Meinung

Montjan: Die Verhaftung von Kolomoiski ist nur Theater für naive Wähler

Montjan: Die Verhaftung von Kolomoiski ist nur Theater für naive Wähler

Quelle: AFP © SERGEI CHUZAVKOV / AFPIgor Kolomoiski (Mitte) mit seinen Anwälten vor Gericht, 2. September 2023.

Von Tatjana Montjan

In Sachen Verhaftung des ukrainischen Oligarchen Kolomoiski sollte man doch bitte einen kühlen Kopf bewahren. Sie ist nämlich nichts anderes als eine Inszenierung, ein Hütchenspielertrick. Es lohnt sich nicht, sich um Selenskijs Paten “Benja” (das ist der Spitzname vom Kolomoiski aus den “heiligen 1990er Jahren”, unter diesem Namen kennt ihn die ganze Ukraine) zu sorgen. All diese Vorgänge am Sabbat – die Mitteilung der Anklage und die Haftentscheidung des Gerichts – sind nichts anderes als Zirkus aus Selenskijs Studio “Kwartal 95”.

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Warum dieses Theater? Weil nur Kolomoiski bereit war, bei der Inszenierung der Tragikomödie “Kampf gegen die Oligarchen” mitzuspielen, und Selenskij das Stück dringend dem Volk vorführen muss. Andere ukrainische Oligarchen sind für das Regime entweder nicht erreichbar oder sie zahlen gut. Das Entscheidende jedoch für die Besetzung der Rolle des Bösewichts war, dass alle anderen ukrainischen Milliardäre keinerlei schauspielerische Fähigkeiten und noch weniger Vertrauen in die Drehbuchautoren haben. “Wer weiß”, sagen sie sich, “vielleicht werde ich tatsächlich verurteilt.”

Um der Clownerie etwas Glaubwürdigkeit zu verleihen, erklärte Kolomoiskis Anwalt Alexander Lysak, dass der verhaftete Milliardär keine Kaution in Höhe von 509 Millionen Griwna (etwa 13,78 Millionen Dollar) hinterlegen und bis zur Berufung in Untersuchungshaft bleiben werde. Entweder wird das Gericht zweiter Instanz die Kaution stark herabsetzen, oder jemand anderes wird die Kaution für “Benja” bezahlen, der vorerst gelassen und entspannt in einer VIP-Zelle sitzt.

Das Strafverfahren gegen Kolomoiski ist aufgrund von offensichtlichen Verfahrensfehlern aussichtslos und wird sich vor Gericht früher oder später in Luft und Wohlgefallen auflösen. In der Regel wird eine solche Praxis (Anfängerfehler im Ermittlungsverfahren einzubauen, die ein Verteidiger leicht “ausgraben” kann) angewandt, um dem jeweiligen Angeklagten zu helfen, sich potenzieller Probleme mit der Strafjustiz nachhaltig zu entledigen. Mit voller Rechtssicherheit vor künftiger Verfolgung nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Ausland. In Wirklichkeit rettet Selenskij also seinen Ziehvater, indem er immer wieder neue Episoden aus dem groß angelegten Fall herauskaut, der bereits von amerikanischen und europäischen Strukturen untersucht wird.

Nehmen Sie die trivialsten Aspekte dieses Falles, wie die Ermittlungszuständigkeit. Weder das BES (eine weitere in der Ukraine neu geschaffene Strafverfolgungsbehörde – das Büro für wirtschaftliche Sicherheit der Ukraine) noch der SBU können Fälle von Betrug untersuchen, die der angeblichen Geldwäsche in diesem Fall vorausgingen. Hierfür ist die Nationale Polizei zuständig, was natürlich jedem in der Generalstaatsanwaltschaft, dem SBU und dem BES bekannt ist. Und derlei bewusster Ungereimtheiten und Fehler gibt es im Fall Kolomoiski eine ganze Wagenladung plus einen kleinen Karren voll. Jeder noch so schlecht gebildete Jurist kann diesen Fall im Handumdrehen zerpflücken. 

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Ich glaube auch nicht an das Gerede über die “amerikanische Spur” bei der Verhaftung von Kolomoiski. Wenn die Amerikaner es wollten, hätten sie Benja schon längst ausliefern lassen und ihn zu zehnmal lebenslänglicher Haft verurteilt oder auf den elektrischen Stuhl gesetzt. Nur sehr leichtgläubige Menschen können glauben, dass ihnen dazu die Rechtsgrundlage oder Beweise fehlen. Wir erleben aktuell, wie das US-Justizsystem eine inhaltsleere Anklage nach der anderen gegen Trump und seine Mitarbeiter erhebt, und die von der demokratischen Partei sorgfältig ausgewählten Richter haben die Urteile sogar schon vorbereitet. 

Die USA haben sich die Aufgabe, Kolomoiski zu bestrafen, (bisher) einfach nicht gestellt. Denn sowohl Benja als auch all die anderen bekannten Figuren in der Ukraine à la Firtasch, die sich in der juristischen Schwebe befinden, sind ihnen gerade in diesem Stadium nützlich. Nun, es ist nichts Überraschendes daran, dass Selenskij versucht, seinen Ziehvater rechtlich zu entlasten und damit noch beim Wähler zu punkten. Überraschend ist nur, dass so viele Menschen diesen Zirkus allen Ernstes für bare Münze nehmen.

Übersetzung aus dem Russischen

Tatjana Montjan ist eine prominente ukrainische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin mit Millionenpublikum. 2004 noch auf der Seite des ersten Maidan, bezeichnete sie den Euromaidan im Herbst 2013 als Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit und stellte sich entschieden gegen diesen. Vor Beginn der russischen militärischen Intervention musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und führt tägliche Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. Ihr Kanal auf YouTube wurde im Frühjahr 2022 von dem US-Unternehmen gelöscht.

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