Hunderttausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel und die Abwanderung von Unternehmen sei zu befürchten – so oder ähnlich lauteten die Unkenrufe bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015. Mit ähnlichen Argumenten sträuben sich Arbeitgeberverbände, darunter die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Gesamtmetall wie auch der Handelsverband Deutschland (HDE), gegen die ab Oktober vorgesehene außerplanmäßige Anpassung des Mindestlohns, von der rund 8,6 Millionen Beschäftigte profitieren dürften, die bisher weniger als 12 Euro pro Stunde brutto verdienen, ein Großteil in ihren Hauptberufen.
Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gehören hierzulande laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung 18,7 Prozent zu den Geringverdienern mit einem Bruttoarbeitsentgelt unter 2.284 Euro. Fast jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis ist davon betroffen. International gelten 60 Prozent des Mittleren Einkommens als Richtwert für ein angemessenes Mindestlohnniveau – davon ist Deutschland derzeit weit entfernt. Mit der “einmaligen Anpassung” auf 12 Euro pro Stunde würde Deutschland seine Rolle als relativer Nachzügler im internationalen Vergleich verlassen.
“Dieser Plan steht nicht für Beschäftigung, sondern gegen Beschäftigung”, behauptet hingegen HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth, während BDA-Präsident Rainer Dulger eine politische Festsetzung des Mindestlohns moniert, ihn als “Staatslohn” bezeichnet und mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht droht.