Quelle: Gettyimages.ru © Sefa Karacan / Anadolu Agency Milorad Dodik, Vertreter der Serben im dreiköpfigen Staatspräsidium Bosnien-Herzegowinas, nahm im Juni 2022 am Internationalen Wirtschaftsforum von Sankt Petersburg (SPIEF) teil. Seine politischen Kontrahenten werfen Dodik vor, eine pro-russische Agenda zu verfolgen.
Der Vertreter der Serben im dreiköpfigen Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik, hat nach übereinstimmenden Medienberichten gegen die Ernennung des neuen deutschen Botschafters in dem Westbalkanland gestimmt. Werden sollte es demnach Thomas Fitschen, der nach den Angaben auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes derzeit in Australien im diplomatischen Dienst tätig ist. Fitschen ist als Nachfolger für Margret Uebber gesetzt, die demnächst das Land verlassen wird, heißt es in den Berichten bosnisch-herzegowinischer Medien.
Analyse
Deutsche Stiefel auf dem Balkan: Zwischen Friedensmission und traumatischen Erinnerungen
Dodik soll das “Agrément” für Fitschen – das Einverständnis, ihn als Botschafter zu akkreditieren – bei der Sitzung des dreiköpfigen Staatspräsidiums Mitte dieser Woche verweigert haben. Jede der drei ethnischen Gruppen – bosnische Muslime, die sich seit Mitte der 1990er Jahre offiziell Bosniaken nennen, christlich-orthodoxe Serben und katholische Kroaten – haben in dem Gremium einen Vertreter. Alle Entscheidungen dort müssen auch einstimmig getroffen werden. Den Meldungen zufolge soll es in Kürze diesbezüglich ein weiteres Treffen der drei Volksdelegierten geben. Ob Dodik allerdings nachgeben wird, bleibt fraglich.
Einige Politiker im Land, wie etwa die Außenministerin Bisera Turković, sprechen bereits jetzt von einem “absolut unverantwortlichen und politisch unreifen Schritt”, der nicht nur vor allem den Serben im Land schaden werde, sondern auch darauf abziele, die sehr guten Beziehungen zwischen Deutschland und Bosnien-Herzegowina “künstlich zu stören”. Doch Dodiks Schritt könnte auch als eine Art Retourkutsche in den politischen Spielchen in Sarajevo gewertet werden. Denn bei der gleichen Sitzung wurde keiner seiner Vorschläge von den zwei anderen Vertretern angenommen. Laut serbischen Medien warf er den zwei anderen Delegierten entsprechend vor, eine “antiserbische politische Agenda” zu verfolgen und auf diese Weise der hauptsächlich von Serben bewohnten Teilrepublik Republika Srpska “beträchtlichen Schaden” zuzufügen.
Laut Medienberichten habe Dodik bei diesem Treffen vorgeschlagen, dass sich Bosnien-Herzegowina der Initiative “Open Balkan” anschließt, die von Serbien, Nordmazedonien und Albanien ins Leben gerufen wurde. Auf dem westlichen Balkan, so die Idee hinter dem Vorhaben, wollen die Länder eine Art grenzfreie Union schaffen, die unter anderem die Wirtschaften der Teilnehmerstaaten ankurbeln und bürokratische Hürden etwa beim Verkehr von Waren und Arbeitskräften erleichtern soll. AB 1 Januar 2023 sollen zunächst die Grenzkontrollen zwischen den drei Ländern wegfallen, freier Warenverkehr soll folgen.
Meinung
Koloniale Manieren: Briten stärken Präsenz in Bosnien durch Entsendung von Militärexperten
Doch die Gegner der Initiative sehen in “Open Balkan” eine Idee Serbiens, das auf diese Weise seine hegemonialen Bestrebungen auf dem Balkan “erneut” zu realisieren versuche. Albin Kurti, kosovo-albanischer Politiker und aktueller Premierminister der abtrünnigen serbischen Provinz, hatte eine Teilnahme an dem Projekt abgelehnt. Aber auch in Sarajevo gibt es Widerstände – seitens der Vertreter der Bosniaken und Kroaten. Gar eine Einflussnahme Russlands auf die Initiative wurde von einigen Politikern kolportiert, nachdem in der Vergangenheit der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Gelegenheit das Vorhaben als positiv für die Region eingeschätzt hatte. Die engen Beziehungen Belgrads zu Moskau würden “Open Balkan” laut Albin Kurti “anfällig” für russischen Einfluss machen. Dodik aber würde gern auch Bosnien-Herzegowina dabei sehen.
Aktuell befindet sich der Vertreter der Republika Srpska zudem in einem Disput mit dem neuen Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina, dessen Posten er gern abgeschafft sähe. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Deutschen, den ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister und CSU-Politiker Christian Schmidt. Er soll die Umsetzung des Dayton-Abkommens überwachen, kann aber auch eigenmächtig Gesetze erlassen und Politiker absetzen.
Serben-Vertreter zu angedrohten Sanktionen: “Baerbock hat keine Ahnung von unserem Leben”
In den westlichen Medien und Machtzentren wie Washington und Brüssel wird stets angeführt, dass der Sozialdemokrat Dodik ein Mann Russlands auf dem Balkan sei, der die Region destabilisiere und im Interesse Moskaus in Bosnien-Herzegowina ständig “zündelt”. Der 63-jährige Serben-Vertreter hingegen sieht das Problem vor allem auf der bosniakischen Seite. Dieser wirft er vor, mithilfe westlicher Vertreter, allen voran der britischen und US-amerikanischen, an der Abschaffung der Republika Srpska zu arbeiten, um die Idee eines “unitären” Landes zu realisieren. Dadurch wäre Bosnien-Herzegowina zentralistisch regiert, und die Muslime im Land, die auch zahlenmäßig die stärkste Ethnie bilden, hätten laut Dodik dann die Möglichkeit, durch Stimmenmehrheit die Geschicke des Landes zu leiten.
Ein erklärtes Ziel der Bosniaken sei laut Verlautbarungen ihrer Vertreter die NATO-Integration, was Dodik im Namen der Serben in Bosnien-Herzegowina bislang kategorisch ausschließt.
Die politische Krise im Land dauert bereits seit Jahren. Auch weil in dem anderen Landesteil – der Föderation Bosnien-Herzegowinas – die politischen Vertreter der dritten Ethnie im Land, der Kroaten, bestimmte Institutionen blockieren, um ihrerseits eigene Interessen gegenüber den Bosniaken durchzusetzen. Demnächst finden Parlamentswahlen im Land statt. Gewählt werden die drei Mitglieder der Staatsführung, das gesamtstaatliche Parlament, aber auch die Parlamente der beiden Landesteile sowie des nordbosnischen Distriktes Brčko. Analysten gehen davon aus, dass die nationalistisch geprägten Parteien erneut gewinnen werden. Zumal sie sich bereits seit Jahren durch Vergabe von Posten und Jobs an Partei-Loyale in kommunalen sowie staatlichen Unternehmen und Behörden eine treue Wählerarmee aufgebaut haben.
Source