Meinung

Rechtsnationalistisch? Alexander Dugin und die liberale Gesprächsverweigerung

Rechtsnationalistisch? Alexander Dugin und die liberale Gesprächsverweigerung

Alexander Dugin

Von Gert Ewen Ungar

Bei einem Bombenattentat am Wochenende wurde die Tochter des russischen Philosophen Alexander Dugin, Darja Dugina, getötet. Die Ermittlungen sind inzwischen abgeschlossen. Der russische Staatsschutz ermittelte eine Ukrainerin als Täterin, die inzwischen nach Estland geflüchtet sein soll. Sie habe sich im Haus von Dugina einquartiert und diese ausspioniert. Ukrainische Geheimdienste hätten das Attentat vorbereitet. 

Dessen ungeachtet bleibt der Verdacht bestehen, dass nicht die Tochter, sondern Dugin selbst Ziel des Anschlags werden sollte. Gegen den Philosophen läuft im Westen schon seit geraumer Zeit eine Diffamierungskampagne. 

Die deutschen Medien haben über den Anschlag berichtet und dabei Dugin und seine Tochter unmittelbar eingeordnet. Nach Auffassung deutscher Medien vertreten beide rechte Ideologien. Sie seien rechtspopulistisch, rechtsnationalistisch und hätten imperialistische Vorstellungen. Außerdem ist Dugin nach Auffassung deutscher Medien wahlweise “Putins Einflüsterer”, “Putins Hirn” oder schlicht “Putins Chefideologe”. Davon stimmt mit ziemlicher Sicherheit nichts.

Eine alte Kampagne mit tödlichen Folgen 

Ich habe bereits 2018 auf dieser Seite einen Text über Dugin veröffentlicht. Schon damals kursierte in deutschen Medien über Dugin der – mit Verlaub – größte Blödsinn. Gefüttert wird dieser Unsinn in Deutschland von den immergleichen Protagonisten: dem Zentrum Liberale Moderne, dem fragwürdigen US-amerikanischen Historiker Timothy Snyder und der US-Ideologin Anne Applebaum. Ihre diffamierenden und vor allem völlig falschen Einordnungen haben den Boden bereitet für diese Tat. Es kann nur schwer bestritten werden, dass der Anschlag wie schon die Sanktionen gegen Dugin in Verbindung mit einer aus diesem Lager geführten Kampagne steht.

Klammheimliche Freude? Reaktionen in Deutschland auf Tod von Darja Dugina

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Seit meinem Beitrag von 2018 hat sich wenig geändert. Es gibt von Dugin auf Deutsch kaum Literatur. Recherchiert man auf Englisch, sieht es nicht wesentlich besser aus. Was ich damals bereits schrieb, gilt noch immer: Es gibt in Deutschland viel Literatur über ihn, aber kaum Literatur von ihm. Das macht es den liberalen Propagandisten natürlich einfach. Man kann ihre wilden Thesen vom rechten Vordenker nur schwer überprüfen. 

Dabei wäre eine Auseinandersetzung wünschenswert, denn Dugins Denken kreist um die multipolare Weltordnung. Zentral ist der Begriff der Zivilisation. Nach Dugin gibt es auf der Welt eine Handvoll unterschiedlicher Zivilisationen. Die russische ist eine davon. Dass Dugin Westeuropa nicht den Status einer Zivilisation zuspricht, mag man als Europäer kränkend finden, zum Faschisten macht ihn das noch nicht. 

Die Zivilisationen sind autonom und souverän. Sie verfügen über eigene Identitäten, die sich aus Tradition, Kultur und Glauben in einem evolutionären Prozess entwickeln. Sie sind geografisch umrissen, aber an ihren Rändern gibt es Überlappungen und daher das Potenzial für Konflikte. Für Dugin ist daher eine Welt ohne Krieg nicht vorstellbar. Gleichzeitig erhofft er sich aber von einem Dialog der Zivilisationen und einer Verfeinerung der diplomatischen Kultur mäßigenden Einfluss. 

Alternative zur Kampagne: Dialog

Das von Dugin vorgeschlagene Modell beschreibt zwar riesige geografische Räume als autonom und souverän, es ist jedoch das Gegenteil von imperialistisch, denn sein Zivilisationsmodell ist selbstgenügsam. Zivilisationen streben zwar nach Abgrenzung und Sicherheit, aber nicht nach Ausdehnung. 

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Der Ukraine-Krieg lässt sich in das Modell von Dugin einordnen. Es stellt einen Konflikt am Rande der russischen Zivilisation dar. Die Ukraine trägt ihre Randständigkeit schon im Landesnamen, denn nach einer etymologischen Deutung bedeutet Ukraine “auf dem Rand”. Die Ukraine ist bestimmt zum Austragungsort des Konflikts zwischen Ost und West, wenn man sie ihrer Brückenfunktion beraubt. Genau das ist geschehen. 

In einer Rede auf dem Festival “Tradizija” sprach Dugin kurz vor der Ermordung seiner Tochter unter dem Titel “Tradition und Geschichte” von der Unvermeidbarkeit einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine aufgrund der Kompromisslosigkeit Selenskijs und des Westens. Das Festival ist keine rechte Veranstaltung, sondern ein Volksfest, das sich vor allem an Familien richtet. Auf unserem Weg nach Hause fuhren wir am Sonntag am Festival vorbei. Es ist Anziehungspunkt für Tausende, sorgt für Staus auf der Autobahn und ist alles andere als eine kleine rechtsnationalistische Veranstaltung, wie es einige deutsche Medien suggerierten. 

Man kann und sollte zu den Thesen Dugins kritisch stehen. Man kann ihn sicherlich als schillernd beschreiben. Man kann seinen Akzent auf Tradition und Religion als zu konservativ empfinden. Man kann und sollte sich über die Begriffe streiten. Man sollte den Dialog suchen, denn so funktioniert Philosophie. Dann wird man schnell feststellen: Ein Attribut, das auf Dugin nicht zutrifft, ist rechtsnationalistisch oder gar faschistisch. 

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Was sich verbietet, ist, statt einen Dialog mit Dugin zu führen, ihn und seine Tochter unter dem Deckmantel eines angeblichen Kampfes gegen Rechts und den Autoritarismus zu diffamieren. Westliche und allen voran deutsche Think-Tanks wie das schon genannte Zentrum Liberale Moderne, aber auch die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen ersetzen die Auseinandersetzung durch fehlerhafte und herabsetzende Einordnungen. Das Bemühen um Verstehen wird mit Verunglimpfung zu verhindern versucht. Mit dieser Verweigerung eines Dialoges und der Hinwendung zur Pseudowissenschaftlichkeit, mit der sie ihre Kampagnen unterlegen, haben liberale Thinktanks ein Klima geschaffen, das Anschläge wie den vom Wochenende fördert. 

Die Gesprächsverweigerung gegenüber Andersdenkenden durch sich als liberal verstehende Personen und Institutionen ist eben das genaue Gegenteil von Offenheit, Toleranz und der Förderung von Vielfalt. Die Ausgrenzung von Positionen als angeblich indiskutabel ist das Gegenteil von offenem Diskurs. Es ist Zeichen für engstirniges, trotziges Denken und einen Hang zum Totalitarismus.

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