jetzt schon bis Ende des Monats heruntergefahren wurden, könnten laut der russischen Zeitung Kommersant zeitweise sogar gänzlich unterbrochen werden. Nach Daten, die dem Blatt vorliegen, wurden in Gewässern in der Nähe der Tankerladeeinheiten des CPC etwa 50 potenziell gefährliche Gegenstände gefunden – nicht explodierte Torpedos und Seeminen oder womöglich auch Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg. Derweil gehen die kasachischen Behörden nach wie vor davon aus, dass der Rückgang der Lieferungen keine Auswirkungen auf die Ölexporte des Landes haben wird.
Bei Suchaktionen rund um die Anlagen des Kaspischen Pipeline-Konsortiums in den Gewässern des Hafens von Noworossijsk wurden noch im Jahr 2021 mehr als 50 Gegenstände entdeckt, bei denen es sich um Sprenggeschosse aus der Zeit des Großen Vaterländischen Krieges handeln könnte. Diese konnten bisher wegen des Beginns der russischen Operation in der Ukraine jedoch weder untersucht noch gegebenenfalls geborgen werden. Nach bisher unbestätigten Angaben mehrerer Quellen des Kommersant wurde das an die Tankerladeeinheiten des Konsortiums angrenzende Wassergebiet am 16. Juni für den Schiffsverkehr gesperrt, um Untersuchungsarbeiten an den Funden zu ermöglichen – was zu einer Unterbrechung der Transporte geführt haben soll. Die nächste Kampfmittelbergungsaktion sei für den 20. Juni geplant.
Quellen des Kommersant vermuten, dass die CPC-Erdöllieferungen mindestens bis Ende des Monats lediglich mit Unterbrechungen fortgeführt werden könnten: Mindestens so lange nämlich soll laut der Hafenbehörde von Noworossijsk die Untersuchung aller mutmaßlichen Kampfmittelfunde in und an den Hafengewässern andauern.
Die Förderkapazität der 1.500 Kilometer langen CPC-Ölpipeline beträgt 67 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr. Diese Strecke ist die wichtigste für den Transport von Öl aus Kasachstan zu den westlichen Märkten. Das Öl aus der Pipeline wird über ein Seeterminal in der Nähe von Noworossijsk, dessen Anlegestellen mit drei ferngesteuerten Tankerladeeinheiten ausgestattet sind, auf Tanker verladen. Am 15. Juni meldete das CPC, dass die Einheiten Wolschski-1 und Wolschski-2 zur Inspektion des Wasserbereichs abgeschaltet werden, wobei Wolschski-3 im Normalbetrieb weiterläuft.
Der zweite der betroffenen Energieträger ist Steinkohle. So lehnen die Rossijskije schelesnyje dorogi, die staatliche Eisenbahngesellschaft der Russischen Föderation, Anfragen zum Beispiel des kasachischen Konzerns Schubarkol Komir zur Genehmigung von Plänen für den Transit von Kohle aus dessen Zechen nach Europa durch Russland ab, berichtet das Online-Nachrichtenportal Kazakh24.Info mit Verweis auf Juldasch Ibragimow, CEO von Transcom, einer Tochtergesellschaft der Eurasian Resources Group (ERG). Der Geschäftsleiter bemängelte in einem Kommentar für Kazakh24.info am Rande des Kongresses Astana Mining & Metallurgy (AMM):
“Die Russische Eisenbahn gibt uns keine Billigung für Pläne zur Lieferung von Schubarkol-Kohle an lettische Häfen. Sie billigen nur Pläne für russische Häfen, aber das Durchsatzvolumen ist dort begrenzt. Deshalb ist es heute eher problematisch, über lettische Häfen auf die Märkte Europas zu kommen.”
Zuvor hatte Kazakh24.info berichtet, dass kasachische Kohleexporte in die EU über den lettischen Güterhafen Ventspils laufen werden. Vor Russlands Einstieg in den Ukraine-Krieg mit seinem militärischen Sondereinsatz dort nutzten Kohleexporteure aus Kasachstan in der Regel russische Häfen in der Ostsee, doch russische Schiffe dürfen sanktionsbedingt in einigen wichtigen europäischen Häfen nicht mehr einlaufen. Ibragimow zufolge komme der Schubarkol-Konzern mangels Genehmigung der Russischen Eisenbahn für den Transit seiner Kohle über Lettland in diesem Monat auf keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung: Die Alternativen, etwa die transkaukasische und die transkaspische Route, weisen in Ermangelung der erforderlichen Infrastruktur entweder nicht die nötige Durchsatzkapazität auf oder sind schlicht zu teuer.
Auch die von kasachischen Kohleexporteuren vorgelegten Pläne für den Kohletransit über die reinen Überlandrouten über Weißrussland und Polen würden seit April von der RSchD abgelehnt, schreibt das kasachische Blatt Kursiv.