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Meisterwerk distinguierter Arroganz: Macrons große Europa-Rede

Meisterwerk distinguierter Arroganz: Macrons große Europa-Rede

Quelle: AFP © Ludovic MarinFrankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Von Pierre Lévy

Die Europa-Rede, die der französische Präsident am 25. April halten sollte, war von seinem Umfeld als sehr wichtig angekündigt worden. An diesem Tag sprach Emmanuel Macron im großen Amphitheater der Sorbonne vor einer Reihe von Persönlichkeiten und Gästen, sieben Jahre nachdem er an demselben prestigeträchtigen Ort seine Ambitionen für die EU vorgestellt hatte, als er gerade zum Obersten Beamten der Republik gewählt worden war.

Macron sieht geopolitische Lage dramatisch: Europa ist sterblich

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Die Minister waren in großer Zahl anwesend, ebenso wie die Vertreter der konstituierten Körperschaften. Allerdings schienen die für Botschafter und andere Offizielle reservierten Bänke zunächst zu zwei Dritteln leer, sodass andere Gäste notgedrungen in die vorderen Reihen verlegt werden mussten, um peinliche Bilder zu vermeiden.

Die meisten Kommentatoren analysierten vor allem die “innenpolitische” Dimension des Auftritts des Präsidenten. Die Europawahlen sind kaum mehr als einen Monat entfernt und die Liste, die sich auf das Lager des Präsidenten beruft, liegt mehr als zehn Prozentpunkte hinter der Liste des Rassemblement National, das rund 30 Prozent der Stimmen erhält (bei einer sehr hohen Wahlenthaltung), wenn man den Umfragen glaubt. Der Staatschef hoffte zweifellos, diesen Trend umkehren zu können.

Das “proeuropäische” Engagement des Präsidenten des Élysée-Palastes ist aber nicht nur wahltaktisch. Wenn er also mehrfach warnt, dass “unser Europa heute sterblich ist, es kann sterben”, muss man diese Sorge des Staatschefs ernst nehmen. Und man kann sich sogar darüber freuen…

In Wirklichkeit ist das, was verschwinden kann, natürlich nicht “Europa”, sondern die Europäische Union. Diese sei geopolitisch bedroht – der Redner behauptet sogar seltsamerweise: “Europa befindet sich in einer Situation der Einkreisung”, wobei er insbesondere “regionale enthemmte Mächte, die dabei sind, auch ihre Fähigkeiten zu zeigen, (wie) Russland und Iran” nennt; die EU sei wirtschaftlich und technologisch von einem “Rückzug” bedroht, weil sie zu naiv und zu offen sei; und sie sei außerdem zu zaghaft, um ihre “kulturelle Schlacht, die Schlacht der Weltanschauungen, der Legenden, der Werte” zu führen.

Natürlich zögert der Präsident nicht, sich über die europäischen “Fortschritte” der letzten Jahre zu freuen und seinerseits einen großen Teil des Verdienstes dafür zu beanspruchen. Macron zitiert die “Finanzeinheit zur Überwindung der Pandemie”, das heißt die Gemeinschaftsanleihe in Höhe von 800 Milliarden Euro, die 2020 zur Finanzierung des “Konjunkturprogramms” aufgelegt wurde. Er hält sich aber natürlich bedeckt über die Tatsache, dass viele Länder aufgrund der Regeln und Verfahren Schwierigkeiten bei der Verwendung der Mittel haben, und schweigt sich völlig über die Rückzahlung dieser Anleihe aus, deren Zinsen im Vergleich zu den ursprünglichen Schätzungen explodieren (mehr als eine Verdreifachung).

Macron lobt auch die Leistungen der EU-Kommission, insbesondere des französischen Kommissars Thierry Breton, in Bezug auf Impfstoffe. Seiner Meinung nach ist es der “strategischen Einheit” der EU zu verdanken, dass die Franzosen massiv geschützt werden konnten. Er erwähnt jedoch nicht die erste Phase des “Jeder für sich” und schon gar nicht die geheimen Verhandlungen der Kommissionspräsidentin mit den Pharmaunternehmen, die zu weit überhöhten Preisen und Mengen führten.

Französischer Luftwaffenoberst: "Macron ist ein Psychopath"

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Französischer Luftwaffenoberst: “Macron ist ein Psychopath”

Der französische Präsident rühmt auch die “europäische Einheit” gegen Russland: Sanktionen, Waffenlieferungen an Kiew und massiver Verzicht auf Kohlenwasserstoffe, die zuvor von Moskau gekauft wurden; aber er schweigt in diesem Bereich, über die katastrophalen Folgen in Bezug auf die Energiekosten und damit den wirtschaftlichen Schaden.

Außerdem würdigt er den “Green Deal”, der den Planeten retten soll und ein Beispiel für den Erfolg der Gemeinschaft beim “Denken, Vorbereiten und Planen der großen Herausforderungen Europas” sei, vermeidet es aber, in diesem Teil seines Plädoyers eine Verbindung zur Revolte der Landwirte in vielen Mitgliedsstaaten herzustellen.

Nachdem die “Fortschritte” genannt wurden, verhehlt aber Emmanuel Macron seine Ängste nicht: “Die Klarheit und die Ehrlichkeit gebieten es, anzuerkennen, dass die Schlacht noch lange nicht gewonnen ist und dass am Horizont des nächsten Jahrzehnts das Risiko immens ist, geschwächt oder sogar abgestiegen zu sein.” Um diese Gefahren abzuwenden, schlägt der französische Präsident drei Achsen vor, um das, was er vor sieben Jahren die “europäische Souveränität” nannte (ein Konzept, das ein Widerspruch in sich ist, da es kein “europäisches Volk” gibt), zu bewahren und zu stärken: “Macht, Wohlstand und Humanismus”.

“Macht” erfordere die Schaffung einer “strategischen Autonomie”, um zu vermeiden, “die Sicherheit an andere zu delegieren”, in diesem Fall an die USA. Daher müsse eine “glaubwürdige europäische Verteidigung” aufgebaut werden, insbesondere mit einer “europäischen Verteidigungsinitiative”, die eine maximal integrierte Militärindustrie beinhalte.

Auf Macrons Agenda stehen außerdem der Aufbau einer “echten strategischen Verschmelzung”, die Vertiefung des “strategischen Kompasses” und die Einrichtung einer 5.000 Mann starken “schnellen Eingreiftruppe”. Nebenbei lobt der Staatschef den “Erfolg” der inzwischen aufgelösten europäischen Takuba-Truppe in der Sahelzone. In dieser Region haben jedoch drei Länder vor kurzem die französische Militärpräsenz vor die Tür gesetzt…

Darüber hinaus skizziert er die Perspektive einer Europäisierung der französischen Atomstreitkräfte.

Bloomberg: Macrons Umgang mit Russland bereitet Regierungsmitarbeitern "Unbehagen"

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Bloomberg: Macrons Umgang mit Russland bereitet Regierungsmitarbeitern “Unbehagen”

Der Redner fordert auch die Finanzierung der europäischen Verteidigungsindustrie durch die Europäische Investitionsbank oder sogar durch eine neue große Gemeinschaftsanleihe. Bei diesem letzten Punkt stößt er frontal auf den Widerstand der Mitgliedsstaaten, die an der Haushaltsorthodoxie festhalten, darunter Deutschland und die nordischen Länder.

In Wirklichkeit gehen die Widersprüche über diese haushaltspolitische Dimension hinaus. Paris hat sich immer für eine gewisse “strategische europäische Autonomie” – wie auch immer sie heißen mag – eingesetzt, wo eine große Anzahl von Ländern (unter anderem Polen, Rumänien, die baltischen Staaten und sogar Deutschland) vorrangig einer direkten Vasallenschaft treu bleiben, die Washington den Großteil ihres Schutzes anvertraut. Diese Opposition ist nicht neu, stellt aber ein unüberwindbares Hindernis für die Hoffnungen des Élysée-Palastes dar.

Die zweite von Emmanuel Macron geförderte Achse, der “Wohlstand”, beinhaltet insbesondere die Einführung eines europäischen Protektionismus – auch wenn dieses Wort nie verwendet wird. Für ihn war früher “der Handel frei und jeder hielt sich an die Regeln. Das war die Welt, in der wir bis vor kurzem lebten; in wenigen Jahren hat sich alles verändert”, angefangen bei Washington und Peking, die ihre Produkte “übersubventionieren” und sich nicht mehr an die Regeln halten.

Angesichts dessen sollte man aufhören, “zu offen” zu sein, die Regeln des Binnenmarktes vereinfachen und “europäische Spitzenunternehmen hervorbringen und sich dazu bekennen, die Unternehmen in unseren strategischen Sektoren massiv mit neuen Investitionen zu unterstützen”. Kurz gesagt, eine echte Industriepolitik übernehmen. Darüber hinaus wäre es notwendig, ein Wachstumsziel in die Aufgaben der EZB aufzunehmen, und nicht nur die Bekämpfung der Inflation. Schließlich könnte ein “Investitionsschock” durch eine neue große gemeinsame Anleihe oder andere gleichwertige Mechanismen mit dem Ziel der Verdoppelung der Haushaltskapazität der EU erreicht werden.

Es ist eine Untertreibung zu sagen, dass nicht alle diese Vorschläge unter den 27 Mitgliedsstaaten einstimmig angenommen werden. Einige stellen sogar einen Casus Belli mit den Ländern dar, die am stärksten an liberalen Dogmen festhalten. Der Präsident ist sich dieser Widersprüche bewusst und versucht daher, seine Ansichten durchzusetzen, indem er die Alarmglocken läuten lässt und vor der “Gefahr” warnt, dass die EU verschwinden könnte.

Die Widersprüche sind aber so zahlreich, dass sie keine Chance haben, dauerhaft gelöst zu werden. Darüber hinaus existieren sie auch unterschwellig in anderen Bereichen, in denen kürzlich Kompromisse gefunden wurden. Dies gilt für den “Pakt zu Migration und Asyl”, wo die Gegensätze zwischen den Mittelmeerländern und den osteuropäischen Ländern noch immer schwelen.

Und selbst bei der Erweiterung um die Balkanländer, die Ukraine und Moldawien verbergen sich hinter den einstimmigen offiziellen Erklärungen nicht eingestandene Vorbehalte, die sich aber zweifellos noch verschärfen werden.

Macron warnt vor Untergang Europas

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Was die dritte Achse betrifft, den vom Staatschef geförderten europäischen “Humanismus”, so dürfte er seinen Kollegen weniger Probleme bereiten. Das Image der EU im “Globalen Süden” dürfte dadurch hingegen nicht gerade verbessert werden… Für ihn bedeutet, Europäer zu sein, “ein bestimmtes Menschenbild zu verteidigen, das das freie, rationale und aufgeklärte Individuum über alles stellt. Und es bedeutet, sich zu sagen, dass wir von Paris bis Warschau und von Lissabon bis Odessa ein einzigartiges Verhältnis zu Freiheit und Gerechtigkeit haben […] Es ist die ständig wiederholte Wahl, die uns von anderen unterscheidet.” Ein wahres Meisterwerk distinguierter Arroganz…

Am Ende seiner langen Rede ließ sich der Gast der Sorbonne zu einem Anflug von Bitterkeit hinreißen, da er vielleicht spürte, dass seine Hoffnungen niemals in Erfüllung gehen würden: “Wieder einmal liebt sich unser Europa nicht selbst. Wenn man sieht, was es alles getan hat und was wir ihm verdanken, so ist dies merkwürdig, aber so ist es nun einmal.”

In direktere Worte übersetzt bedeutet das: Die Völker, die sich weniger denn je für die europäische Integration begeistern, sind verdammt undankbar. Das zeigte sich bei der Gelbwestenbewegung in Frankreich und zuletzt bei den Bauernrevolten in einem Dutzend Mitgliedsstaaten.

Und das ist ein Hindernis für Macrons Ambitionen, das mindestens genauso wirksam ist wie die Widersprüche zwischen den Führern der 27 EU-Staaten.

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